Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

tasche hervorgesucht hatte, und dessen pulvergeschwärzte,
blutige Spuren ein beredtes Zeugniß seiner Jünglings¬
jahre waren.

"Psalm 146, Vers neun."

"Der Herr behütet die Fremdlinge und Wai¬
sen. August Müller. Eingesegnet und unserer
Pflegestätte entlassen am vierten April 1807.

Kloster Laurentii,     Ludwig Nordheim,
Kreis Leipzig.     Probst und Director.

Frau Lisette hatte diesen knappen Inhalt kopf¬
schüttelnd vor sich hingemurmelt. "Kein Geburtsda¬
tum," sagte sie nach einer nachdenklichen Pause; "nicht
Name, Stand und Wohnort der Eltern! War das
Kloster eines für eheliche Kinder, August?"

"Für Soldatenwaisen," antwortete stolz der
Mann. "Nur als Lückenbüßer dann und wann ein
Bürgerjunge."

"Und Du erinnerst Dich auch entfernt keines
Pflegers, oder Vormunds, keiner Ortsbehörde, die Dich
in die Anstalt gebracht hätte?"

"Hingebracht? ei freilich, hingebracht hat mich Fräu¬
lein Hardine."

Die Marketenderin zuckte neubelebt auf.

taſche hervorgeſucht hatte, und deſſen pulvergeſchwärzte,
blutige Spuren ein beredtes Zeugniß ſeiner Jünglings¬
jahre waren.

„Pſalm 146, Vers neun.“

„Der Herr behütet die Fremdlinge und Wai¬
ſen. Auguſt Müller. Eingeſegnet und unſerer
Pflegeſtätte entlaſſen am vierten April 1807.

Kloſter Laurentii,     Ludwig Nordheim,
Kreis Leipzig.     Probſt und Director.

Frau Liſette hatte dieſen knappen Inhalt kopf¬
ſchüttelnd vor ſich hingemurmelt. „Kein Geburtsda¬
tum,“ ſagte ſie nach einer nachdenklichen Pauſe; „nicht
Name, Stand und Wohnort der Eltern! War das
Kloſter eines für eheliche Kinder, Auguſt?“

„Für Soldatenwaiſen,“ antwortete ſtolz der
Mann. „Nur als Lückenbüßer dann und wann ein
Bürgerjunge.“

„Und Du erinnerſt Dich auch entfernt keines
Pflegers, oder Vormunds, keiner Ortsbehörde, die Dich
in die Anſtalt gebracht hätte?“

„Hingebracht? ei freilich, hingebracht hat mich Fräu¬
lein Hardine.“

Die Marketenderin zuckte neubelebt auf.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="9"/>
ta&#x017F;che hervorge&#x017F;ucht hatte, und de&#x017F;&#x017F;en pulverge&#x017F;chwärzte,<lb/>
blutige Spuren ein beredtes Zeugniß &#x017F;einer Jünglings¬<lb/>
jahre waren.</p><lb/>
        <floatingText rendition="#et">
          <body>
            <p rendition="#c">&#x201E;P&#x017F;alm 146, Vers neun.&#x201C;</p><lb/>
            <p>&#x201E;Der Herr behütet die Fremdlinge und Wai¬<lb/>
&#x017F;en. Augu&#x017F;t Müller. Einge&#x017F;egnet und un&#x017F;erer<lb/>
Pflege&#x017F;tätte entla&#x017F;&#x017F;en am vierten April 1807.</p><lb/>
            <p rendition="#c">Klo&#x017F;ter Laurentii, <space dim="horizontal"/> Ludwig Nordheim,<lb/>
Kreis Leipzig. <space dim="horizontal"/> Prob&#x017F;t und Director.</p><lb/>
          </body>
        </floatingText>
        <p>Frau Li&#x017F;ette hatte die&#x017F;en knappen Inhalt kopf¬<lb/>
&#x017F;chüttelnd vor &#x017F;ich hingemurmelt. &#x201E;Kein Geburtsda¬<lb/>
tum,&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie nach einer nachdenklichen Pau&#x017F;e; &#x201E;nicht<lb/>
Name, Stand und Wohnort der Eltern! War das<lb/>
Klo&#x017F;ter eines für eheliche Kinder, Augu&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Für Soldatenwai&#x017F;en,&#x201C; antwortete &#x017F;tolz der<lb/>
Mann. &#x201E;Nur als Lückenbüßer dann und wann ein<lb/>
Bürgerjunge.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und Du erinner&#x017F;t Dich auch entfernt keines<lb/>
Pflegers, oder Vormunds, keiner Ortsbehörde, die Dich<lb/>
in die An&#x017F;talt gebracht hätte?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hingebracht? ei freilich, hingebracht hat mich Fräu¬<lb/>
lein Hardine.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Marketenderin zuckte neubelebt auf.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0016] taſche hervorgeſucht hatte, und deſſen pulvergeſchwärzte, blutige Spuren ein beredtes Zeugniß ſeiner Jünglings¬ jahre waren. „Pſalm 146, Vers neun.“ „Der Herr behütet die Fremdlinge und Wai¬ ſen. Auguſt Müller. Eingeſegnet und unſerer Pflegeſtätte entlaſſen am vierten April 1807. Kloſter Laurentii, Ludwig Nordheim, Kreis Leipzig. Probſt und Director. Frau Liſette hatte dieſen knappen Inhalt kopf¬ ſchüttelnd vor ſich hingemurmelt. „Kein Geburtsda¬ tum,“ ſagte ſie nach einer nachdenklichen Pauſe; „nicht Name, Stand und Wohnort der Eltern! War das Kloſter eines für eheliche Kinder, Auguſt?“ „Für Soldatenwaiſen,“ antwortete ſtolz der Mann. „Nur als Lückenbüßer dann und wann ein Bürgerjunge.“ „Und Du erinnerſt Dich auch entfernt keines Pflegers, oder Vormunds, keiner Ortsbehörde, die Dich in die Anſtalt gebracht hätte?“ „Hingebracht? ei freilich, hingebracht hat mich Fräu¬ lein Hardine.“ Die Marketenderin zuckte neubelebt auf.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/16
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/16>, abgerufen am 19.04.2024.