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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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legt, und wo diese in der Gegend der Seen auf-
hören, da geht für mich der romantische Theil
der Reise erst recht an. Ein leichtes Fuhrwerk
ist bald gekauft, ja selbst für eine Fußreise habe
ich hinreichende Kraft und Lust. Wenn Du diesen
Brief erhältst, welchen William heilig gelobt hat,
nach zwei Monaten, in Deine Hände zu liefern,
dann kannst Du denken, daß ich an dem großen
Wasserfalle sitze, wohin mein Herz mich mit ei-
ner unwiderstehlichen Sehnsucht zieht, wie den
Wilden welcher dort hin geht, um den großen
Geist anzubeten.



Vor der Abschiedsstunde graut mir recht von
Herzen. Soll ich den armen William ohne
Hoffnung ziehen lassen? und kann ich ihm Hoff-
nung geben? So eben war er hier und mel-
dete mir, daß sein Schiff segelfertig liege, und
der Wind sich günstig zu wenden scheine. Meine
Augen wurden feucht, der Gedanke den Freund
den Beschützer meines Lebens zu verlieren, drang
schmerzlich auf mich ein. Er trocknete schnell meine
Thränen mit seinem Tuche ab, und drückte dieß

legt, und wo dieſe in der Gegend der Seen auf-
hoͤren, da geht fuͤr mich der romantiſche Theil
der Reiſe erſt recht an. Ein leichtes Fuhrwerk
iſt bald gekauft, ja ſelbſt fuͤr eine Fußreiſe habe
ich hinreichende Kraft und Luſt. Wenn Du dieſen
Brief erhaͤltſt, welchen William heilig gelobt hat,
nach zwei Monaten, in Deine Haͤnde zu liefern,
dann kannſt Du denken, daß ich an dem großen
Waſſerfalle ſitze, wohin mein Herz mich mit ei-
ner unwiderſtehlichen Sehnſucht zieht, wie den
Wilden welcher dort hin geht, um den großen
Geiſt anzubeten.



Vor der Abſchiedsſtunde graut mir recht von
Herzen. Soll ich den armen William ohne
Hoffnung ziehen laſſen? und kann ich ihm Hoff-
nung geben? So eben war er hier und mel-
dete mir, daß ſein Schiff ſegelfertig liege, und
der Wind ſich guͤnſtig zu wenden ſcheine. Meine
Augen wurden feucht, der Gedanke den Freund
den Beſchuͤtzer meines Lebens zu verlieren, drang
ſchmerzlich auf mich ein. Er trocknete ſchnell meine
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[23/0031] legt, und wo dieſe in der Gegend der Seen auf- hoͤren, da geht fuͤr mich der romantiſche Theil der Reiſe erſt recht an. Ein leichtes Fuhrwerk iſt bald gekauft, ja ſelbſt fuͤr eine Fußreiſe habe ich hinreichende Kraft und Luſt. Wenn Du dieſen Brief erhaͤltſt, welchen William heilig gelobt hat, nach zwei Monaten, in Deine Haͤnde zu liefern, dann kannſt Du denken, daß ich an dem großen Waſſerfalle ſitze, wohin mein Herz mich mit ei- ner unwiderſtehlichen Sehnſucht zieht, wie den Wilden welcher dort hin geht, um den großen Geiſt anzubeten. Vor der Abſchiedsſtunde graut mir recht von Herzen. Soll ich den armen William ohne Hoffnung ziehen laſſen? und kann ich ihm Hoff- nung geben? So eben war er hier und mel- dete mir, daß ſein Schiff ſegelfertig liege, und der Wind ſich guͤnſtig zu wenden ſcheine. Meine Augen wurden feucht, der Gedanke den Freund den Beſchuͤtzer meines Lebens zu verlieren, drang ſchmerzlich auf mich ein. Er trocknete ſchnell meine Thraͤnen mit ſeinem Tuche ab, und druͤckte dieß

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/31>, abgerufen am 29.03.2024.