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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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wenngleich das sturmvolle Leben des Feldlagers in
den frühverwüsteten, narbigen Zügen zu lesen stand
und wenngleich der Verlust eines Armes ihn zum
Krüppel machte. Er war als unbärtiger Forstlehrling
der Schaar des Braunschweig-Oels in Sachsen zu¬
gelaufen, hatte die heldenmüthigen Fahrten und Thaten
dieses Corps unter britischer Fahne auf der Halb¬
insel, wie später in den Niederlanden getheilt, bis er
bei la Haye sainte schwer verwundet und eines
Gliedes beraubt, als Wachtmeister verabschiedet wor¬
den war. "Prinz Gustel" hatten die Kameraden der
Legion den stattlichen, flotten Sachsen titulirt; er selber
nannte sich bescheidentlich August Müller.

Die Mutter mochte leicht ein Mandel Jahre mehr
zählen als ihr Gespons, und liegt es uns zu unserer
Befriedigung nicht ob, über die vergangenen Tage der
"schwarzen Lisette" gewissenhaft Buch zu führen. Genug,
daß sie als Marketenderin, zuletzt bei der Legion, ge¬
dient, daß sie ihren August nach seiner Verwundung
getreulich verpflegt hat, daß sie sein rechtmäßiges Weib
geworden und jetzt ämsig bemüht ist, den armseligen
Haushalt durch langentwöhnte Handarbeit zu fristen.

Die späte Wiege schien eine unberechnete Geräth¬
schaft in ihrem Mahlschatze gewesen zu sein. Jeden¬

wenngleich das ſturmvolle Leben des Feldlagers in
den frühverwüſteten, narbigen Zügen zu leſen ſtand
und wenngleich der Verluſt eines Armes ihn zum
Krüppel machte. Er war als unbärtiger Forſtlehrling
der Schaar des Braunſchweig-Oels in Sachſen zu¬
gelaufen, hatte die heldenmüthigen Fahrten und Thaten
dieſes Corps unter britiſcher Fahne auf der Halb¬
inſel, wie ſpäter in den Niederlanden getheilt, bis er
bei la Haye ſainte ſchwer verwundet und eines
Gliedes beraubt, als Wachtmeiſter verabſchiedet wor¬
den war. „Prinz Guſtel“ hatten die Kameraden der
Legion den ſtattlichen, flotten Sachſen titulirt; er ſelber
nannte ſich beſcheidentlich Auguſt Müller.

Die Mutter mochte leicht ein Mandel Jahre mehr
zählen als ihr Geſpons, und liegt es uns zu unſerer
Befriedigung nicht ob, über die vergangenen Tage der
„ſchwarzen Liſette“ gewiſſenhaft Buch zu führen. Genug,
daß ſie als Marketenderin, zuletzt bei der Legion, ge¬
dient, daß ſie ihren Auguſt nach ſeiner Verwundung
getreulich verpflegt hat, daß ſie ſein rechtmäßiges Weib
geworden und jetzt ämſig bemüht iſt, den armſeligen
Haushalt durch langentwöhnte Handarbeit zu friſten.

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[2/0009] wenngleich das ſturmvolle Leben des Feldlagers in den frühverwüſteten, narbigen Zügen zu leſen ſtand und wenngleich der Verluſt eines Armes ihn zum Krüppel machte. Er war als unbärtiger Forſtlehrling der Schaar des Braunſchweig-Oels in Sachſen zu¬ gelaufen, hatte die heldenmüthigen Fahrten und Thaten dieſes Corps unter britiſcher Fahne auf der Halb¬ inſel, wie ſpäter in den Niederlanden getheilt, bis er bei la Haye ſainte ſchwer verwundet und eines Gliedes beraubt, als Wachtmeiſter verabſchiedet wor¬ den war. „Prinz Guſtel“ hatten die Kameraden der Legion den ſtattlichen, flotten Sachſen titulirt; er ſelber nannte ſich beſcheidentlich Auguſt Müller. Die Mutter mochte leicht ein Mandel Jahre mehr zählen als ihr Geſpons, und liegt es uns zu unſerer Befriedigung nicht ob, über die vergangenen Tage der „ſchwarzen Liſette“ gewiſſenhaft Buch zu führen. Genug, daß ſie als Marketenderin, zuletzt bei der Legion, ge¬ dient, daß ſie ihren Auguſt nach ſeiner Verwundung getreulich verpflegt hat, daß ſie ſein rechtmäßiges Weib geworden und jetzt ämſig bemüht iſt, den armſeligen Haushalt durch langentwöhnte Handarbeit zu friſten. Die ſpäte Wiege ſchien eine unberechnete Geräth¬ ſchaft in ihrem Mahlſchatze geweſen zu ſein. Jeden¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/9>, abgerufen am 29.03.2024.