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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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Viertes Capitel.
Der Erbprinz

Von dieser langen Liebes- und Leidensgeschichte
wußte ich natürlich kein Sterbenswort, als ich mich
stolz und wohlgemuth in die goldne Carosse schwang,
um vor das Angesicht der hohen Repräsentantin meiner
Familie, der Wittwe eines durchlauchtigen Herrn, ge¬
führt zu werden. Vor mir auf hohem Throne ragte
Muhme Justinens Flügelhaube neben der Allongen¬
perrücke des uralten Rosselenkers. Der riesige
Heiduck klammerte sich an die ellenlangen Gold¬
quasten über dem Trittbrett hinter mir und dahin
rollte das stolze Gefährt auf der einsamen Straße
von Reckenburg.

Sie führte in gleichmäßiger Ebene durch dichten
Nadelwald, dann und wann das Stromufer berührend.
Ich war in einem Frucht- und Laubholzthale aufge¬
wachsen, zwischen dessen felsigen Abfällen ein kleiner

Viertes Capitel.
Der Erbprinz

Von dieſer langen Liebes- und Leidensgeſchichte
wußte ich natürlich kein Sterbenswort, als ich mich
ſtolz und wohlgemuth in die goldne Caroſſe ſchwang,
um vor das Angeſicht der hohen Repräſentantin meiner
Familie, der Wittwe eines durchlauchtigen Herrn, ge¬
führt zu werden. Vor mir auf hohem Throne ragte
Muhme Juſtinens Flügelhaube neben der Allongen¬
perrücke des uralten Roſſelenkers. Der rieſige
Heiduck klammerte ſich an die ellenlangen Gold¬
quaſten über dem Trittbrett hinter mir und dahin
rollte das ſtolze Gefährt auf der einſamen Straße
von Reckenburg.

Sie führte in gleichmäßiger Ebene durch dichten
Nadelwald, dann und wann das Stromufer berührend.
Ich war in einem Frucht- und Laubholzthale aufge¬
wachſen, zwiſchen deſſen felſigen Abfällen ein kleiner

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[[178]/0185] Viertes Capitel. Der Erbprinz Von dieſer langen Liebes- und Leidensgeſchichte wußte ich natürlich kein Sterbenswort, als ich mich ſtolz und wohlgemuth in die goldne Caroſſe ſchwang, um vor das Angeſicht der hohen Repräſentantin meiner Familie, der Wittwe eines durchlauchtigen Herrn, ge¬ führt zu werden. Vor mir auf hohem Throne ragte Muhme Juſtinens Flügelhaube neben der Allongen¬ perrücke des uralten Roſſelenkers. Der rieſige Heiduck klammerte ſich an die ellenlangen Gold¬ quaſten über dem Trittbrett hinter mir und dahin rollte das ſtolze Gefährt auf der einſamen Straße von Reckenburg. Sie führte in gleichmäßiger Ebene durch dichten Nadelwald, dann und wann das Stromufer berührend. Ich war in einem Frucht- und Laubholzthale aufge¬ wachſen, zwiſchen deſſen felſigen Abfällen ein kleiner

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. [178]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/185>, abgerufen am 23.04.2024.