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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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seye, in diesen Kristallen oder in den Zellen der Bie-
ne und dem Gewebe der Spinne? -- Der Pflanzen
ihre Kunsttriebe und Kunstfertigkeiten sind ihrer Be-
stimmung gemäß allermeist auf ihr Erhaltung, ihre
Befruchtung, und ihre Fortpflanzung eingeschränkt;
und diesen Zweck betreiben sie so innig, so unaufhalt-
sam, so unabläßlich, als ihn kaum ein anders Ge-
schöpf betreibt. -- Uibrigens ist es gewiß, daß nicht
sowohl die Kunst als die Thätigkeit des Pflanzenreichs
undeutlicher in unsere Sinne fällt; der Pflanzen Leben
ist still, ruhig, und scheint uns träge; ihr Kreislauf
wird nicht durch Wallungen und Fieber sichtbar; ihre
Reizbarkeit ist schwach. -- Was die Natur beym
Thiere, wenn es verwundet ist, in vierzehen Tagen
ausrichtet, dazu bedarf sie bey den Pflanzen nicht sel-
ten mehrerer Jahre. Was ist dieses aber anders, als
Stufen, welche sie hienieden beym Menschen ange-
fangen, und in der scheinbarsten Unthätigkeit des Son-
nenstäubchens geendiget hat?

Auch bey den Pflanzen ist in Rücksicht der Ver-
breitsamkeit die nämliche Maaßregel für das Wohl
des Menschengeschlechts beobachtet worden, wie bey
den Thieren. Die Klasse der Gräser, die vornehm-
ste Nahrung der Menschen und der meisten von
Pflanzengewächsen lebenden Thiere, kommen in allen
Theilen der Welt vor andern fort. In kalten und
gemäßigten Zonen gedeihen für den Menschen alle un-
sere bekannten Getraidarten, als Roggen, Gerste,
Weizen, Hirse, die vom nördlichen Afrika an, bis
an das südliche Schweden gebauet werden. In den

hei-

ſeye, in dieſen Kriſtallen oder in den Zellen der Bie-
ne und dem Gewebe der Spinne? — Der Pflanzen
ihre Kunſttriebe und Kunſtfertigkeiten ſind ihrer Be-
ſtimmung gemaͤß allermeiſt auf ihr Erhaltung, ihre
Befruchtung, und ihre Fortpflanzung eingeſchraͤnkt;
und dieſen Zweck betreiben ſie ſo innig, ſo unaufhalt-
ſam, ſo unablaͤßlich, als ihn kaum ein anders Ge-
ſchoͤpf betreibt. — Uibrigens iſt es gewiß, daß nicht
ſowohl die Kunſt als die Thaͤtigkeit des Pflanzenreichs
undeutlicher in unſere Sinne faͤllt; der Pflanzen Leben
iſt ſtill, ruhig, und ſcheint uns traͤge; ihr Kreislauf
wird nicht durch Wallungen und Fieber ſichtbar; ihre
Reizbarkeit iſt ſchwach. — Was die Natur beym
Thiere, wenn es verwundet iſt, in vierzehen Tagen
ausrichtet, dazu bedarf ſie bey den Pflanzen nicht ſel-
ten mehrerer Jahre. Was iſt dieſes aber anders, als
Stufen, welche ſie hienieden beym Menſchen ange-
fangen, und in der ſcheinbarſten Unthaͤtigkeit des Son-
nenſtaͤubchens geendiget hat?

Auch bey den Pflanzen iſt in Ruͤckſicht der Ver-
breitſamkeit die naͤmliche Maaßregel fuͤr das Wohl
des Menſchengeſchlechts beobachtet worden, wie bey
den Thieren. Die Klaſſe der Graͤſer, die vornehm-
ſte Nahrung der Menſchen und der meiſten von
Pflanzengewaͤchſen lebenden Thiere, kommen in allen
Theilen der Welt vor andern fort. In kalten und
gemaͤßigten Zonen gedeihen fuͤr den Menſchen alle un-
ſere bekannten Getraidarten, als Roggen, Gerſte,
Weizen, Hirſe, die vom noͤrdlichen Afrika an, bis
an das ſuͤdliche Schweden gebauet werden. In den

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[159/0178] ſeye, in dieſen Kriſtallen oder in den Zellen der Bie- ne und dem Gewebe der Spinne? — Der Pflanzen ihre Kunſttriebe und Kunſtfertigkeiten ſind ihrer Be- ſtimmung gemaͤß allermeiſt auf ihr Erhaltung, ihre Befruchtung, und ihre Fortpflanzung eingeſchraͤnkt; und dieſen Zweck betreiben ſie ſo innig, ſo unaufhalt- ſam, ſo unablaͤßlich, als ihn kaum ein anders Ge- ſchoͤpf betreibt. — Uibrigens iſt es gewiß, daß nicht ſowohl die Kunſt als die Thaͤtigkeit des Pflanzenreichs undeutlicher in unſere Sinne faͤllt; der Pflanzen Leben iſt ſtill, ruhig, und ſcheint uns traͤge; ihr Kreislauf wird nicht durch Wallungen und Fieber ſichtbar; ihre Reizbarkeit iſt ſchwach. — Was die Natur beym Thiere, wenn es verwundet iſt, in vierzehen Tagen ausrichtet, dazu bedarf ſie bey den Pflanzen nicht ſel- ten mehrerer Jahre. Was iſt dieſes aber anders, als Stufen, welche ſie hienieden beym Menſchen ange- fangen, und in der ſcheinbarſten Unthaͤtigkeit des Son- nenſtaͤubchens geendiget hat? Auch bey den Pflanzen iſt in Ruͤckſicht der Ver- breitſamkeit die naͤmliche Maaßregel fuͤr das Wohl des Menſchengeſchlechts beobachtet worden, wie bey den Thieren. Die Klaſſe der Graͤſer, die vornehm- ſte Nahrung der Menſchen und der meiſten von Pflanzengewaͤchſen lebenden Thiere, kommen in allen Theilen der Welt vor andern fort. In kalten und gemaͤßigten Zonen gedeihen fuͤr den Menſchen alle un- ſere bekannten Getraidarten, als Roggen, Gerſte, Weizen, Hirſe, die vom noͤrdlichen Afrika an, bis an das ſuͤdliche Schweden gebauet werden. In den hei-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/178>, abgerufen am 29.03.2024.