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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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zur bestimmten Zeit diese Auslerungen zurückgehalten,
so werden sie nachher ehe Blähungen, Schwindel und
Kopfschmerzen, als einen neuen Trieb zur Entleerung
erregen. Es giebt Leute, die jedesmal ihr angewöhn-
tes Maaß schlafen, zu was immer für einer Stunde
sie zu Bette liegen; andere wachen immer, obschon
sie die Stunde des Schlafengehens wechseln, zur näm-
lichen Zeit auf. Sind Kinder an gewiße Zeiträume
der Nahrung gewöhnt, so erwachen sie jedesmal nach
dem Verlauf eines solchen Zeitraumes. -- Je mehr
diese Angewöhnungen zur Natur geworden sind, de-
sto unentbehrlicher ist die Befriedigung derselben zum
allgemeinen Wohlseyn.

Entspinnt sich aber im Innern des Menschen
der Zunder einer künftigen Krankheit, so wird der Zu-
sammenhang der Verrichtungen gestört; es entstehen
überall Unordnungen; die Angewöhnungen werden ver-
rückt und unterdrückt; und es ist dieser Umstand ein
desto sicherer Vorbote, je unveränderlicher sie sonst ge-
wesen sind, und je mehr selbst diese Stöhrung im
Stande ist, üble Zufälle zu erzeugen.

§. 105.

Daraus ergiebt es sich von selbst, wie sehr
sichs der Arzt zur Pflicht machen sollte, die Angewöh-
nungen seines Kranken auszuspähen, und sein Betra-
gen darnach einzurichten. Sie müssen sowohl in Rück-
sicht der Lebensordnung, als der Heilart, so viel mög-
lich ist, beybehalten, oder wo sie erstickt sind, wieder
hergestellt werden. Ohne sie bleibet nicht selten das

Be-

zur beſtimmten Zeit dieſe Auslerungen zuruͤckgehalten,
ſo werden ſie nachher ehe Blaͤhungen, Schwindel und
Kopfſchmerzen, als einen neuen Trieb zur Entleerung
erregen. Es giebt Leute, die jedesmal ihr angewoͤhn-
tes Maaß ſchlafen, zu was immer fuͤr einer Stunde
ſie zu Bette liegen; andere wachen immer, obſchon
ſie die Stunde des Schlafengehens wechſeln, zur naͤm-
lichen Zeit auf. Sind Kinder an gewiße Zeitraͤume
der Nahrung gewoͤhnt, ſo erwachen ſie jedesmal nach
dem Verlauf eines ſolchen Zeitraumes. — Je mehr
dieſe Angewoͤhnungen zur Natur geworden ſind, de-
ſto unentbehrlicher iſt die Befriedigung derſelben zum
allgemeinen Wohlſeyn.

Entſpinnt ſich aber im Innern des Menſchen
der Zunder einer kuͤnftigen Krankheit, ſo wird der Zu-
ſammenhang der Verrichtungen geſtoͤrt; es entſtehen
uͤberall Unordnungen; die Angewoͤhnungen werden ver-
ruͤckt und unterdruͤckt; und es iſt dieſer Umſtand ein
deſto ſicherer Vorbote, je unveraͤnderlicher ſie ſonſt ge-
weſen ſind, und je mehr ſelbſt dieſe Stoͤhrung im
Stande iſt, uͤble Zufaͤlle zu erzeugen.

§. 105.

Daraus ergiebt es ſich von ſelbſt, wie ſehr
ſichs der Arzt zur Pflicht machen ſollte, die Angewoͤh-
nungen ſeines Kranken auszuſpaͤhen, und ſein Betra-
gen darnach einzurichten. Sie muͤſſen ſowohl in Ruͤck-
ſicht der Lebensordnung, als der Heilart, ſo viel moͤg-
lich iſt, beybehalten, oder wo ſie erſtickt ſind, wieder
hergeſtellt werden. Ohne ſie bleibet nicht ſelten das

Be-
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[634/0653] zur beſtimmten Zeit dieſe Auslerungen zuruͤckgehalten, ſo werden ſie nachher ehe Blaͤhungen, Schwindel und Kopfſchmerzen, als einen neuen Trieb zur Entleerung erregen. Es giebt Leute, die jedesmal ihr angewoͤhn- tes Maaß ſchlafen, zu was immer fuͤr einer Stunde ſie zu Bette liegen; andere wachen immer, obſchon ſie die Stunde des Schlafengehens wechſeln, zur naͤm- lichen Zeit auf. Sind Kinder an gewiße Zeitraͤume der Nahrung gewoͤhnt, ſo erwachen ſie jedesmal nach dem Verlauf eines ſolchen Zeitraumes. — Je mehr dieſe Angewoͤhnungen zur Natur geworden ſind, de- ſto unentbehrlicher iſt die Befriedigung derſelben zum allgemeinen Wohlſeyn. Entſpinnt ſich aber im Innern des Menſchen der Zunder einer kuͤnftigen Krankheit, ſo wird der Zu- ſammenhang der Verrichtungen geſtoͤrt; es entſtehen uͤberall Unordnungen; die Angewoͤhnungen werden ver- ruͤckt und unterdruͤckt; und es iſt dieſer Umſtand ein deſto ſicherer Vorbote, je unveraͤnderlicher ſie ſonſt ge- weſen ſind, und je mehr ſelbſt dieſe Stoͤhrung im Stande iſt, uͤble Zufaͤlle zu erzeugen. §. 105. Daraus ergiebt es ſich von ſelbſt, wie ſehr ſichs der Arzt zur Pflicht machen ſollte, die Angewoͤh- nungen ſeines Kranken auszuſpaͤhen, und ſein Betra- gen darnach einzurichten. Sie muͤſſen ſowohl in Ruͤck- ſicht der Lebensordnung, als der Heilart, ſo viel moͤg- lich iſt, beybehalten, oder wo ſie erſtickt ſind, wieder hergeſtellt werden. Ohne ſie bleibet nicht ſelten das Be-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/653>, abgerufen am 24.04.2024.