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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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1) Alle Theile des menschlichen Körpers, nur
allein ausgenommen die Knochen, haben so wie meh-
rere natürliche, außerthierische Körper, ein gewißes
Bestreben, sich zu verkürzen, jedoch ohne Wechsel
von Anspannung und Erschlaffung. Diese vornehmlich
in den Flechsen und Häuten auch nach dem Tode,
noch sichtbare Kraft, ist die todte Zusammenziehlich-
keit.

2) Von dieser todten Zusammenziehlichkeit ist
unterschieden die lebendige, oder die Reizbarkeit; wel-
che bloß den Muskelfibern eigenthümlich, von me-
chanischen und physischen Reizen erregt wird, mit ei-
nem Wechsel von Anspannung und Erschlaffung ver-
bunden ist, und bald nach dem Tode aufhört.

3) Diese Reizbarkeit ist ganz etwas anders,
als das Nervengefühl; also auch keine Seelenwirkung;
1) weil sie ihren Sitz in den Muskelfiebern, nicht in
den Nerven hat; 2) weil die Nerven, so wie das
Gehirnmark selbst, keine Reizbarkeit haben; 3) weil
viele Theile, wie das Gehirn und das Nervenmark,
viel Gefühl, und keine oder wenig Reizbarkeit, an-
dere, wie das Herz, viel Reizbarkeit und wenig Ge-
fühl besitzen; 4) diese Reizbarkeit auch in unbeseelten
Thieren gefunden wird; 5) in todten, ausgeschnit-
tenen und also von der Gemeinschaft der Seele und
des Gehirns ganz abgesonderten Theilen übrig bleibt;
4) weil viele Dinge, welche das Nervengefühl bele-
ben, die Reizbarkeit vermindern, und umgekehrt an-
dere welche das Nervengefühl vermindern, die Reiz-
barkeit beleben.


4) So

1) Alle Theile des menſchlichen Koͤrpers, nur
allein ausgenommen die Knochen, haben ſo wie meh-
rere natuͤrliche, außerthieriſche Koͤrper, ein gewißes
Beſtreben, ſich zu verkuͤrzen, jedoch ohne Wechſel
von Anſpannung und Erſchlaffung. Dieſe vornehmlich
in den Flechſen und Haͤuten auch nach dem Tode,
noch ſichtbare Kraft, iſt die todte Zuſammenziehlich-
keit.

2) Von dieſer todten Zuſammenziehlichkeit iſt
unterſchieden die lebendige, oder die Reizbarkeit; wel-
che bloß den Muskelfibern eigenthuͤmlich, von me-
chaniſchen und phyſiſchen Reizen erregt wird, mit ei-
nem Wechſel von Anſpannung und Erſchlaffung ver-
bunden iſt, und bald nach dem Tode aufhoͤrt.

3) Dieſe Reizbarkeit iſt ganz etwas anders,
als das Nervengefuͤhl; alſo auch keine Seelenwirkung;
1) weil ſie ihren Sitz in den Muskelfiebern, nicht in
den Nerven hat; 2) weil die Nerven, ſo wie das
Gehirnmark ſelbſt, keine Reizbarkeit haben; 3) weil
viele Theile, wie das Gehirn und das Nervenmark,
viel Gefuͤhl, und keine oder wenig Reizbarkeit, an-
dere, wie das Herz, viel Reizbarkeit und wenig Ge-
fuͤhl beſitzen; 4) dieſe Reizbarkeit auch in unbeſeelten
Thieren gefunden wird; 5) in todten, ausgeſchnit-
tenen und alſo von der Gemeinſchaft der Seele und
des Gehirns ganz abgeſonderten Theilen uͤbrig bleibt;
4) weil viele Dinge, welche das Nervengefuͤhl bele-
ben, die Reizbarkeit vermindern, und umgekehrt an-
dere welche das Nervengefuͤhl vermindern, die Reiz-
barkeit beleben.


4) So
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[13/0032] 1) Alle Theile des menſchlichen Koͤrpers, nur allein ausgenommen die Knochen, haben ſo wie meh- rere natuͤrliche, außerthieriſche Koͤrper, ein gewißes Beſtreben, ſich zu verkuͤrzen, jedoch ohne Wechſel von Anſpannung und Erſchlaffung. Dieſe vornehmlich in den Flechſen und Haͤuten auch nach dem Tode, noch ſichtbare Kraft, iſt die todte Zuſammenziehlich- keit. 2) Von dieſer todten Zuſammenziehlichkeit iſt unterſchieden die lebendige, oder die Reizbarkeit; wel- che bloß den Muskelfibern eigenthuͤmlich, von me- chaniſchen und phyſiſchen Reizen erregt wird, mit ei- nem Wechſel von Anſpannung und Erſchlaffung ver- bunden iſt, und bald nach dem Tode aufhoͤrt. 3) Dieſe Reizbarkeit iſt ganz etwas anders, als das Nervengefuͤhl; alſo auch keine Seelenwirkung; 1) weil ſie ihren Sitz in den Muskelfiebern, nicht in den Nerven hat; 2) weil die Nerven, ſo wie das Gehirnmark ſelbſt, keine Reizbarkeit haben; 3) weil viele Theile, wie das Gehirn und das Nervenmark, viel Gefuͤhl, und keine oder wenig Reizbarkeit, an- dere, wie das Herz, viel Reizbarkeit und wenig Ge- fuͤhl beſitzen; 4) dieſe Reizbarkeit auch in unbeſeelten Thieren gefunden wird; 5) in todten, ausgeſchnit- tenen und alſo von der Gemeinſchaft der Seele und des Gehirns ganz abgeſonderten Theilen uͤbrig bleibt; 4) weil viele Dinge, welche das Nervengefuͤhl bele- ben, die Reizbarkeit vermindern, und umgekehrt an- dere welche das Nervengefuͤhl vermindern, die Reiz- barkeit beleben. 4) So

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/32>, abgerufen am 18.04.2024.