Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

das Uebel weder gebessert, (es seye dann auf eine
kurze Zeit) noch verschlimmert worden wäre.*)

Folgerungen.
Vom Unterschied des gesunden und kranken
Zustandes.

§. 97.

Alles, was in den drey Erfahrungssätzen gesagt
worden ist, beweiset, daß die Leibesbeschaffenheit,
die allgemeinen und örtlichen Kräfte und die Reitzbar-
keit im gesunden Menschen ganz anders beschaffen sind,
als im Kranken. Da nun das Heilvermögen der Kunst
und der Natur von diesen drey wichtigsten Erforder-
nißen abhängt; so müßen nothwendig im kranken Men-
schen, in Rücksicht der Ein- und Gegenwirkungen so-
wohl seiner Bestandtheile, als der Dinge außer ihm,
ganz andere, oder anderst veränderte Gesetze statt ha-
ben, als im gesunden. Folglich sind die Folgerun-
gen, die man von einem Zustande auf den andern
macht, theils mangelhaft, theils ganz irrig. Hier ist
die Quelle so mancher Luftgebäude, eitler Erwartun-
gen, und falscher Beobachtungen.

Nahrungsmittel bringen keine merkliche Verän-
derung hervor, so lange sie verdaut, und ihre Ueber-

bleib-
*) Die Herrn Phisiologen werden mir vergeben, daß ich
mich der Benennungen: Reitzbarkeit, Beweglich-
keit, Empfindlichkeit
ohne Unterschied bedient ha-
ben. Ich glaubte, daß dieses in der ausübenden Heikun-
de ohne Schaden geschehen konnte, und außer dem, daß
es schwer zu vermeiden gewesen wäre, würde es auch gar-
zu pünktlich herausgekommen seyn.

das Uebel weder gebeſſert, (es ſeye dann auf eine
kurze Zeit) noch verſchlimmert worden waͤre.*)

Folgerungen.
Vom Unterſchied des geſunden und kranken
Zuſtandes.

§. 97.

Alles, was in den drey Erfahrungsſaͤtzen geſagt
worden iſt, beweiſet, daß die Leibesbeſchaffenheit,
die allgemeinen und oͤrtlichen Kraͤfte und die Reitzbar-
keit im geſunden Menſchen ganz anders beſchaffen ſind,
als im Kranken. Da nun das Heilvermoͤgen der Kunſt
und der Natur von dieſen drey wichtigſten Erforder-
nißen abhaͤngt; ſo muͤßen nothwendig im kranken Men-
ſchen, in Ruͤckſicht der Ein- und Gegenwirkungen ſo-
wohl ſeiner Beſtandtheile, als der Dinge außer ihm,
ganz andere, oder anderſt veraͤnderte Geſetze ſtatt ha-
ben, als im geſunden. Folglich ſind die Folgerun-
gen, die man von einem Zuſtande auf den andern
macht, theils mangelhaft, theils ganz irrig. Hier iſt
die Quelle ſo mancher Luftgebaͤude, eitler Erwartun-
gen, und falſcher Beobachtungen.

Nahrungsmittel bringen keine merkliche Veraͤn-
derung hervor, ſo lange ſie verdaut, und ihre Ueber-

bleib-
*) Die Herrn Phiſiologen werden mir vergeben, daß ich
mich der Benennungen: Reitzbarkeit, Beweglich-
keit, Empfindlichkeit
ohne Unterſchied bedient ha-
ben. Ich glaubte, daß dieſes in der ausuͤbenden Heikun-
de ohne Schaden geſchehen konnte, und außer dem, daß
es ſchwer zu vermeiden geweſen waͤre, wuͤrde es auch gar-
zu puͤnktlich herausgekommen ſeyn.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0622" n="603"/>
das Uebel weder gebe&#x017F;&#x017F;ert, (es &#x017F;eye dann auf eine<lb/>
kurze Zeit) noch ver&#x017F;chlimmert worden wa&#x0364;re.<note place="foot" n="*)">Die Herrn Phi&#x017F;iologen werden mir vergeben, daß ich<lb/>
mich der Benennungen: <hi rendition="#g">Reitzbarkeit, Beweglich-<lb/>
keit, Empfindlichkeit</hi> ohne Unter&#x017F;chied bedient ha-<lb/>
ben. Ich glaubte, daß die&#x017F;es in der ausu&#x0364;benden Heikun-<lb/>
de ohne Schaden ge&#x017F;chehen konnte, und außer dem, daß<lb/>
es &#x017F;chwer zu vermeiden gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, wu&#x0364;rde es auch gar-<lb/>
zu pu&#x0364;nktlich herausgekommen &#x017F;eyn.</note></p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Folgerungen</hi>.<lb/>
Vom Unter&#x017F;chied des ge&#x017F;unden und kranken<lb/>
Zu&#x017F;tandes.</hi><lb/>
§. 97.</head><lb/>
            <p>Alles, was in den drey Erfahrungs&#x017F;a&#x0364;tzen ge&#x017F;agt<lb/>
worden i&#x017F;t, bewei&#x017F;et, daß die Leibesbe&#x017F;chaffenheit,<lb/>
die allgemeinen und o&#x0364;rtlichen Kra&#x0364;fte und die Reitzbar-<lb/>
keit im ge&#x017F;unden Men&#x017F;chen ganz anders be&#x017F;chaffen &#x017F;ind,<lb/>
als im Kranken. Da nun das Heilvermo&#x0364;gen der Kun&#x017F;t<lb/>
und der Natur von die&#x017F;en drey wichtig&#x017F;ten Erforder-<lb/>
nißen abha&#x0364;ngt; &#x017F;o mu&#x0364;ßen nothwendig im kranken Men-<lb/>
&#x017F;chen, in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht der Ein- und Gegenwirkungen &#x017F;o-<lb/>
wohl &#x017F;einer Be&#x017F;tandtheile, als der Dinge außer ihm,<lb/>
ganz andere, oder ander&#x017F;t vera&#x0364;nderte Ge&#x017F;etze &#x017F;tatt ha-<lb/>
ben, als im ge&#x017F;unden. Folglich &#x017F;ind die Folgerun-<lb/>
gen, die man von einem Zu&#x017F;tande auf den andern<lb/>
macht, theils mangelhaft, theils ganz irrig. Hier i&#x017F;t<lb/>
die Quelle &#x017F;o mancher Luftgeba&#x0364;ude, eitler Erwartun-<lb/>
gen, und fal&#x017F;cher Beobachtungen.</p><lb/>
            <p>Nahrungsmittel bringen keine merkliche Vera&#x0364;n-<lb/>
derung hervor, &#x017F;o lange &#x017F;ie verdaut, und ihre Ueber-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bleib-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[603/0622] das Uebel weder gebeſſert, (es ſeye dann auf eine kurze Zeit) noch verſchlimmert worden waͤre. *) Folgerungen. Vom Unterſchied des geſunden und kranken Zuſtandes. §. 97. Alles, was in den drey Erfahrungsſaͤtzen geſagt worden iſt, beweiſet, daß die Leibesbeſchaffenheit, die allgemeinen und oͤrtlichen Kraͤfte und die Reitzbar- keit im geſunden Menſchen ganz anders beſchaffen ſind, als im Kranken. Da nun das Heilvermoͤgen der Kunſt und der Natur von dieſen drey wichtigſten Erforder- nißen abhaͤngt; ſo muͤßen nothwendig im kranken Men- ſchen, in Ruͤckſicht der Ein- und Gegenwirkungen ſo- wohl ſeiner Beſtandtheile, als der Dinge außer ihm, ganz andere, oder anderſt veraͤnderte Geſetze ſtatt ha- ben, als im geſunden. Folglich ſind die Folgerun- gen, die man von einem Zuſtande auf den andern macht, theils mangelhaft, theils ganz irrig. Hier iſt die Quelle ſo mancher Luftgebaͤude, eitler Erwartun- gen, und falſcher Beobachtungen. Nahrungsmittel bringen keine merkliche Veraͤn- derung hervor, ſo lange ſie verdaut, und ihre Ueber- bleib- *) Die Herrn Phiſiologen werden mir vergeben, daß ich mich der Benennungen: Reitzbarkeit, Beweglich- keit, Empfindlichkeit ohne Unterſchied bedient ha- ben. Ich glaubte, daß dieſes in der ausuͤbenden Heikun- de ohne Schaden geſchehen konnte, und außer dem, daß es ſchwer zu vermeiden geweſen waͤre, wuͤrde es auch gar- zu puͤnktlich herausgekommen ſeyn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/622
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/622>, abgerufen am 29.03.2024.