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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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lieber als Mutter ausgebeten haben, hätte ich mich
überhaupt jemals nach Vater oder Mutter gesehnt.
Ich sehnte mich aber in die Freiheit, in den Wald,
oder in die Welt und weiter nach nichts. Indessen
einen Großvater, der auf dem Schlachtfelde geblieben
war, hätte ich mir schon gefallen lassen und ihm zu
Liebe allenfalls auch die gestrenge Hardine als Fräu¬
lein Mama in den Kauf genommen. Darum spitzte
ich wohl einen Augenblick die Ohren.

"Aber der Major war ein vornehmer Herr und
ich hieß schlechtweg Müller. Der Probst hatte mir
kaum vor einer Stunde gesagt, daß ich es um meines
Standes willen nur bis zum Gemeinen bringen könne.
Das fiel mir zur rechten Zeit wieder ein, und ohne
mich viel darum zu grämen, erklärte ich der alten
Hexe, welch ein Wind es mit ihrer Prophezeiung sei.

"Die aber blieb bockssteif bei ihrem Satz und
wurde noch obendrein rabbiat. -- "Was Du für ein
blitzdummer Junge bist, Gustel," -- eiferte sie, indem
sie beide Arme in die Hüften stemmte.

"Als ob ein Edelweiß nicht auch wilde Schö߬
linge treiben könne! Als ob man ein Kind, wenn
man seinem Ursprunge nicht auf die Spur kommen
lassen will, nicht blos als einen Müller, oder meinet¬

lieber als Mutter ausgebeten haben, hätte ich mich
überhaupt jemals nach Vater oder Mutter geſehnt.
Ich ſehnte mich aber in die Freiheit, in den Wald,
oder in die Welt und weiter nach nichts. Indeſſen
einen Großvater, der auf dem Schlachtfelde geblieben
war, hätte ich mir ſchon gefallen laſſen und ihm zu
Liebe allenfalls auch die geſtrenge Hardine als Fräu¬
lein Mama in den Kauf genommen. Darum ſpitzte
ich wohl einen Augenblick die Ohren.

„Aber der Major war ein vornehmer Herr und
ich hieß ſchlechtweg Müller. Der Probſt hatte mir
kaum vor einer Stunde geſagt, daß ich es um meines
Standes willen nur bis zum Gemeinen bringen könne.
Das fiel mir zur rechten Zeit wieder ein, und ohne
mich viel darum zu grämen, erklärte ich der alten
Hexe, welch ein Wind es mit ihrer Prophezeiung ſei.

„Die aber blieb bocksſteif bei ihrem Satz und
wurde noch obendrein rabbiat. — „Was Du für ein
blitzdummer Junge biſt, Guſtel,“ — eiferte ſie, indem
ſie beide Arme in die Hüften ſtemmte.

„Als ob ein Edelweiß nicht auch wilde Schö߬
linge treiben könne! Als ob man ein Kind, wenn
man ſeinem Urſprunge nicht auf die Spur kommen
laſſen will, nicht blos als einen Müller, oder meinet¬

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[28/0035] lieber als Mutter ausgebeten haben, hätte ich mich überhaupt jemals nach Vater oder Mutter geſehnt. Ich ſehnte mich aber in die Freiheit, in den Wald, oder in die Welt und weiter nach nichts. Indeſſen einen Großvater, der auf dem Schlachtfelde geblieben war, hätte ich mir ſchon gefallen laſſen und ihm zu Liebe allenfalls auch die geſtrenge Hardine als Fräu¬ lein Mama in den Kauf genommen. Darum ſpitzte ich wohl einen Augenblick die Ohren. „Aber der Major war ein vornehmer Herr und ich hieß ſchlechtweg Müller. Der Probſt hatte mir kaum vor einer Stunde geſagt, daß ich es um meines Standes willen nur bis zum Gemeinen bringen könne. Das fiel mir zur rechten Zeit wieder ein, und ohne mich viel darum zu grämen, erklärte ich der alten Hexe, welch ein Wind es mit ihrer Prophezeiung ſei. „Die aber blieb bocksſteif bei ihrem Satz und wurde noch obendrein rabbiat. — „Was Du für ein blitzdummer Junge biſt, Guſtel,“ — eiferte ſie, indem ſie beide Arme in die Hüften ſtemmte. „Als ob ein Edelweiß nicht auch wilde Schö߬ linge treiben könne! Als ob man ein Kind, wenn man ſeinem Urſprunge nicht auf die Spur kommen laſſen will, nicht blos als einen Müller, oder meinet¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/35>, abgerufen am 25.04.2024.