Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht versorgen kannst. Verkaufe meinen Hausrath;
der Erlös schafft das Reisegeld. Für unser Trau¬
attest und der Kleinen Taufzeugniß habe ich gesorgt.
Vergiß aber nicht meinen Todtenschein. Laß dann im
Kloster Dein Einsegnungszeugniß bescheinigen; erforsche
in der Stadt Fräulein Hardinens Vaternamen und
was aus ihr geworden ist. Lebt sie noch, -- in Reich¬
thum, oder arm wie einst, -- sie muß eine alte Frau
jetzt sein und wird sich der Sünde schämen, ihr Blut
zu verstoßen. Ist sie gestorben, finden sich wohl An¬
gehörige. Vielleicht, daß auch der Probst noch bei
Wege ist, oder der Förster. Kurzum, Du bist in
Deiner Heimath und Dein Kind muß und wird
einen Anhalt finden, insofern Du Deine Schuldigkeit
thust. Laß es aber bald sein, Mann, denn es geht
jach mit Dir abwärts auf dem Wege, den Du einge¬
schlagen. Das Kind zu Fräulein Hardinen! Gieb
mir die Hand darauf, August, die Manneshand, die
das Schwert geführt."

Er reichte ihr schluchzend die Hand, die sie herz¬
haft drückte. "Mutter -- Hardine!" lallte sie noch,
legte sich dann auf die Seite, zog das Kopftuch über
die Augen und verschied.

Der Invalid-- um unserem früheren Gleichniß treu

nicht verſorgen kannſt. Verkaufe meinen Hausrath;
der Erlös ſchafft das Reiſegeld. Für unſer Trau¬
atteſt und der Kleinen Taufzeugniß habe ich geſorgt.
Vergiß aber nicht meinen Todtenſchein. Laß dann im
Kloſter Dein Einſegnungszeugniß beſcheinigen; erforſche
in der Stadt Fräulein Hardinens Vaternamen und
was aus ihr geworden iſt. Lebt ſie noch, — in Reich¬
thum, oder arm wie einſt, — ſie muß eine alte Frau
jetzt ſein und wird ſich der Sünde ſchämen, ihr Blut
zu verſtoßen. Iſt ſie geſtorben, finden ſich wohl An¬
gehörige. Vielleicht, daß auch der Probſt noch bei
Wege iſt, oder der Förſter. Kurzum, Du biſt in
Deiner Heimath und Dein Kind muß und wird
einen Anhalt finden, inſofern Du Deine Schuldigkeit
thuſt. Laß es aber bald ſein, Mann, denn es geht
jach mit Dir abwärts auf dem Wege, den Du einge¬
ſchlagen. Das Kind zu Fräulein Hardinen! Gieb
mir die Hand darauf, Auguſt, die Manneshand, die
das Schwert geführt.“

Er reichte ihr ſchluchzend die Hand, die ſie herz¬
haft drückte. „Mutter — Hardine!“ lallte ſie noch,
legte ſich dann auf die Seite, zog das Kopftuch über
die Augen und verſchied.

Der Invalid— um unſerem früheren Gleichniß treu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="38"/>
nicht ver&#x017F;orgen kann&#x017F;t. Verkaufe meinen Hausrath;<lb/>
der Erlös &#x017F;chafft das Rei&#x017F;egeld. Für un&#x017F;er Trau¬<lb/>
atte&#x017F;t und der Kleinen Taufzeugniß habe ich ge&#x017F;orgt.<lb/>
Vergiß aber nicht meinen Todten&#x017F;chein. Laß dann im<lb/>
Klo&#x017F;ter Dein Ein&#x017F;egnungszeugniß be&#x017F;cheinigen; erfor&#x017F;che<lb/>
in der Stadt Fräulein Hardinens Vaternamen und<lb/>
was aus ihr geworden i&#x017F;t. Lebt &#x017F;ie noch, &#x2014; in Reich¬<lb/>
thum, oder arm wie ein&#x017F;t, &#x2014; &#x017F;ie muß eine alte Frau<lb/>
jetzt &#x017F;ein und wird &#x017F;ich der Sünde &#x017F;chämen, ihr Blut<lb/>
zu ver&#x017F;toßen. I&#x017F;t &#x017F;ie ge&#x017F;torben, finden &#x017F;ich wohl An¬<lb/>
gehörige. Vielleicht, daß auch der Prob&#x017F;t noch bei<lb/>
Wege i&#x017F;t, oder der För&#x017F;ter. Kurzum, Du bi&#x017F;t in<lb/>
Deiner Heimath und Dein Kind muß und wird<lb/>
einen Anhalt finden, in&#x017F;ofern Du Deine Schuldigkeit<lb/>
thu&#x017F;t. Laß es aber bald &#x017F;ein, Mann, denn es geht<lb/>
jach mit Dir abwärts auf dem Wege, den Du einge¬<lb/>
&#x017F;chlagen. Das Kind zu Fräulein Hardinen! Gieb<lb/>
mir die Hand darauf, Augu&#x017F;t, die Manneshand, die<lb/>
das Schwert geführt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er reichte ihr &#x017F;chluchzend die Hand, die &#x017F;ie herz¬<lb/>
haft drückte. &#x201E;Mutter &#x2014; Hardine!&#x201C; lallte &#x017F;ie noch,<lb/>
legte &#x017F;ich dann auf die Seite, zog das Kopftuch über<lb/>
die Augen und ver&#x017F;chied.</p><lb/>
        <p>Der Invalid&#x2014; um un&#x017F;erem früheren Gleichniß treu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0045] nicht verſorgen kannſt. Verkaufe meinen Hausrath; der Erlös ſchafft das Reiſegeld. Für unſer Trau¬ atteſt und der Kleinen Taufzeugniß habe ich geſorgt. Vergiß aber nicht meinen Todtenſchein. Laß dann im Kloſter Dein Einſegnungszeugniß beſcheinigen; erforſche in der Stadt Fräulein Hardinens Vaternamen und was aus ihr geworden iſt. Lebt ſie noch, — in Reich¬ thum, oder arm wie einſt, — ſie muß eine alte Frau jetzt ſein und wird ſich der Sünde ſchämen, ihr Blut zu verſtoßen. Iſt ſie geſtorben, finden ſich wohl An¬ gehörige. Vielleicht, daß auch der Probſt noch bei Wege iſt, oder der Förſter. Kurzum, Du biſt in Deiner Heimath und Dein Kind muß und wird einen Anhalt finden, inſofern Du Deine Schuldigkeit thuſt. Laß es aber bald ſein, Mann, denn es geht jach mit Dir abwärts auf dem Wege, den Du einge¬ ſchlagen. Das Kind zu Fräulein Hardinen! Gieb mir die Hand darauf, Auguſt, die Manneshand, die das Schwert geführt.“ Er reichte ihr ſchluchzend die Hand, die ſie herz¬ haft drückte. „Mutter — Hardine!“ lallte ſie noch, legte ſich dann auf die Seite, zog das Kopftuch über die Augen und verſchied. Der Invalid— um unſerem früheren Gleichniß treu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/45
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/45>, abgerufen am 25.04.2024.