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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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Da er nun an diesem Abende ganz arglos
bei den Netzen saß, kam ihn doch ein unverse-
hener Schrecken an, als er es im Waldesdunkel
rauschen hörte, wie Roß und Mann, und sich
das Geräusch immer näher nach der Landzunge
herauszog. Was er in manchen stürmigen Näch-
ten von den Geheimnissen des Forstes geträumt
hatte, zuckte ihm nun auf einmal durch den
Sinn, vor Allem das Bild eines riesenmäßig
langen, schneeweißen Mannes, der unaufhörlich
auf eine seltsame Art mit dem Kopfe nickte. Ja,
als er die Augen nach dem Walde aufhob, kam
es ihm ganz eigentlich vor, als sehe er durch das
Laubgegitter den nickenden Mann hervor kom-
men. Er nahm sich aber bald zusammen, er-
wägend, wie ihm doch niemals in dem Walde
selbsten was Bedenkliches widerfahren sei, und
also auf der freien Landzunge der böse Geist
wohl noch minder Gewalt über ihn ausüben
dürfe. Zugleich betete er recht kräftiglich einen
biblischen Spruch laut aus dem Herzen heraus,
wodurch ihm der kecke Muth auch zurücke kam,

Da er nun an dieſem Abende ganz arglos
bei den Netzen ſaß, kam ihn doch ein unverſe-
hener Schrecken an, als er es im Waldesdunkel
rauſchen hoͤrte, wie Roß und Mann, und ſich
das Geraͤuſch immer naͤher nach der Landzunge
herauszog. Was er in manchen ſtuͤrmigen Naͤch-
ten von den Geheimniſſen des Forſtes getraͤumt
hatte, zuckte ihm nun auf einmal durch den
Sinn, vor Allem das Bild eines rieſenmaͤßig
langen, ſchneeweißen Mannes, der unaufhoͤrlich
auf eine ſeltſame Art mit dem Kopfe nickte. Ja,
als er die Augen nach dem Walde aufhob, kam
es ihm ganz eigentlich vor, als ſehe er durch das
Laubgegitter den nickenden Mann hervor kom-
men. Er nahm ſich aber bald zuſammen, er-
waͤgend, wie ihm doch niemals in dem Walde
ſelbſten was Bedenkliches widerfahren ſei, und
alſo auf der freien Landzunge der boͤſe Geiſt
wohl noch minder Gewalt uͤber ihn ausuͤben
duͤrfe. Zugleich betete er recht kraͤftiglich einen
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[5/0019] Da er nun an dieſem Abende ganz arglos bei den Netzen ſaß, kam ihn doch ein unverſe- hener Schrecken an, als er es im Waldesdunkel rauſchen hoͤrte, wie Roß und Mann, und ſich das Geraͤuſch immer naͤher nach der Landzunge herauszog. Was er in manchen ſtuͤrmigen Naͤch- ten von den Geheimniſſen des Forſtes getraͤumt hatte, zuckte ihm nun auf einmal durch den Sinn, vor Allem das Bild eines rieſenmaͤßig langen, ſchneeweißen Mannes, der unaufhoͤrlich auf eine ſeltſame Art mit dem Kopfe nickte. Ja, als er die Augen nach dem Walde aufhob, kam es ihm ganz eigentlich vor, als ſehe er durch das Laubgegitter den nickenden Mann hervor kom- men. Er nahm ſich aber bald zuſammen, er- waͤgend, wie ihm doch niemals in dem Walde ſelbſten was Bedenkliches widerfahren ſei, und alſo auf der freien Landzunge der boͤſe Geiſt wohl noch minder Gewalt uͤber ihn ausuͤben duͤrfe. Zugleich betete er recht kraͤftiglich einen bibliſchen Spruch laut aus dem Herzen heraus, wodurch ihm der kecke Muth auch zuruͤcke kam,

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/19>, abgerufen am 29.03.2024.