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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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wer setzt Dir den Kopf zurecht? Niemand Anderes
als Fräulein Hardine. Und nun noch zu guter Letzt:
Was brauchte der todte Major einen Kranz aus dem
Waisenkloster, wenn's nicht Einer von seinem Blute
war, der ihm die letzte Ehre anthun sollen? Was
brauchte der Probst Dir im Leichenhause eine Stand¬
predigt zu halten, wenn Du nicht quasi zur Familie
gehörtest? Wer den Zusammenhang nicht mit Hän¬
den greift, nun, der kann sagen, er hat keinen Grips.
Fräulein Hardine ist Deine Mutter, das steht so fest
wie das Amen im Evangelium."

"Die Alte machte eine Pause, weil sie doch ein¬
mal verpusten und ausspucken mußte. Ich sagte kein
Wort, denn im Grunde war mir die Sache einerlei.
Nach einer Weile fing die Beckern mit frischer Lunge
wieder an: "Ich will mit meinem Satze nichts Un¬
reputirliches von Fräulein Hardinen behaupten, August.
Aus so einer honetten Familie, und so eine Erbschaft
vor Augen, beileibe nicht, beileibe nicht! Denn zur Zeit
ist Fräulein Hardine freilich so arm wie eine Kirchen¬
maus; aber das alte schwarze Spukeding, ihre Muhme,
kann's doch nicht ewig in ihrem Goldthurme Schätze
graben. Und wenn sie sich zehnmal dem Leibhaftigen
verschrieben hat, unser Herrgott hält ihm Widerpart

wer ſetzt Dir den Kopf zurecht? Niemand Anderes
als Fräulein Hardine. Und nun noch zu guter Letzt:
Was brauchte der todte Major einen Kranz aus dem
Waiſenkloſter, wenn's nicht Einer von ſeinem Blute
war, der ihm die letzte Ehre anthun ſollen? Was
brauchte der Probſt Dir im Leichenhauſe eine Stand¬
predigt zu halten, wenn Du nicht quaſi zur Familie
gehörteſt? Wer den Zuſammenhang nicht mit Hän¬
den greift, nun, der kann ſagen, er hat keinen Grips.
Fräulein Hardine iſt Deine Mutter, das ſteht ſo feſt
wie das Amen im Evangelium.“

„Die Alte machte eine Pauſe, weil ſie doch ein¬
mal verpuſten und ausſpucken mußte. Ich ſagte kein
Wort, denn im Grunde war mir die Sache einerlei.
Nach einer Weile fing die Beckern mit friſcher Lunge
wieder an: „Ich will mit meinem Satze nichts Un¬
reputirliches von Fräulein Hardinen behaupten, Auguſt.
Aus ſo einer honetten Familie, und ſo eine Erbſchaft
vor Augen, beileibe nicht, beileibe nicht! Denn zur Zeit
iſt Fräulein Hardine freilich ſo arm wie eine Kirchen¬
maus; aber das alte ſchwarze Spukeding, ihre Muhme,
kann's doch nicht ewig in ihrem Goldthurme Schätze
graben. Und wenn ſie ſich zehnmal dem Leibhaftigen
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[30/0037] wer ſetzt Dir den Kopf zurecht? Niemand Anderes als Fräulein Hardine. Und nun noch zu guter Letzt: Was brauchte der todte Major einen Kranz aus dem Waiſenkloſter, wenn's nicht Einer von ſeinem Blute war, der ihm die letzte Ehre anthun ſollen? Was brauchte der Probſt Dir im Leichenhauſe eine Stand¬ predigt zu halten, wenn Du nicht quaſi zur Familie gehörteſt? Wer den Zuſammenhang nicht mit Hän¬ den greift, nun, der kann ſagen, er hat keinen Grips. Fräulein Hardine iſt Deine Mutter, das ſteht ſo feſt wie das Amen im Evangelium.“ „Die Alte machte eine Pauſe, weil ſie doch ein¬ mal verpuſten und ausſpucken mußte. Ich ſagte kein Wort, denn im Grunde war mir die Sache einerlei. Nach einer Weile fing die Beckern mit friſcher Lunge wieder an: „Ich will mit meinem Satze nichts Un¬ reputirliches von Fräulein Hardinen behaupten, Auguſt. Aus ſo einer honetten Familie, und ſo eine Erbſchaft vor Augen, beileibe nicht, beileibe nicht! Denn zur Zeit iſt Fräulein Hardine freilich ſo arm wie eine Kirchen¬ maus; aber das alte ſchwarze Spukeding, ihre Muhme, kann's doch nicht ewig in ihrem Goldthurme Schätze graben. Und wenn ſie ſich zehnmal dem Leibhaftigen verſchrieben hat, unſer Herrgott hält ihm Widerpart

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/37>, abgerufen am 16.04.2024.