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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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dächtniß aufgewacht ist. Das und der Waisenhaus¬
schein werden die Familienpapiere sein, die Prinz
Gustel seiner Prinzessin zurück läßt, wenn's einmal
schnell mit uns von dannen geht."

Sie hatte während dieser Rede ein Paar von den
Bogen, in welchen sie ihr Handschuhleder eingewickelt
erhielt, sorgfältig geglättet, auch das Schreibzeug her¬
vorgekramt, das ihr zum Abfassen ihrer Rechnungen
diente. Nachdem sie die Feder gespitzt und die Tinte
umgerührt, begann sie die Pfeife des Mannes frisch
zu stopfen, vergaß auch nicht, das Glas mit dem Reste
der Flasche zu füllen.

Freund August brummte und zeterte zwar sein
gehörig Theil, fügte sich schließlich aber doch in die
wunderliche Laune der Wöchnerin. "Was solch' ein
Wurm für Scheererei macht!" sagte er, indem er sich
an dem Arbeitstisch seiner Frau niedersetzte.

Bald flog die Feder in freien, kräftigen Zügen
über das Papier und schwarz auf weiß bildete sich die
Erzählung, die wir mit den nämlichen Worten aus
seinem Munde vernommen haben.

Mitternacht war vorüber, als er das letzte Blatt
seiner Frau in's Bett reichte. Sie hauchte es trocken
mit dem heißen Athem ihrer Brust, barg es, sammt

dächtniß aufgewacht iſt. Das und der Waiſenhaus¬
ſchein werden die Familienpapiere ſein, die Prinz
Guſtel ſeiner Prinzeſſin zurück läßt, wenn's einmal
ſchnell mit uns von dannen geht.“

Sie hatte während dieſer Rede ein Paar von den
Bogen, in welchen ſie ihr Handſchuhleder eingewickelt
erhielt, ſorgfältig geglättet, auch das Schreibzeug her¬
vorgekramt, das ihr zum Abfaſſen ihrer Rechnungen
diente. Nachdem ſie die Feder geſpitzt und die Tinte
umgerührt, begann ſie die Pfeife des Mannes friſch
zu ſtopfen, vergaß auch nicht, das Glas mit dem Reſte
der Flaſche zu füllen.

Freund Auguſt brummte und zeterte zwar ſein
gehörig Theil, fügte ſich ſchließlich aber doch in die
wunderliche Laune der Wöchnerin. „Was ſolch' ein
Wurm für Scheererei macht!“ ſagte er, indem er ſich
an dem Arbeitstiſch ſeiner Frau niederſetzte.

Bald flog die Feder in freien, kräftigen Zügen
über das Papier und ſchwarz auf weiß bildete ſich die
Erzählung, die wir mit den nämlichen Worten aus
ſeinem Munde vernommen haben.

Mitternacht war vorüber, als er das letzte Blatt
ſeiner Frau in's Bett reichte. Sie hauchte es trocken
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[34/0041] dächtniß aufgewacht iſt. Das und der Waiſenhaus¬ ſchein werden die Familienpapiere ſein, die Prinz Guſtel ſeiner Prinzeſſin zurück läßt, wenn's einmal ſchnell mit uns von dannen geht.“ Sie hatte während dieſer Rede ein Paar von den Bogen, in welchen ſie ihr Handſchuhleder eingewickelt erhielt, ſorgfältig geglättet, auch das Schreibzeug her¬ vorgekramt, das ihr zum Abfaſſen ihrer Rechnungen diente. Nachdem ſie die Feder geſpitzt und die Tinte umgerührt, begann ſie die Pfeife des Mannes friſch zu ſtopfen, vergaß auch nicht, das Glas mit dem Reſte der Flaſche zu füllen. Freund Auguſt brummte und zeterte zwar ſein gehörig Theil, fügte ſich ſchließlich aber doch in die wunderliche Laune der Wöchnerin. „Was ſolch' ein Wurm für Scheererei macht!“ ſagte er, indem er ſich an dem Arbeitstiſch ſeiner Frau niederſetzte. Bald flog die Feder in freien, kräftigen Zügen über das Papier und ſchwarz auf weiß bildete ſich die Erzählung, die wir mit den nämlichen Worten aus ſeinem Munde vernommen haben. Mitternacht war vorüber, als er das letzte Blatt ſeiner Frau in's Bett reichte. Sie hauchte es trocken mit dem heißen Athem ihrer Bruſt, barg es, ſammt

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/41>, abgerufen am 23.04.2024.