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Breuer, Josef und Freud, Sigmund: Studien über Hysterie. Leipzig u. a., 1895.

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IV. Zur Psychotherapie der Hysterie.
(Sigm. Freud.)

Wir haben in der "Vorläufigen Mittheilung" berichtet, dass sich uns während der Forschung nach der Aetiologie hysterischer Symptome auch eine therapeutische Methode ergeben hat, die wir für praktisch bedeutsam halten. "Wir fanden nämlich, anfangs zu unserer grössten Ueberraschung, dass die einzelnen hysterischen Symptome sogleich und ohne Wiederkehr verschwanden, wenn es gelungen war, die Erinnerung an den veranlassenden Vorgang zu voller Helligkeit zu erwecken, damit auch den begleitenden Affect wachzurufen, und wenn dann der Kranke den Vorgang in möglichst ausführlicher Weise schilderte und dem Affect Worte gab" (p. 4.).

Wir suchten uns ferner verständlich zu machen, auf welche Weise unsere psychotherapeutische Methode wirke: "Sie hebt die Wirksamkeit der ursprünglich nicht abreagirten Vorstellung dadurch auf, dass sie dem eingeklemmten Affect derselben den Ablauf durch die Rede gestattet und bringt sie zur associativen Correctur, indem sie dieselbe in's normale Bewusstsein zieht (in leichterer Hypnose) oder durch ärztliche Suggestion aufhebt, wie es im Somnambulismus mit Amnesie geschieht" (pag. 13).

Ich will nun versuchen, im Zusammenhange darzuthun, wie weit diese Methode trägt, um was sie mehr als andere leistet, mit welcher Technik und mit welchen Schwierigkeiten sie arbeitet, wenngleich das Wesentliche hierüber bereits in den voranstehenden Krankengeschichten enthalten ist, und ich es nicht vermeiden kann, mich in dieser Darstellung zu wiederholen.

I.

Ich darf auch für meinen Theil sagen, dass ich am Inhalte der "Vorläufigen Mittheilung" festhalten kann; jedoch muss ich eingestehen, dass sich mir in den seither verflossenen Jahren - bei unausgesetzter Beschäftigung mit den dort berührten Problemen - neue Gesichtspunkte

IV. Zur Psychotherapie der Hysterie.
(Sigm. Freud.)

Wir haben in der „Vorläufigen Mittheilung“ berichtet, dass sich uns während der Forschung nach der Aetiologie hysterischer Symptome auch eine therapeutische Methode ergeben hat, die wir für praktisch bedeutsam halten. „Wir fanden nämlich, anfangs zu unserer grössten Ueberraschung, dass die einzelnen hysterischen Symptome sogleich und ohne Wiederkehr verschwanden, wenn es gelungen war, die Erinnerung an den veranlassenden Vorgang zu voller Helligkeit zu erwecken, damit auch den begleitenden Affect wachzurufen, und wenn dann der Kranke den Vorgang in möglichst ausführlicher Weise schilderte und dem Affect Worte gab“ (p. 4.).

Wir suchten uns ferner verständlich zu machen, auf welche Weise unsere psychotherapeutische Methode wirke: „Sie hebt die Wirksamkeit der ursprünglich nicht abreagirten Vorstellung dadurch auf, dass sie dem eingeklemmten Affect derselben den Ablauf durch die Rede gestattet und bringt sie zur associativen Correctur, indem sie dieselbe in’s normale Bewusstsein zieht (in leichterer Hypnose) oder durch ärztliche Suggestion aufhebt, wie es im Somnambulismus mit Amnesie geschieht“ (pag. 13).

Ich will nun versuchen, im Zusammenhange darzuthun, wie weit diese Methode trägt, um was sie mehr als andere leistet, mit welcher Technik und mit welchen Schwierigkeiten sie arbeitet, wenngleich das Wesentliche hierüber bereits in den voranstehenden Krankengeschichten enthalten ist, und ich es nicht vermeiden kann, mich in dieser Darstellung zu wiederholen.

I.

Ich darf auch für meinen Theil sagen, dass ich am Inhalte der „Vorläufigen Mittheilung“ festhalten kann; jedoch muss ich eingestehen, dass sich mir in den seither verflossenen Jahren – bei unausgesetzter Beschäftigung mit den dort berührten Problemen – neue Gesichtspunkte

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[222/0228] IV. Zur Psychotherapie der Hysterie. (Sigm. Freud.) Wir haben in der „Vorläufigen Mittheilung“ berichtet, dass sich uns während der Forschung nach der Aetiologie hysterischer Symptome auch eine therapeutische Methode ergeben hat, die wir für praktisch bedeutsam halten. „Wir fanden nämlich, anfangs zu unserer grössten Ueberraschung, dass die einzelnen hysterischen Symptome sogleich und ohne Wiederkehr verschwanden, wenn es gelungen war, die Erinnerung an den veranlassenden Vorgang zu voller Helligkeit zu erwecken, damit auch den begleitenden Affect wachzurufen, und wenn dann der Kranke den Vorgang in möglichst ausführlicher Weise schilderte und dem Affect Worte gab“ (p. 4.). Wir suchten uns ferner verständlich zu machen, auf welche Weise unsere psychotherapeutische Methode wirke: „Sie hebt die Wirksamkeit der ursprünglich nicht abreagirten Vorstellung dadurch auf, dass sie dem eingeklemmten Affect derselben den Ablauf durch die Rede gestattet und bringt sie zur associativen Correctur, indem sie dieselbe in’s normale Bewusstsein zieht (in leichterer Hypnose) oder durch ärztliche Suggestion aufhebt, wie es im Somnambulismus mit Amnesie geschieht“ (pag. 13). Ich will nun versuchen, im Zusammenhange darzuthun, wie weit diese Methode trägt, um was sie mehr als andere leistet, mit welcher Technik und mit welchen Schwierigkeiten sie arbeitet, wenngleich das Wesentliche hierüber bereits in den voranstehenden Krankengeschichten enthalten ist, und ich es nicht vermeiden kann, mich in dieser Darstellung zu wiederholen. I. Ich darf auch für meinen Theil sagen, dass ich am Inhalte der „Vorläufigen Mittheilung“ festhalten kann; jedoch muss ich eingestehen, dass sich mir in den seither verflossenen Jahren – bei unausgesetzter Beschäftigung mit den dort berührten Problemen – neue Gesichtspunkte

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Zitationshilfe: Breuer, Josef und Freud, Sigmund: Studien über Hysterie. Leipzig u. a., 1895, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/freud_hysterie_1895/228>, abgerufen am 29.03.2024.