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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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ben und an die gute Kunde von unserem Helden,
wobei wir denn freilich die Gefahren jedes Augen¬
blicks vergaßen, welche die Spanne zwischen Sendung
und Empfang solcher Kunde füllen.

Der Brief, welcher am neunzehnten September
geschrieben, erreichte uns am achtundzwanzigsten. Auf
den folgenden Tag, Michaelis, fiel Dorotheens Ge¬
burtsfest. Ich suchte schon früh am Morgen bei ihr
einzudringen. Die beruhigende Nachricht über den
Prinzen, hoffte ich, werde eine nicht länger aufzuschie¬
bende Aussprache ermuthigend einleiten. Aber wiederum
ein vergeblicher Versuch. Sie war schon vor dem
Frühstück hinüber zum Vater entschlüpft und kehrte
während des ganzen Morgens nicht zurück.

Am Nachmittag saßen wir im Familienzimmer
um den Kaffeetisch, auf welchem ein Festkuchen, um¬
geben von einem bunten Asternkranze, prangte. Acht¬
zehn Jahreslichtchen, und in der Mitte das dicke Le¬
benslicht sollten rasch angezündet werden, sobald es
Ehren-Purzel, der an der Treppe aufgestellt war, ge¬
lungen, das Geburtstagskind abzufangen. Ich hatte
das Mißliche dieser alljährlichen kleinen Festlichkeit
heuer wohl empfunden, wußte aber keinen Vorwand,
den guten Willen der Eltern zu verhindern. Wir war¬

ben und an die gute Kunde von unſerem Helden,
wobei wir denn freilich die Gefahren jedes Augen¬
blicks vergaßen, welche die Spanne zwiſchen Sendung
und Empfang ſolcher Kunde füllen.

Der Brief, welcher am neunzehnten September
geſchrieben, erreichte uns am achtundzwanzigſten. Auf
den folgenden Tag, Michaelis, fiel Dorotheens Ge¬
burtsfeſt. Ich ſuchte ſchon früh am Morgen bei ihr
einzudringen. Die beruhigende Nachricht über den
Prinzen, hoffte ich, werde eine nicht länger aufzuſchie¬
bende Ausſprache ermuthigend einleiten. Aber wiederum
ein vergeblicher Verſuch. Sie war ſchon vor dem
Frühſtück hinüber zum Vater entſchlüpft und kehrte
während des ganzen Morgens nicht zurück.

Am Nachmittag ſaßen wir im Familienzimmer
um den Kaffeetiſch, auf welchem ein Feſtkuchen, um¬
geben von einem bunten Aſternkranze, prangte. Acht¬
zehn Jahreslichtchen, und in der Mitte das dicke Le¬
benslicht ſollten raſch angezündet werden, ſobald es
Ehren-Purzel, der an der Treppe aufgeſtellt war, ge¬
lungen, das Geburtstagskind abzufangen. Ich hatte
das Mißliche dieſer alljährlichen kleinen Feſtlichkeit
heuer wohl empfunden, wußte aber keinen Vorwand,
den guten Willen der Eltern zu verhindern. Wir war¬

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[8/0012] ben und an die gute Kunde von unſerem Helden, wobei wir denn freilich die Gefahren jedes Augen¬ blicks vergaßen, welche die Spanne zwiſchen Sendung und Empfang ſolcher Kunde füllen. Der Brief, welcher am neunzehnten September geſchrieben, erreichte uns am achtundzwanzigſten. Auf den folgenden Tag, Michaelis, fiel Dorotheens Ge¬ burtsfeſt. Ich ſuchte ſchon früh am Morgen bei ihr einzudringen. Die beruhigende Nachricht über den Prinzen, hoffte ich, werde eine nicht länger aufzuſchie¬ bende Ausſprache ermuthigend einleiten. Aber wiederum ein vergeblicher Verſuch. Sie war ſchon vor dem Frühſtück hinüber zum Vater entſchlüpft und kehrte während des ganzen Morgens nicht zurück. Am Nachmittag ſaßen wir im Familienzimmer um den Kaffeetiſch, auf welchem ein Feſtkuchen, um¬ geben von einem bunten Aſternkranze, prangte. Acht¬ zehn Jahreslichtchen, und in der Mitte das dicke Le¬ benslicht ſollten raſch angezündet werden, ſobald es Ehren-Purzel, der an der Treppe aufgeſtellt war, ge¬ lungen, das Geburtstagskind abzufangen. Ich hatte das Mißliche dieſer alljährlichen kleinen Feſtlichkeit heuer wohl empfunden, wußte aber keinen Vorwand, den guten Willen der Eltern zu verhindern. Wir war¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/12>, abgerufen am 28.03.2024.