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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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hielt, während sie die andern in ihre Reisetasche
stopfte, wagte kein Lebenszeichen zu geben. -- Ich
fürchte, es ist Alles aus! Zum Unglück hab' ich seit
gestern Abend auch die Hechingen nicht mehr gesehen.
Mir ist zu Muth, als sei eine Brillenschlange ent¬
kommen und wolle sich auf mein Lamm stürzen.
Dazu Dein Brief! Der Hohn, ich selbst solle die
Briefe zurückholen! Aber sie weiß doch, daß ich auf
der Reise bin! Versuch' es noch einmal, Toni, mein
Freund, mein Bruder. Ich bin sehr unglücklich!

Dein Eugen.

Klärchen an die Geschwister.

Meine Lieben! Mama bittet mich, Euch auch
noch ein Wörtchen zu schreiben; ich habe zwar einen
dummen Kopf, aber einen herzlichen Gruß sollt Ihr
doch haben. Unsere Seefahrt war wunderschön, ich
war ganz aufgelöst vor Freude. Aber in der zweiten
Hälfte der Reise verschwand plötzlich der Maler, Herr
Schmidthammer, und hat sich seitdem gar nicht wie¬
der sehen lassen. Es thut mir sehr, sehr leid! Ob
wir ihn beleidigt haben, oder ob er uns nicht mehr
mochte, als er uns genauer kennen lernte, weiß ich

hielt, während ſie die andern in ihre Reiſetaſche
ſtopfte, wagte kein Lebenszeichen zu geben. — Ich
fürchte, es iſt Alles aus! Zum Unglück hab' ich ſeit
geſtern Abend auch die Hechingen nicht mehr geſehen.
Mir iſt zu Muth, als ſei eine Brillenſchlange ent¬
kommen und wolle ſich auf mein Lamm ſtürzen.
Dazu Dein Brief! Der Hohn, ich ſelbſt ſolle die
Briefe zurückholen! Aber ſie weiß doch, daß ich auf
der Reiſe bin! Verſuch' es noch einmal, Toni, mein
Freund, mein Bruder. Ich bin ſehr unglücklich!

Dein Eugen.

Klärchen an die Geſchwiſter.

Meine Lieben! Mama bittet mich, Euch auch
noch ein Wörtchen zu ſchreiben; ich habe zwar einen
dummen Kopf, aber einen herzlichen Gruß ſollt Ihr
doch haben. Unſere Seefahrt war wunderſchön, ich
war ganz aufgelöſt vor Freude. Aber in der zweiten
Hälfte der Reiſe verſchwand plötzlich der Maler, Herr
Schmidthammer, und hat ſich ſeitdem gar nicht wie¬
der ſehen laſſen. Es thut mir ſehr, ſehr leid! Ob
wir ihn beleidigt haben, oder ob er uns nicht mehr
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[229/0245] hielt, während ſie die andern in ihre Reiſetaſche ſtopfte, wagte kein Lebenszeichen zu geben. — Ich fürchte, es iſt Alles aus! Zum Unglück hab' ich ſeit geſtern Abend auch die Hechingen nicht mehr geſehen. Mir iſt zu Muth, als ſei eine Brillenſchlange ent¬ kommen und wolle ſich auf mein Lamm ſtürzen. Dazu Dein Brief! Der Hohn, ich ſelbſt ſolle die Briefe zurückholen! Aber ſie weiß doch, daß ich auf der Reiſe bin! Verſuch' es noch einmal, Toni, mein Freund, mein Bruder. Ich bin ſehr unglücklich! Dein Eugen. Klärchen an die Geſchwiſter. Verona, Albergo Lorenzo, 6. April. Meine Lieben! Mama bittet mich, Euch auch noch ein Wörtchen zu ſchreiben; ich habe zwar einen dummen Kopf, aber einen herzlichen Gruß ſollt Ihr doch haben. Unſere Seefahrt war wunderſchön, ich war ganz aufgelöſt vor Freude. Aber in der zweiten Hälfte der Reiſe verſchwand plötzlich der Maler, Herr Schmidthammer, und hat ſich ſeitdem gar nicht wie¬ der ſehen laſſen. Es thut mir ſehr, ſehr leid! Ob wir ihn beleidigt haben, oder ob er uns nicht mehr mochte, als er uns genauer kennen lernte, weiß ich

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/245>, abgerufen am 29.03.2024.