Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Propfreiß mit dem Stamm vereinigt: Das bildet die
Beinnarbe über den Beinbruch, und heilet die Wunden
bey Vieh und Mensch. Der Insektenstich erzeugt den
Gallapfel: Und das Feuer und die Aezmittel heben die
Oberhaut in eine Blase auf. Der tode Zweig dörret
aus, fällt vom Stamme, und der gegenüberstehende
nimmt an Stärke und Größe zu aus dem nämlichen
Grunde, warum der durch den Brand zerstörte Theil
vom gesunden abgelöset, und der Verlust eines Sinnes
durch die Stärke und Verfeinerung der übrigen ersetzt
wird. --

Ein allgemeines Gesetz, eine einzige Kraft um-
faßet die ganze Natur. Dadurch findet jedes einzelne
Wesen eine eigne für sein Daseyn abgemessene Kraft
theils in sich selbst, theils in den Dingen, welche
mit ihm in wechselseitige Verbindung gesetzt sind. So
vertoben die Winde, der Marmor verwittert, die
Eiche modert, der Stör geht ein, und der Mensch
stirbt. "Es war nur eine Kraft, die die glänzende
Sonne schuf, und mein Staubkorn an ihr erhält;
nur eine Kraft, die eine Milchstraße von Sonnen sich
vielleicht um den Sirius bewegen läßt, und die in
Gesetzen der Schwere auf meinen Erdkörper wirkt."*)



Vier-
*) Herder S. 6 I Thl.

Propfreiß mit dem Stamm vereinigt: Das bildet die
Beinnarbe uͤber den Beinbruch, und heilet die Wunden
bey Vieh und Menſch. Der Inſektenſtich erzeugt den
Gallapfel: Und das Feuer und die Aezmittel heben die
Oberhaut in eine Blaſe auf. Der tode Zweig doͤrret
aus, faͤllt vom Stamme, und der gegenuͤberſtehende
nimmt an Staͤrke und Groͤße zu aus dem naͤmlichen
Grunde, warum der durch den Brand zerſtoͤrte Theil
vom geſunden abgeloͤſet, und der Verluſt eines Sinnes
durch die Staͤrke und Verfeinerung der uͤbrigen erſetzt
wird. —

Ein allgemeines Geſetz, eine einzige Kraft um-
faßet die ganze Natur. Dadurch findet jedes einzelne
Weſen eine eigne fuͤr ſein Daſeyn abgemeſſene Kraft
theils in ſich ſelbſt, theils in den Dingen, welche
mit ihm in wechſelſeitige Verbindung geſetzt ſind. So
vertoben die Winde, der Marmor verwittert, die
Eiche modert, der Stoͤr geht ein, und der Menſch
ſtirbt. “Es war nur eine Kraft, die die glaͤnzende
Sonne ſchuf, und mein Staubkorn an ihr erhaͤlt;
nur eine Kraft, die eine Milchſtraße von Sonnen ſich
vielleicht um den Sirius bewegen laͤßt, und die in
Geſetzen der Schwere auf meinen Erdkoͤrper wirkt.„*)



Vier-
*) Herder S. 6 I Thl.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0184" n="165"/>
Propfreiß mit dem Stamm vereinigt: Das bildet die<lb/>
Beinnarbe u&#x0364;ber den Beinbruch, und heilet die Wunden<lb/>
bey Vieh und Men&#x017F;ch. Der In&#x017F;ekten&#x017F;tich erzeugt den<lb/>
Gallapfel: Und das Feuer und die Aezmittel heben die<lb/>
Oberhaut in eine Bla&#x017F;e auf. Der tode Zweig do&#x0364;rret<lb/>
aus, fa&#x0364;llt vom Stamme, und der gegenu&#x0364;ber&#x017F;tehende<lb/>
nimmt an Sta&#x0364;rke und Gro&#x0364;ße zu aus dem na&#x0364;mlichen<lb/>
Grunde, warum der durch den Brand zer&#x017F;to&#x0364;rte Theil<lb/>
vom ge&#x017F;unden abgelo&#x0364;&#x017F;et, und der Verlu&#x017F;t eines Sinnes<lb/>
durch die Sta&#x0364;rke und Verfeinerung der u&#x0364;brigen er&#x017F;etzt<lb/>
wird. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Ein allgemeines Ge&#x017F;etz, eine einzige Kraft um-<lb/>
faßet die ganze Natur. Dadurch findet jedes einzelne<lb/>
We&#x017F;en eine eigne fu&#x0364;r &#x017F;ein Da&#x017F;eyn abgeme&#x017F;&#x017F;ene Kraft<lb/>
theils in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, theils in den Dingen, welche<lb/>
mit ihm in wech&#x017F;el&#x017F;eitige Verbindung ge&#x017F;etzt &#x017F;ind. So<lb/>
vertoben die Winde, der Marmor verwittert, die<lb/>
Eiche modert, der Sto&#x0364;r geht ein, und der Men&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;tirbt. &#x201C;Es war nur eine Kraft, die die gla&#x0364;nzende<lb/>
Sonne &#x017F;chuf, und mein Staubkorn an ihr erha&#x0364;lt;<lb/>
nur eine Kraft, die eine Milch&#x017F;traße von Sonnen &#x017F;ich<lb/>
vielleicht um den Sirius bewegen la&#x0364;ßt, und die in<lb/>
Ge&#x017F;etzen der Schwere auf meinen Erdko&#x0364;rper wirkt.&#x201E;<note place="foot" n="*)">Herder S. 6 <hi rendition="#aq">I</hi> Thl.</note></p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Vier-</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0184] Propfreiß mit dem Stamm vereinigt: Das bildet die Beinnarbe uͤber den Beinbruch, und heilet die Wunden bey Vieh und Menſch. Der Inſektenſtich erzeugt den Gallapfel: Und das Feuer und die Aezmittel heben die Oberhaut in eine Blaſe auf. Der tode Zweig doͤrret aus, faͤllt vom Stamme, und der gegenuͤberſtehende nimmt an Staͤrke und Groͤße zu aus dem naͤmlichen Grunde, warum der durch den Brand zerſtoͤrte Theil vom geſunden abgeloͤſet, und der Verluſt eines Sinnes durch die Staͤrke und Verfeinerung der uͤbrigen erſetzt wird. — Ein allgemeines Geſetz, eine einzige Kraft um- faßet die ganze Natur. Dadurch findet jedes einzelne Weſen eine eigne fuͤr ſein Daſeyn abgemeſſene Kraft theils in ſich ſelbſt, theils in den Dingen, welche mit ihm in wechſelſeitige Verbindung geſetzt ſind. So vertoben die Winde, der Marmor verwittert, die Eiche modert, der Stoͤr geht ein, und der Menſch ſtirbt. “Es war nur eine Kraft, die die glaͤnzende Sonne ſchuf, und mein Staubkorn an ihr erhaͤlt; nur eine Kraft, die eine Milchſtraße von Sonnen ſich vielleicht um den Sirius bewegen laͤßt, und die in Geſetzen der Schwere auf meinen Erdkoͤrper wirkt.„ *) Vier- *) Herder S. 6 I Thl.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/184
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/184>, abgerufen am 16.04.2024.