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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Drittes Capitel.
Die Hochzeit.

Des Knaben Versteck im Waisenhause war eben
so nach der Muhme Sinn, als mein Plan, ihn
persönlich dahin zu spediren, demselben widerstrebte.
Sie spürte plötzlich ein unbezwingliches Verlangen,
ihre Gegend einmal wiederzusehen, und welchen Grund
hätte ich gehabt, ihre Reisebegleitung abzulehnen?

Der Tag unseres Eintreffens war den Eltern
bereits angekündigt, als ein heftiger "Zufall" der
Gräfin einen Aufschub veranlaßte. Die zähe Natur hielt
Stand wie schon so oft vorher und noch oft nachher. Die be¬
währte Leibpflegerin aber konnte nicht umhin, mit dem Rüst¬
zeug ihrer Instrumente den verhängnißvollen Posten zu hü¬
ten und ihr Erbfräulein zwölf Meilen weit ohne Bei¬
stand den Tücken des unverwüstlichen Schellenunters
preiszugeben. Der Ehre jedoch, in Reckenburgs gol¬

Louise v. Francois, Die letzte Reckenburgerin. II. 5
Drittes Capitel.
Die Hochzeit.

Des Knaben Verſteck im Waiſenhauſe war eben
ſo nach der Muhme Sinn, als mein Plan, ihn
perſönlich dahin zu ſpediren, demſelben widerſtrebte.
Sie ſpürte plötzlich ein unbezwingliches Verlangen,
ihre Gegend einmal wiederzuſehen, und welchen Grund
hätte ich gehabt, ihre Reiſebegleitung abzulehnen?

Der Tag unſeres Eintreffens war den Eltern
bereits angekündigt, als ein heftiger „Zufall“ der
Gräfin einen Aufſchub veranlaßte. Die zähe Natur hielt
Stand wie ſchon ſo oft vorher und noch oft nachher. Die be¬
währte Leibpflegerin aber konnte nicht umhin, mit dem Rüſt¬
zeug ihrer Inſtrumente den verhängnißvollen Poſten zu hü¬
ten und ihr Erbfräulein zwölf Meilen weit ohne Bei¬
ſtand den Tücken des unverwüſtlichen Schellenunters
preiszugeben. Der Ehre jedoch, in Reckenburgs gol¬

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[[65]/0069] Drittes Capitel. Die Hochzeit. Des Knaben Verſteck im Waiſenhauſe war eben ſo nach der Muhme Sinn, als mein Plan, ihn perſönlich dahin zu ſpediren, demſelben widerſtrebte. Sie ſpürte plötzlich ein unbezwingliches Verlangen, ihre Gegend einmal wiederzuſehen, und welchen Grund hätte ich gehabt, ihre Reiſebegleitung abzulehnen? Der Tag unſeres Eintreffens war den Eltern bereits angekündigt, als ein heftiger „Zufall“ der Gräfin einen Aufſchub veranlaßte. Die zähe Natur hielt Stand wie ſchon ſo oft vorher und noch oft nachher. Die be¬ währte Leibpflegerin aber konnte nicht umhin, mit dem Rüſt¬ zeug ihrer Inſtrumente den verhängnißvollen Poſten zu hü¬ ten und ihr Erbfräulein zwölf Meilen weit ohne Bei¬ ſtand den Tücken des unverwüſtlichen Schellenunters preiszugeben. Der Ehre jedoch, in Reckenburgs gol¬ Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. II. 5

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. [65]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/69>, abgerufen am 29.03.2024.