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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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nigen chirurgischen Krankheiten anzeigen, ohne mich
weitläuftig in die Untersuchungen eines Arnemann,
Murray
, u. a. über die Heilung der Wunden und
die Wiedererstattung verlorner Theile, wovon schon
einiges im ersten Kapitel §. 36. gesagt worden ist,
einzulassen. Wenn nicht große Gefäße oder Nerven
verletzt sind, so heilet die Natur die Wunden dürch
Vereinigung, Eiterung, oder den Brand. Zu erst
entsteht ein Schmerz, der die getrennten Fasern reizt,
in Bewegung bringt, verkürzet, die blutenden Ge-
fäße zusammen zieht, ihre Richtung verdreht, und
so das Bluten stillt; darauf folgt Schwulst, Ent-
zündung, Hitze, Fieber. Die Geschwulst fügt in ge-
wissem Betracht die entfernten, von einander gewi-
chenen Lippen der Wunde näher zusammen; ein gewis-
ser Grad von Entzündung klebt alsdann die getrenn-
ten Fasern, vermittelst eines leimartigen Saftes an-
einander, verbindet und befestigt sie. -- Können die
Wunden nicht vereinigt werden, so sind der Schmerz,
die Entzündung, die Geschwulst zur Bildung des Ei-
ters vonnöthen. Diese Zufälle verwandeln die Wun-
den in ein Geschwür, welches die getrennten Theile
durch einen langsamern Weeg vereinigt, als der erste
ist. Der Eiter ist den Wunden Balsam; er ist ih-
nen natürlich und vertritt in ihnen die Stelle, die der
Speichel im Maule, und die Thränen im Auge ver-
tretten. Zum Stillen des Blutens trägt die Luft und
die Neigung des Blutes zum Gerinnen vieles bey.
Sobald dieser Saft von der Luft berührt wird, so
verliert er seine Flüssigkeit, wird leimig, klebt sich

an

nigen chirurgiſchen Krankheiten anzeigen, ohne mich
weitlaͤuftig in die Unterſuchungen eines Arnemann,
Murray
, u. a. uͤber die Heilung der Wunden und
die Wiedererſtattung verlorner Theile, wovon ſchon
einiges im erſten Kapitel §. 36. geſagt worden iſt,
einzulaſſen. Wenn nicht große Gefaͤße oder Nerven
verletzt ſind, ſo heilet die Natur die Wunden dürch
Vereinigung, Eiterung, oder den Brand. Zu erſt
entſteht ein Schmerz, der die getrennten Faſern reizt,
in Bewegung bringt, verkuͤrzet, die blutenden Ge-
faͤße zuſammen zieht, ihre Richtung verdreht, und
ſo das Bluten ſtillt; darauf folgt Schwulſt, Ent-
zuͤndung, Hitze, Fieber. Die Geſchwulſt fuͤgt in ge-
wiſſem Betracht die entfernten, von einander gewi-
chenen Lippen der Wunde naͤher zuſammen; ein gewiſ-
ſer Grad von Entzuͤndung klebt alsdann die getrenn-
ten Faſern, vermittelſt eines leimartigen Saftes an-
einander, verbindet und befeſtigt ſie. — Koͤnnen die
Wunden nicht vereinigt werden, ſo ſind der Schmerz,
die Entzuͤndung, die Geſchwulſt zur Bildung des Ei-
ters vonnoͤthen. Dieſe Zufaͤlle verwandeln die Wun-
den in ein Geſchwuͤr, welches die getrennten Theile
durch einen langſamern Weeg vereinigt, als der erſte
iſt. Der Eiter iſt den Wunden Balſam; er iſt ih-
nen natuͤrlich und vertritt in ihnen die Stelle, die der
Speichel im Maule, und die Thraͤnen im Auge ver-
tretten. Zum Stillen des Blutens traͤgt die Luft und
die Neigung des Blutes zum Gerinnen vieles bey.
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verliert er ſeine Fluͤſſigkeit, wird leimig, klebt ſich

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[226/0245] nigen chirurgiſchen Krankheiten anzeigen, ohne mich weitlaͤuftig in die Unterſuchungen eines Arnemann, Murray, u. a. uͤber die Heilung der Wunden und die Wiedererſtattung verlorner Theile, wovon ſchon einiges im erſten Kapitel §. 36. geſagt worden iſt, einzulaſſen. Wenn nicht große Gefaͤße oder Nerven verletzt ſind, ſo heilet die Natur die Wunden dürch Vereinigung, Eiterung, oder den Brand. Zu erſt entſteht ein Schmerz, der die getrennten Faſern reizt, in Bewegung bringt, verkuͤrzet, die blutenden Ge- faͤße zuſammen zieht, ihre Richtung verdreht, und ſo das Bluten ſtillt; darauf folgt Schwulſt, Ent- zuͤndung, Hitze, Fieber. Die Geſchwulſt fuͤgt in ge- wiſſem Betracht die entfernten, von einander gewi- chenen Lippen der Wunde naͤher zuſammen; ein gewiſ- ſer Grad von Entzuͤndung klebt alsdann die getrenn- ten Faſern, vermittelſt eines leimartigen Saftes an- einander, verbindet und befeſtigt ſie. — Koͤnnen die Wunden nicht vereinigt werden, ſo ſind der Schmerz, die Entzuͤndung, die Geſchwulſt zur Bildung des Ei- ters vonnoͤthen. Dieſe Zufaͤlle verwandeln die Wun- den in ein Geſchwuͤr, welches die getrennten Theile durch einen langſamern Weeg vereinigt, als der erſte iſt. Der Eiter iſt den Wunden Balſam; er iſt ih- nen natuͤrlich und vertritt in ihnen die Stelle, die der Speichel im Maule, und die Thraͤnen im Auge ver- tretten. Zum Stillen des Blutens traͤgt die Luft und die Neigung des Blutes zum Gerinnen vieles bey. Sobald dieſer Saft von der Luft beruͤhrt wird, ſo verliert er ſeine Fluͤſſigkeit, wird leimig, klebt ſich an

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/245>, abgerufen am 28.03.2024.