Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

verdeckte Knoten, und die Säfte laufen aus. Häu-
fige Beulen, hölzerne Auswüchse, Wülste und Her-
vorragungen in Form der Stricke, nach dem Lauf der
Holzfiebern, bedeuten eine Höhlung oder innere Kluft.
Wenn die Blätter bleich sind, und frühe abfallen,
so zeigt dieses eine Ungesundheit oder flache Lage der
Wurzeln an. u. s. w. Sieht man hier nicht überall
Aehnlichkeiten mit den Gebrechen der Thiere? Be-
weise einer bald erschöpften, ohnmächtigen, bald un-
ordentlich sich bestrebenden, kämpfenden, bald unter-
liegenden oder ganz unthätigen Natur!

§. 38.
In Rücksicht des Baues, der Verbreitsamkeit,
des Himmelsstrichs und des Standorts.

Die meisten haben sich bisher den Mechanis-
mus der Pflanzen gar zu einfach vorgestellt. Die un-
endliche Verschiedenheit in der Gestalt und dem Ge-
schmacke der Früchte, der Bau der Blätter und des
herrlichsten Schauspieles in der Natur, ihrer Blüthen,
die Wirkungen derselben auf die Thiere, ihre unzäh-
ligen Arten von Ausdüftungen u. s. w. sind in meinen
Augen eben so viele unbegreifliche kunstvolle Erschei-
nungen, welche man vielleicht nur darum weniger be-
wundert, weil man hier nicht so wie bey den Zellen
der Bienen die Wirkung und die wirkende Ursache ge-
trennt antrifft. Man betrachte eine Zink- oder Wis-
muth kristallisation, die sich im Feuer, und die Kri-
stallisation des gemeinen Kuchensalzes, die sich im
Wasser bildet, und dann sage man, wo mehr Kunst

seye,

verdeckte Knoten, und die Saͤfte laufen aus. Haͤu-
fige Beulen, hoͤlzerne Auswuͤchſe, Wuͤlſte und Her-
vorragungen in Form der Stricke, nach dem Lauf der
Holzfiebern, bedeuten eine Hoͤhlung oder innere Kluft.
Wenn die Blaͤtter bleich ſind, und fruͤhe abfallen,
ſo zeigt dieſes eine Ungeſundheit oder flache Lage der
Wurzeln an. u. ſ. w. Sieht man hier nicht uͤberall
Aehnlichkeiten mit den Gebrechen der Thiere? Be-
weiſe einer bald erſchoͤpften, ohnmaͤchtigen, bald un-
ordentlich ſich beſtrebenden, kaͤmpfenden, bald unter-
liegenden oder ganz unthaͤtigen Natur!

§. 38.
In Ruͤckſicht des Baues, der Verbreitſamkeit,
des Himmelsſtrichs und des Standorts.

Die meiſten haben ſich bisher den Mechanis-
mus der Pflanzen gar zu einfach vorgeſtellt. Die un-
endliche Verſchiedenheit in der Geſtalt und dem Ge-
ſchmacke der Fruͤchte, der Bau der Blaͤtter und des
herrlichſten Schauſpieles in der Natur, ihrer Bluͤthen,
die Wirkungen derſelben auf die Thiere, ihre unzaͤh-
ligen Arten von Ausduͤftungen u. ſ. w. ſind in meinen
Augen eben ſo viele unbegreifliche kunſtvolle Erſchei-
nungen, welche man vielleicht nur darum weniger be-
wundert, weil man hier nicht ſo wie bey den Zellen
der Bienen die Wirkung und die wirkende Urſache ge-
trennt antrifft. Man betrachte eine Zink- oder Wiſ-
muth kriſtalliſation, die ſich im Feuer, und die Kri-
ſtalliſation des gemeinen Kuchenſalzes, die ſich im
Waſſer bildet, und dann ſage man, wo mehr Kunſt

ſeye,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0177" n="158"/>
verdeckte Knoten, und die Sa&#x0364;fte laufen aus. Ha&#x0364;u-<lb/>
fige Beulen, ho&#x0364;lzerne Auswu&#x0364;ch&#x017F;e, Wu&#x0364;l&#x017F;te und Her-<lb/>
vorragungen in Form der Stricke, nach dem Lauf der<lb/>
Holzfiebern, bedeuten eine Ho&#x0364;hlung oder innere Kluft.<lb/>
Wenn die Bla&#x0364;tter bleich &#x017F;ind, und fru&#x0364;he abfallen,<lb/>
&#x017F;o zeigt die&#x017F;es eine Unge&#x017F;undheit oder flache Lage der<lb/>
Wurzeln an. u. &#x017F;. w. Sieht man hier nicht u&#x0364;berall<lb/>
Aehnlichkeiten mit den Gebrechen der Thiere? Be-<lb/>
wei&#x017F;e einer bald er&#x017F;cho&#x0364;pften, ohnma&#x0364;chtigen, bald un-<lb/>
ordentlich &#x017F;ich be&#x017F;trebenden, ka&#x0364;mpfenden, bald unter-<lb/>
liegenden oder ganz untha&#x0364;tigen Natur!</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 38.<lb/><hi rendition="#b">In Ru&#x0364;ck&#x017F;icht des Baues, der Verbreit&#x017F;amkeit,<lb/>
des Himmels&#x017F;trichs und des Standorts.</hi></head><lb/>
            <p>Die mei&#x017F;ten haben &#x017F;ich bisher den Mechanis-<lb/>
mus der Pflanzen gar zu einfach vorge&#x017F;tellt. Die un-<lb/>
endliche Ver&#x017F;chiedenheit in der Ge&#x017F;talt und dem Ge-<lb/>
&#x017F;chmacke der Fru&#x0364;chte, der Bau der Bla&#x0364;tter und des<lb/>
herrlich&#x017F;ten Schau&#x017F;pieles in der Natur, ihrer Blu&#x0364;then,<lb/>
die Wirkungen der&#x017F;elben auf die Thiere, ihre unza&#x0364;h-<lb/>
ligen Arten von Ausdu&#x0364;ftungen u. &#x017F;. w. &#x017F;ind in meinen<lb/>
Augen eben &#x017F;o viele unbegreifliche kun&#x017F;tvolle Er&#x017F;chei-<lb/>
nungen, welche man vielleicht nur darum weniger be-<lb/>
wundert, weil man hier nicht &#x017F;o wie bey den Zellen<lb/>
der Bienen die Wirkung und die wirkende Ur&#x017F;ache ge-<lb/>
trennt antrifft. Man betrachte eine Zink- oder Wi&#x017F;-<lb/>
muth kri&#x017F;talli&#x017F;ation, die &#x017F;ich im Feuer, und die Kri-<lb/>
&#x017F;talli&#x017F;ation des gemeinen Kuchen&#x017F;alzes, die &#x017F;ich im<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er bildet, und dann &#x017F;age man, wo mehr Kun&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;eye,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0177] verdeckte Knoten, und die Saͤfte laufen aus. Haͤu- fige Beulen, hoͤlzerne Auswuͤchſe, Wuͤlſte und Her- vorragungen in Form der Stricke, nach dem Lauf der Holzfiebern, bedeuten eine Hoͤhlung oder innere Kluft. Wenn die Blaͤtter bleich ſind, und fruͤhe abfallen, ſo zeigt dieſes eine Ungeſundheit oder flache Lage der Wurzeln an. u. ſ. w. Sieht man hier nicht uͤberall Aehnlichkeiten mit den Gebrechen der Thiere? Be- weiſe einer bald erſchoͤpften, ohnmaͤchtigen, bald un- ordentlich ſich beſtrebenden, kaͤmpfenden, bald unter- liegenden oder ganz unthaͤtigen Natur! §. 38. In Ruͤckſicht des Baues, der Verbreitſamkeit, des Himmelsſtrichs und des Standorts. Die meiſten haben ſich bisher den Mechanis- mus der Pflanzen gar zu einfach vorgeſtellt. Die un- endliche Verſchiedenheit in der Geſtalt und dem Ge- ſchmacke der Fruͤchte, der Bau der Blaͤtter und des herrlichſten Schauſpieles in der Natur, ihrer Bluͤthen, die Wirkungen derſelben auf die Thiere, ihre unzaͤh- ligen Arten von Ausduͤftungen u. ſ. w. ſind in meinen Augen eben ſo viele unbegreifliche kunſtvolle Erſchei- nungen, welche man vielleicht nur darum weniger be- wundert, weil man hier nicht ſo wie bey den Zellen der Bienen die Wirkung und die wirkende Urſache ge- trennt antrifft. Man betrachte eine Zink- oder Wiſ- muth kriſtalliſation, die ſich im Feuer, und die Kri- ſtalliſation des gemeinen Kuchenſalzes, die ſich im Waſſer bildet, und dann ſage man, wo mehr Kunſt ſeye,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/177
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/177>, abgerufen am 18.04.2024.