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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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Die chemischen Färbereiarbeiten.

Nachdem wir uns im vorigen Hauptabschnitt mit den mechanischen
Arbeiten, welche bei der Färberei und den damit zusammenhängenden Ge-
weben vorkommen, vertraut gemacht haben, soll der nunmehrige Hauptab-
schnitt die chemischen Arbeiten des Färbeprozesses behandeln, d. h. die
chemischen Beziehungen zwischen Farbstoff und Gewebefaser und wie dieselben
zur Erzeugung von Färbungen zu verwerten sind.

§ 35. Theorie des Färbens.

Ist das Gefärbtwerden von Gewebefasern durch Farbstoffe ein bloß
mechanischer Prozeß oder ein chemischer? Diese Frage ist in der neueren Zeit
mehrfach aufgeworfen, aber noch nicht klar beantwortet werden. Es gibt
eine Anzahl von Thatsachen, welche den Vorgang als einen rein mechani-
schen
erscheinen lassen; dagegen sprechen wieder andere Momente dafür, daß
das Färben ein chemischer Prozeß sei. Ich werde die beiden sich direkt
widersprechenden Theorien hier entwickeln und es dem Leser überlassen, sich
für diejenige Theorie zu entscheiden, welche ihm am meisten zusagt. Ich
will jedoch vorweg bemerken, daß es bei der Verschiedenartigkeit unserer
Farbstoffe unthunlich erscheint, eine ganz allgemein gültige Theorie aufzu-
stellen.

Die mechanische Theorie des Färbens lehrt, daß zwischen der Ge-
webefaser und den Farbstoffen irgend welche chemischen Beziehungen oder
Verwandtschaft nicht beständen; haftet mithin ein Farbstoff an einer Faser,
so ist dieses Anhaften ein rein mechanisches, und sowohl die Faser, wie der
Farbstoff, bleiben in ihrem Wesen und in ihren Eigenschaften unverändert.
Die Färbung der Faser wäre demnach eine reine Oberflächenanziehung,
welche durch die Kapillarität augenscheinlich begünstigt wird. Für die soge-
nannten adjektiven Farben, d. h. jene, welche nur mit Hilfe einer Beize auf
der Faser befestigt werden können, welche also in den Zellräumen der Ge-
webefaser unlösliche Farblacke bilden, ebenso für die indifferenten Farben, wie
Indigo, und die Mineralfarben, leuchtet das ohne weiteres ein; dagegen fällt
es sehr schwer, die Färbung durch substantive Farben vermittelst der mechani-
schen Theorie erklären zu wollen.

Die chemiſchen Färbereiarbeiten.

Nachdem wir uns im vorigen Hauptabſchnitt mit den mechaniſchen
Arbeiten, welche bei der Färberei und den damit zuſammenhängenden Ge-
weben vorkommen, vertraut gemacht haben, ſoll der nunmehrige Hauptab-
ſchnitt die chemiſchen Arbeiten des Färbeprozeſſes behandeln, d. h. die
chemiſchen Beziehungen zwiſchen Farbſtoff und Gewebefaſer und wie dieſelben
zur Erzeugung von Färbungen zu verwerten ſind.

§ 35. Theorie des Färbens.

Iſt das Gefärbtwerden von Gewebefaſern durch Farbſtoffe ein bloß
mechaniſcher Prozeß oder ein chemiſcher? Dieſe Frage iſt in der neueren Zeit
mehrfach aufgeworfen, aber noch nicht klar beantwortet werden. Es gibt
eine Anzahl von Thatſachen, welche den Vorgang als einen rein mechani-
ſchen
erſcheinen laſſen; dagegen ſprechen wieder andere Momente dafür, daß
das Färben ein chemiſcher Prozeß ſei. Ich werde die beiden ſich direkt
widerſprechenden Theorien hier entwickeln und es dem Leſer überlaſſen, ſich
für diejenige Theorie zu entſcheiden, welche ihm am meiſten zuſagt. Ich
will jedoch vorweg bemerken, daß es bei der Verſchiedenartigkeit unſerer
Farbſtoffe unthunlich erſcheint, eine ganz allgemein gültige Theorie aufzu-
ſtellen.

Die mechaniſche Theorie des Färbens lehrt, daß zwiſchen der Ge-
webefaſer und den Farbſtoffen irgend welche chemiſchen Beziehungen oder
Verwandtſchaft nicht beſtänden; haftet mithin ein Farbſtoff an einer Faſer,
ſo iſt dieſes Anhaften ein rein mechaniſches, und ſowohl die Faſer, wie der
Farbſtoff, bleiben in ihrem Weſen und in ihren Eigenſchaften unverändert.
Die Färbung der Faſer wäre demnach eine reine Oberflächenanziehung,
welche durch die Kapillarität augenſcheinlich begünſtigt wird. Für die ſoge-
nannten adjektiven Farben, d. h. jene, welche nur mit Hilfe einer Beize auf
der Faſer befeſtigt werden können, welche alſo in den Zellräumen der Ge-
webefaſer unlösliche Farblacke bilden, ebenſo für die indifferenten Farben, wie
Indigo, und die Mineralfarben, leuchtet das ohne weiteres ein; dagegen fällt
es ſehr ſchwer, die Färbung durch ſubſtantive Farben vermittelſt der mechani-
ſchen Theorie erklären zu wollen.

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[[488]/0536] Die chemiſchen Färbereiarbeiten. Nachdem wir uns im vorigen Hauptabſchnitt mit den mechaniſchen Arbeiten, welche bei der Färberei und den damit zuſammenhängenden Ge- weben vorkommen, vertraut gemacht haben, ſoll der nunmehrige Hauptab- ſchnitt die chemiſchen Arbeiten des Färbeprozeſſes behandeln, d. h. die chemiſchen Beziehungen zwiſchen Farbſtoff und Gewebefaſer und wie dieſelben zur Erzeugung von Färbungen zu verwerten ſind. § 35. Theorie des Färbens. Iſt das Gefärbtwerden von Gewebefaſern durch Farbſtoffe ein bloß mechaniſcher Prozeß oder ein chemiſcher? Dieſe Frage iſt in der neueren Zeit mehrfach aufgeworfen, aber noch nicht klar beantwortet werden. Es gibt eine Anzahl von Thatſachen, welche den Vorgang als einen rein mechani- ſchen erſcheinen laſſen; dagegen ſprechen wieder andere Momente dafür, daß das Färben ein chemiſcher Prozeß ſei. Ich werde die beiden ſich direkt widerſprechenden Theorien hier entwickeln und es dem Leſer überlaſſen, ſich für diejenige Theorie zu entſcheiden, welche ihm am meiſten zuſagt. Ich will jedoch vorweg bemerken, daß es bei der Verſchiedenartigkeit unſerer Farbſtoffe unthunlich erſcheint, eine ganz allgemein gültige Theorie aufzu- ſtellen. Die mechaniſche Theorie des Färbens lehrt, daß zwiſchen der Ge- webefaſer und den Farbſtoffen irgend welche chemiſchen Beziehungen oder Verwandtſchaft nicht beſtänden; haftet mithin ein Farbſtoff an einer Faſer, ſo iſt dieſes Anhaften ein rein mechaniſches, und ſowohl die Faſer, wie der Farbſtoff, bleiben in ihrem Weſen und in ihren Eigenſchaften unverändert. Die Färbung der Faſer wäre demnach eine reine Oberflächenanziehung, welche durch die Kapillarität augenſcheinlich begünſtigt wird. Für die ſoge- nannten adjektiven Farben, d. h. jene, welche nur mit Hilfe einer Beize auf der Faſer befeſtigt werden können, welche alſo in den Zellräumen der Ge- webefaſer unlösliche Farblacke bilden, ebenſo für die indifferenten Farben, wie Indigo, und die Mineralfarben, leuchtet das ohne weiteres ein; dagegen fällt es ſehr ſchwer, die Färbung durch ſubſtantive Farben vermittelſt der mechani- ſchen Theorie erklären zu wollen.

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. [488]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/536>, abgerufen am 28.03.2024.