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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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und die Ohren glänzten von einem schmutzigen kalten
Schweiße; die Kinnlade hieng schief herab; die Au-
gen verdreht, gebrochen, halbgeschlossen, unbeweg-
lich; das Athmen äusserst mühsam, nach langen a-
themlosen Pausen, abgestossene Seufzer mit abwech-
selndem Röcheln, und alle Gliedmassen kalt, einge-
schrumpft, klebricht; die Nase und die Ohrläppchen
angezogen; der Puls an den Händen unfühlbar; nur
am Herzen merkte ich eine schnelle, beynahe zitternde
Bewegung. Man sagte mir, daß die Sterbende kurz
vor diesem Zeitpunkte über heftige Schmerzen um die
Nabelgegend geklagt habe. -- Ich drückte diesen Ort
stark, und spürte unter der Hand eine kleine, schnel-
le, zuckende Bewegung, wobey die Winkel des Mun-
des merklich verzogen wurden. -- Alsogleich ließ ich
den Bauch mit warmen Tüchern reiben; mittlerweile
wurden Klystire aus Wein und Hirschhorngeist berei-
tet, denen ich, sobald es möglich war, einen Kinaab-
sud mit Kampfer zumischte. An den zartesten Stel-
len ließ ich sie mit spanischer Fliegentinktur reiben,
und legte zerriebenen Meerrettig darüber. Die Füsse
und Schenkel wurden mit in warmen Wein getauchten
Tüchern eingewickelt. Durch den Mund goß ich ihr
Hirschhorngeist und Wein ein; es lief aber alles wieder
heraus. Nach einer halben Stunde wurde der Puls
an den Händen fühlbar, und um den Mund herum
äusserten sich willkührliche Bewegungen; die Haut
wurde warm, und sie fieng an, langsam zu schlin-
gen etc. etc. Innerhalb drey Stunden erkannte sie uns

alle,

und die Ohren glaͤnzten von einem ſchmutzigen kalten
Schweiße; die Kinnlade hieng ſchief herab; die Au-
gen verdreht, gebrochen, halbgeſchloſſen, unbeweg-
lich; das Athmen aͤuſſerſt muͤhſam, nach langen a-
themloſen Pauſen, abgeſtoſſene Seufzer mit abwech-
ſelndem Roͤcheln, und alle Gliedmaſſen kalt, einge-
ſchrumpft, klebricht; die Naſe und die Ohrlaͤppchen
angezogen; der Puls an den Haͤnden unfuͤhlbar; nur
am Herzen merkte ich eine ſchnelle, beynahe zitternde
Bewegung. Man ſagte mir, daß die Sterbende kurz
vor dieſem Zeitpunkte uͤber heftige Schmerzen um die
Nabelgegend geklagt habe. — Ich druͤckte dieſen Ort
ſtark, und ſpuͤrte unter der Hand eine kleine, ſchnel-
le, zuckende Bewegung, wobey die Winkel des Mun-
des merklich verzogen wurden. — Alſogleich ließ ich
den Bauch mit warmen Tuͤchern reiben; mittlerweile
wurden Klyſtire aus Wein und Hirſchhorngeiſt berei-
tet, denen ich, ſobald es moͤglich war, einen Kinaab-
ſud mit Kampfer zumiſchte. An den zarteſten Stel-
len ließ ich ſie mit ſpaniſcher Fliegentinktur reiben,
und legte zerriebenen Meerrettig daruͤber. Die Fuͤſſe
und Schenkel wurden mit in warmen Wein getauchten
Tuͤchern eingewickelt. Durch den Mund goß ich ihr
Hirſchhorngeiſt und Wein ein; es lief aber alles wieder
heraus. Nach einer halben Stunde wurde der Puls
an den Haͤnden fuͤhlbar, und um den Mund herum
aͤuſſerten ſich willkuͤhrliche Bewegungen; die Haut
wurde warm, und ſie fieng an, langſam zu ſchlin-
gen ꝛc. ꝛc. Innerhalb drey Stunden erkannte ſie uns

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[708/0727] und die Ohren glaͤnzten von einem ſchmutzigen kalten Schweiße; die Kinnlade hieng ſchief herab; die Au- gen verdreht, gebrochen, halbgeſchloſſen, unbeweg- lich; das Athmen aͤuſſerſt muͤhſam, nach langen a- themloſen Pauſen, abgeſtoſſene Seufzer mit abwech- ſelndem Roͤcheln, und alle Gliedmaſſen kalt, einge- ſchrumpft, klebricht; die Naſe und die Ohrlaͤppchen angezogen; der Puls an den Haͤnden unfuͤhlbar; nur am Herzen merkte ich eine ſchnelle, beynahe zitternde Bewegung. Man ſagte mir, daß die Sterbende kurz vor dieſem Zeitpunkte uͤber heftige Schmerzen um die Nabelgegend geklagt habe. — Ich druͤckte dieſen Ort ſtark, und ſpuͤrte unter der Hand eine kleine, ſchnel- le, zuckende Bewegung, wobey die Winkel des Mun- des merklich verzogen wurden. — Alſogleich ließ ich den Bauch mit warmen Tuͤchern reiben; mittlerweile wurden Klyſtire aus Wein und Hirſchhorngeiſt berei- tet, denen ich, ſobald es moͤglich war, einen Kinaab- ſud mit Kampfer zumiſchte. An den zarteſten Stel- len ließ ich ſie mit ſpaniſcher Fliegentinktur reiben, und legte zerriebenen Meerrettig daruͤber. Die Fuͤſſe und Schenkel wurden mit in warmen Wein getauchten Tuͤchern eingewickelt. Durch den Mund goß ich ihr Hirſchhorngeiſt und Wein ein; es lief aber alles wieder heraus. Nach einer halben Stunde wurde der Puls an den Haͤnden fuͤhlbar, und um den Mund herum aͤuſſerten ſich willkuͤhrliche Bewegungen; die Haut wurde warm, und ſie fieng an, langſam zu ſchlin- gen ꝛc. ꝛc. Innerhalb drey Stunden erkannte ſie uns alle,

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 708. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/727>, abgerufen am 19.04.2024.