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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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den Wahnwitz verfallen, und dennoch sich wieder er-
holen kann. Er hatte vier Jahre lang ein Weib un-
ter den Augen, das zugleich mit der wütenden Geil-
heit und der fallenden Sucht befallen war. -- Dem
Hippokrates waren Bewegungen der Hand gegen
die Stirne, vielfältiges Ausgreifen in die Luft, Su-
chen und Zupfen an den Betttuchen und den Wänden
noch tödlich: Wir heilen unsere Kranken bey allen
diesen Zufällen. -- Im hiesigen Krankenhause sah ich
den Hr. Doktor Beutel, obschon er in einem Faulfie-
ber schon das gelähmte Schlingen hatte, wobey man
die Arzneyen, wie in einen holen Sack, fallen hört,
unter Stoll noch genesen. -- Die Zeichen der Verwer-
fungen nach den Gehirnhölen oder dem Rückgrad und
dem verlängerten Gehirnmark sind uns bey weitem nicht
mehr so schrecklich, wie sie es noch vor wenigen Jah-
ren waren. Durch zur rechten Zeit angebrachte äu-
ßerliche Reize und kleine Blutläßen zu einer oder zwey
Unzen wissen wir die Wiedereinsaugung der scharfen
Lymphe zu bewirken. -- Kämpf hat uns gelehrt, den
noch von Boerhave für unheilbar erklärten Glasschleim
aufzulösen. -- Die Versuche mit dem Lorberkirschenwas-
ser werden uns vielleicht noch die vom Durchschwitzen
der gerinnbaren Lymphe entstandenen Verwachsungen,
Engbrüstigkeiten und Unfruchtbarkeiten heilen lehren. --
Man hielt es immer für eine sehr schlimme Vorher-
deutung, wenn im entzündlichen Seitenstiche vor dem
Ende des vierten Tags keine Entscheidung durch ge-
kochten Auswurf zu Stande kam; aber Strack hat

das
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den Wahnwitz verfallen, und dennoch ſich wieder er-
holen kann. Er hatte vier Jahre lang ein Weib un-
ter den Augen, das zugleich mit der wuͤtenden Geil-
heit und der fallenden Sucht befallen war. — Dem
Hippokrates waren Bewegungen der Hand gegen
die Stirne, vielfaͤltiges Ausgreifen in die Luft, Su-
chen und Zupfen an den Betttuchen und den Waͤnden
noch toͤdlich: Wir heilen unſere Kranken bey allen
dieſen Zufaͤllen. — Im hieſigen Krankenhauſe ſah ich
den Hr. Doktor Beutel, obſchon er in einem Faulfie-
ber ſchon das gelaͤhmte Schlingen hatte, wobey man
die Arzneyen, wie in einen holen Sack, fallen hoͤrt,
unter Stoll noch geneſen. — Die Zeichen der Verwer-
fungen nach den Gehirnhoͤlen oder dem Ruͤckgrad und
dem verlaͤngerten Gehirnmark ſind uns bey weitem nicht
mehr ſo ſchrecklich, wie ſie es noch vor wenigen Jah-
ren waren. Durch zur rechten Zeit angebrachte aͤu-
ßerliche Reize und kleine Blutlaͤßen zu einer oder zwey
Unzen wiſſen wir die Wiedereinſaugung der ſcharfen
Lymphe zu bewirken. — Kämpf hat uns gelehrt, den
noch von Boerhave fuͤr unheilbar erklaͤrten Glasſchleim
aufzuloͤſen. — Die Verſuche mit dem Lorberkirſchenwaſ-
ſer werden uns vielleicht noch die vom Durchſchwitzen
der gerinnbaren Lymphe entſtandenen Verwachſungen,
Engbruͤſtigkeiten und Unfruchtbarkeiten heilen lehren. —
Man hielt es immer fuͤr eine ſehr ſchlimme Vorher-
deutung, wenn im entzuͤndlichen Seitenſtiche vor dem
Ende des vierten Tags keine Entſcheidung durch ge-
kochten Auswurf zu Stande kam; aber Strack hat

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[259/0278] den Wahnwitz verfallen, und dennoch ſich wieder er- holen kann. Er hatte vier Jahre lang ein Weib un- ter den Augen, das zugleich mit der wuͤtenden Geil- heit und der fallenden Sucht befallen war. — Dem Hippokrates waren Bewegungen der Hand gegen die Stirne, vielfaͤltiges Ausgreifen in die Luft, Su- chen und Zupfen an den Betttuchen und den Waͤnden noch toͤdlich: Wir heilen unſere Kranken bey allen dieſen Zufaͤllen. — Im hieſigen Krankenhauſe ſah ich den Hr. Doktor Beutel, obſchon er in einem Faulfie- ber ſchon das gelaͤhmte Schlingen hatte, wobey man die Arzneyen, wie in einen holen Sack, fallen hoͤrt, unter Stoll noch geneſen. — Die Zeichen der Verwer- fungen nach den Gehirnhoͤlen oder dem Ruͤckgrad und dem verlaͤngerten Gehirnmark ſind uns bey weitem nicht mehr ſo ſchrecklich, wie ſie es noch vor wenigen Jah- ren waren. Durch zur rechten Zeit angebrachte aͤu- ßerliche Reize und kleine Blutlaͤßen zu einer oder zwey Unzen wiſſen wir die Wiedereinſaugung der ſcharfen Lymphe zu bewirken. — Kämpf hat uns gelehrt, den noch von Boerhave fuͤr unheilbar erklaͤrten Glasſchleim aufzuloͤſen. — Die Verſuche mit dem Lorberkirſchenwaſ- ſer werden uns vielleicht noch die vom Durchſchwitzen der gerinnbaren Lymphe entſtandenen Verwachſungen, Engbruͤſtigkeiten und Unfruchtbarkeiten heilen lehren. — Man hielt es immer fuͤr eine ſehr ſchlimme Vorher- deutung, wenn im entzuͤndlichen Seitenſtiche vor dem Ende des vierten Tags keine Entſcheidung durch ge- kochten Auswurf zu Stande kam; aber Strack hat das R 2

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/278>, abgerufen am 29.03.2024.