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Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.

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wie überall, dasselbe geblieben, so war die Form desselben dennoch so ganz anders geworden, daß er sich nicht darin zu finden wußte, und grade durch die gesetzliche Feststellung des Neuen am meisten erschreckt ward. So lange noch alles in der allgemeinen Crisis begriffen, und ein jeder mir in die Gährung hineingezogen war, konnte das zerrissene Gefühl nicht zum eigentlichen Bewußtsein gelangen, doch jetzt, wo sich der Tumult arbeitender Kräfte gelegt, und wirklich etwas gestaltet hatte, prallte das Auge scheu vor dem Fremden, Ungewohnten, zurück. Der Marquis empfand den Stoß in der Fortentwickelung der Zeit, allein er konnte sich nicht besinnen, auf welchem Punkte er selbst stehe!

Um nichts besser ging es ihm beim Wiederfinden seines alten Besitzthumes, in welchem man kaum noch die Spur menschlichen Wohnsitzes erkannte. Das mächtige Schloß war völlig in sich zusammengestürzt, und die gewaltigen Massen übereinanderliegender Steine schienen Frieden mit der Gegenwart geschlossen zu haben, die wohl nicht mehr an ihnen rühren mochte. Eine grüne Moosdecke hatte sich schon über das dunkle Gemäuer ausgelegt, von der Terrasse herauf wanden sich Wein- und Epheuranken an einzelne Pfeilerstümpfe hinan, die Bäume, welche es von der

wie überall, dasselbe geblieben, so war die Form desselben dennoch so ganz anders geworden, daß er sich nicht darin zu finden wußte, und grade durch die gesetzliche Feststellung des Neuen am meisten erschreckt ward. So lange noch alles in der allgemeinen Crisis begriffen, und ein jeder mir in die Gährung hineingezogen war, konnte das zerrissene Gefühl nicht zum eigentlichen Bewußtsein gelangen, doch jetzt, wo sich der Tumult arbeitender Kräfte gelegt, und wirklich etwas gestaltet hatte, prallte das Auge scheu vor dem Fremden, Ungewohnten, zurück. Der Marquis empfand den Stoß in der Fortentwickelung der Zeit, allein er konnte sich nicht besinnen, auf welchem Punkte er selbst stehe!

Um nichts besser ging es ihm beim Wiederfinden seines alten Besitzthumes, in welchem man kaum noch die Spur menschlichen Wohnsitzes erkannte. Das mächtige Schloß war völlig in sich zusammengestürzt, und die gewaltigen Massen übereinanderliegender Steine schienen Frieden mit der Gegenwart geschlossen zu haben, die wohl nicht mehr an ihnen rühren mochte. Eine grüne Moosdecke hatte sich schon über das dunkle Gemäuer ausgelegt, von der Terrasse herauf wanden sich Wein- und Epheuranken an einzelne Pfeilerstümpfe hinan, die Bäume, welche es von der

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[219/0226] wie überall, dasselbe geblieben, so war die Form desselben dennoch so ganz anders geworden, daß er sich nicht darin zu finden wußte, und grade durch die gesetzliche Feststellung des Neuen am meisten erschreckt ward. So lange noch alles in der allgemeinen Crisis begriffen, und ein jeder mir in die Gährung hineingezogen war, konnte das zerrissene Gefühl nicht zum eigentlichen Bewußtsein gelangen, doch jetzt, wo sich der Tumult arbeitender Kräfte gelegt, und wirklich etwas gestaltet hatte, prallte das Auge scheu vor dem Fremden, Ungewohnten, zurück. Der Marquis empfand den Stoß in der Fortentwickelung der Zeit, allein er konnte sich nicht besinnen, auf welchem Punkte er selbst stehe! Um nichts besser ging es ihm beim Wiederfinden seines alten Besitzthumes, in welchem man kaum noch die Spur menschlichen Wohnsitzes erkannte. Das mächtige Schloß war völlig in sich zusammengestürzt, und die gewaltigen Massen übereinanderliegender Steine schienen Frieden mit der Gegenwart geschlossen zu haben, die wohl nicht mehr an ihnen rühren mochte. Eine grüne Moosdecke hatte sich schon über das dunkle Gemäuer ausgelegt, von der Terrasse herauf wanden sich Wein- und Epheuranken an einzelne Pfeilerstümpfe hinan, die Bäume, welche es von der

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/226>, abgerufen am 18.04.2024.