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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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stärkte Reitzbarkeit des Magens und der Gedärme,
unwillkührlich mit Mangel an Bewustseyn vor sich ge-
hende Entleerungen, blasser Harn u. s. w. sehr schlimme
Zeichen. Eben so ungewiß läßt sich von der Verle-
tzung der thierischen Verrichtungen urtheilen. Manch-
mal ist ein leichtes Irreseyn, eine vorübergehende Ver-
gessenheit u. s. w. ein tödtliches Zeichen, da der Mensch
ein andermal vier Wochen aller Sinne beraubt da lie-
get, und dennoch nicht behauptet werden kann, daß
er deßwegen in dringender Gefahr wäre. Alles kömmt,
wie schon gesagt worden ist, auf die Gattung der
Krankheit und auf die Zeitpunkte derselben an.

Von der örtlichen Schwäche.
§. 61.

Daß aber gewisse Werkzeuge vorzüglich ange-
griffen werden, kömmt entweder von einer Verwandt-
schaft des Krankheitsstoffes mit denselben; oder von
einer unmittelbaren und gewaltsamen Wirkung auf
einen bestimmten Theil; oder aber von einer, einem
gewissen Theile, eignen Schwäche, welche, wie schon
Galenus und Celsus anmerkten, für jede krank-
hafte Veränderung empfänglich macht. Und diese
örtliche Schwäche will ich in einigen praktischen Hin-
sichten untersuchen.

Es ist gewiß, daß in jedem Menschen ein grö-
ßeres oder geringeres Mißverhältniß unter seinen Be-
standtheilen, seinen Werkzeugen und Eingeweiden statt
hat; daß die Lebenskraft eines gesunden Menschen in
seinen verschiedenen Theilen verschieden, und folglich

gewisse

ſtaͤrkte Reitzbarkeit des Magens und der Gedaͤrme,
unwillkuͤhrlich mit Mangel an Bewuſtſeyn vor ſich ge-
hende Entleerungen, blaſſer Harn u. ſ. w. ſehr ſchlimme
Zeichen. Eben ſo ungewiß laͤßt ſich von der Verle-
tzung der thieriſchen Verrichtungen urtheilen. Manch-
mal iſt ein leichtes Irreſeyn, eine voruͤbergehende Ver-
geſſenheit u. ſ. w. ein toͤdtliches Zeichen, da der Menſch
ein andermal vier Wochen aller Sinne beraubt da lie-
get, und dennoch nicht behauptet werden kann, daß
er deßwegen in dringender Gefahr waͤre. Alles koͤmmt,
wie ſchon geſagt worden iſt, auf die Gattung der
Krankheit und auf die Zeitpunkte derſelben an.

Von der oͤrtlichen Schwaͤche.
§. 61.

Daß aber gewiſſe Werkzeuge vorzuͤglich ange-
griffen werden, koͤmmt entweder von einer Verwandt-
ſchaft des Krankheitsſtoffes mit denſelben; oder von
einer unmittelbaren und gewaltſamen Wirkung auf
einen beſtimmten Theil; oder aber von einer, einem
gewiſſen Theile, eignen Schwaͤche, welche, wie ſchon
Galenus und Celſus anmerkten, fuͤr jede krank-
hafte Veraͤnderung empfaͤnglich macht. Und dieſe
oͤrtliche Schwaͤche will ich in einigen praktiſchen Hin-
ſichten unterſuchen.

Es iſt gewiß, daß in jedem Menſchen ein groͤ-
ßeres oder geringeres Mißverhaͤltniß unter ſeinen Be-
ſtandtheilen, ſeinen Werkzeugen und Eingeweiden ſtatt
hat; daß die Lebenskraft eines geſunden Menſchen in
ſeinen verſchiedenen Theilen verſchieden, und folglich

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[445/0464] ſtaͤrkte Reitzbarkeit des Magens und der Gedaͤrme, unwillkuͤhrlich mit Mangel an Bewuſtſeyn vor ſich ge- hende Entleerungen, blaſſer Harn u. ſ. w. ſehr ſchlimme Zeichen. Eben ſo ungewiß laͤßt ſich von der Verle- tzung der thieriſchen Verrichtungen urtheilen. Manch- mal iſt ein leichtes Irreſeyn, eine voruͤbergehende Ver- geſſenheit u. ſ. w. ein toͤdtliches Zeichen, da der Menſch ein andermal vier Wochen aller Sinne beraubt da lie- get, und dennoch nicht behauptet werden kann, daß er deßwegen in dringender Gefahr waͤre. Alles koͤmmt, wie ſchon geſagt worden iſt, auf die Gattung der Krankheit und auf die Zeitpunkte derſelben an. Von der oͤrtlichen Schwaͤche. §. 61. Daß aber gewiſſe Werkzeuge vorzuͤglich ange- griffen werden, koͤmmt entweder von einer Verwandt- ſchaft des Krankheitsſtoffes mit denſelben; oder von einer unmittelbaren und gewaltſamen Wirkung auf einen beſtimmten Theil; oder aber von einer, einem gewiſſen Theile, eignen Schwaͤche, welche, wie ſchon Galenus und Celſus anmerkten, fuͤr jede krank- hafte Veraͤnderung empfaͤnglich macht. Und dieſe oͤrtliche Schwaͤche will ich in einigen praktiſchen Hin- ſichten unterſuchen. Es iſt gewiß, daß in jedem Menſchen ein groͤ- ßeres oder geringeres Mißverhaͤltniß unter ſeinen Be- ſtandtheilen, ſeinen Werkzeugen und Eingeweiden ſtatt hat; daß die Lebenskraft eines geſunden Menſchen in ſeinen verſchiedenen Theilen verſchieden, und folglich gewiſſe

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/464>, abgerufen am 24.04.2024.