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Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703.

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IV. Buch/ Cap. XXII.
Caput XXII.

Von Einkindschafften und ausserhalb Ehe
erzeugten Kinder Succession.

§. 1.

WJewohl in unsern Fürstenthumen/ Landen und Gebiethen sich
bißweilen zugetragen/ daß nach Absterben eines Ehegemahls
Kinder aus
erst und andern
Ehe Einkind-
schafft Recht.
das Letztlebende/ wann es zur andern Ehe geschritten/ mit seinem
zweyten Ehegemahl ein Pact oder Gedinge der Einkindschafft zu dem
Ende auffgerichtet/ daß die in erster Ehe allbereit erzeugte Kinder/ und
die ferner aus zweyter Ehe erzeuget werden möchten/ durchaus in al-
len beydes aus erst- und zweyter Ehe herrührenden väter- und mütter-
lichen Gütern/ ohne allen Unterscheid zugleich/ als ob sie gleiche Ge-
schwister von beyden Banden wären/ succediren und erben sollen/ solch
Pact auch bey obangeregter bösen Gewohnheit/ da das letztlebende
Ehegemahl alle bewegliche Güter vor denen ersten Kindern erblich hin-
genommen/ und in die zweyte Ehe gebracht hat/ wohl seinen besondern
Nutzen gehabt/ und hiermit denen durch solche Gewohnheit vernach-
theilten Kindern einiger massen wieder zur Gleichheit geholffen; jedoch
weilen dieselbe böse Gewohnheit nunmehr durch diese unsere Lands-
Ordnung cassirt/ und dagegen der Kinder erst und andern Ehe halber/
was sie von ihren Eltern zur Erbschafft zu gewarten haben sollen/ klar
und richtige Versehung geschehen ist; derowegen diß Pact der Einkind-
schafft nunmehro entweder überflüßig/ oder gegen die ersten oder an-
dere Kinder unbillig seyn würde/ aus welcher Ungleichheit/ Neid/ Ab-
gunst/ Verbitterung und allerhand Wiederwärtigkeit zwischen Ge-
schwistern zu befahren/ neben dem es auch nicht allein deren zuvor ab-
Einkindschaff-
ten Geding
Cassirungs
Ursachen.
gestorbenen Eltern Voto und Verlangen/ indem sie ihre Güter nie-
mand anders denn ihren eheleiblichen Kindern gönnen/ sondern auch
gemeinen Rechten zu wieder/ sintemahl hierdurch denen ersten Kindern
dasjenige/ so ihnen allbereits von ihren zuvor abgestorbenen Vaters
oder Mutter wegen erb- und eigenthümlich angefallen ist/ eines Theils
alieniret/ und andern/ die zu solchen Gütern allerdings frembd sind/ zuge-
wendet würde/ zudem auch dem zweyten Ehegemahl hierdurch so
wohl in dieser währenden Ehe/ als da es nach GOttes Schickung zur
dritt- oder vierdten Ehe schreiten würde/ die freye Willkühr vom Sei-
nigen zu testiren/ oder sonst zu disponiren fast benommen/ zu geschwei-
gen der Gefahr/ so diese Einkindschafften um zukünfftiger ungewissen

Fälle
IV. Buch/ Cap. XXII.
Caput XXII.

Von Einkindſchafften und auſſerhalb Ehe
erzeugten Kinder Succeſſion.

§. 1.

WJewohl in unſern Fuͤrſtenthumen/ Landen und Gebiethen ſich
bißweilen zugetragen/ daß nach Abſterben eines Ehegemahls
Kinder aus
erſt uñ andern
Ehe Einkind-
ſchafft Recht.
das Letztlebende/ wann es zur andern Ehe geſchritten/ mit ſeinem
zweyten Ehegemahl ein Pact oder Gedinge der Einkindſchafft zu dem
Ende auffgerichtet/ daß die in erſter Ehe allbereit erzeugte Kinder/ und
die ferner aus zweyter Ehe erzeuget werden moͤchten/ durchaus in al-
len beydes aus erſt- und zweyter Ehe herruͤhrenden vaͤter- und muͤtter-
lichen Guͤtern/ ohne allen Unterſcheid zugleich/ als ob ſie gleiche Ge-
ſchwiſter von beyden Banden waͤren/ ſuccediren und erben ſollen/ ſolch
Pact auch bey obangeregter boͤſen Gewohnheit/ da das letztlebende
Ehegemahl alle bewegliche Guͤter vor denen erſten Kindern erblich hin-
genommen/ und in die zweyte Ehe gebracht hat/ wohl ſeinen beſondern
Nutzen gehabt/ und hiermit denen durch ſolche Gewohnheit vernach-
theilten Kindern einiger maſſen wieder zur Gleichheit geholffen; jedoch
weilen dieſelbe boͤſe Gewohnheit nunmehr durch dieſe unſere Lands-
Ordnung caſſirt/ und dagegen der Kinder erſt und andern Ehe halber/
was ſie von ihren Eltern zur Erbſchafft zu gewarten haben ſollen/ klar
und richtige Verſehung geſchehen iſt; derowegen diß Pact der Einkind-
ſchafft nunmehro entweder uͤberfluͤßig/ oder gegen die erſten oder an-
dere Kinder unbillig ſeyn wuͤrde/ aus welcher Ungleichheit/ Neid/ Ab-
gunſt/ Verbitterung und allerhand Wiederwaͤrtigkeit zwiſchen Ge-
ſchwiſtern zu befahren/ neben dem es auch nicht allein deren zuvor ab-
Einkindſchaff-
ten Geding
Caſſirungs
Urſachen.
geſtorbenen Eltern Voto und Verlangen/ indem ſie ihre Guͤter nie-
mand anders denn ihren eheleiblichen Kindern goͤnnen/ ſondern auch
gemeinen Rechten zu wieder/ ſintemahl hierdurch denen erſten Kindern
dasjenige/ ſo ihnen allbereits von ihren zuvor abgeſtorbenen Vaters
oder Mutter wegen erb- und eigenthuͤmlich angefallen iſt/ eines Theils
alieniret/ und andern/ die zu ſolchen Guͤtern allerdings frembd ſind/ zuge-
wendet wuͤrde/ zudem auch dem zweyten Ehegemahl hierdurch ſo
wohl in dieſer waͤhrenden Ehe/ als da es nach GOttes Schickung zur
dritt- oder vierdten Ehe ſchreiten wuͤrde/ die freye Willkuͤhr vom Sei-
nigen zu teſtiren/ oder ſonſt zu diſponiren faſt benommen/ zu geſchwei-
gen der Gefahr/ ſo dieſe Einkindſchafften um zukuͤnfftiger ungewiſſen

Faͤlle
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[476/0483] IV. Buch/ Cap. XXII. Caput XXII. Von Einkindſchafften und auſſerhalb Ehe erzeugten Kinder Succeſſion. §. 1. WJewohl in unſern Fuͤrſtenthumen/ Landen und Gebiethen ſich bißweilen zugetragen/ daß nach Abſterben eines Ehegemahls das Letztlebende/ wann es zur andern Ehe geſchritten/ mit ſeinem zweyten Ehegemahl ein Pact oder Gedinge der Einkindſchafft zu dem Ende auffgerichtet/ daß die in erſter Ehe allbereit erzeugte Kinder/ und die ferner aus zweyter Ehe erzeuget werden moͤchten/ durchaus in al- len beydes aus erſt- und zweyter Ehe herruͤhrenden vaͤter- und muͤtter- lichen Guͤtern/ ohne allen Unterſcheid zugleich/ als ob ſie gleiche Ge- ſchwiſter von beyden Banden waͤren/ ſuccediren und erben ſollen/ ſolch Pact auch bey obangeregter boͤſen Gewohnheit/ da das letztlebende Ehegemahl alle bewegliche Guͤter vor denen erſten Kindern erblich hin- genommen/ und in die zweyte Ehe gebracht hat/ wohl ſeinen beſondern Nutzen gehabt/ und hiermit denen durch ſolche Gewohnheit vernach- theilten Kindern einiger maſſen wieder zur Gleichheit geholffen; jedoch weilen dieſelbe boͤſe Gewohnheit nunmehr durch dieſe unſere Lands- Ordnung caſſirt/ und dagegen der Kinder erſt und andern Ehe halber/ was ſie von ihren Eltern zur Erbſchafft zu gewarten haben ſollen/ klar und richtige Verſehung geſchehen iſt; derowegen diß Pact der Einkind- ſchafft nunmehro entweder uͤberfluͤßig/ oder gegen die erſten oder an- dere Kinder unbillig ſeyn wuͤrde/ aus welcher Ungleichheit/ Neid/ Ab- gunſt/ Verbitterung und allerhand Wiederwaͤrtigkeit zwiſchen Ge- ſchwiſtern zu befahren/ neben dem es auch nicht allein deren zuvor ab- geſtorbenen Eltern Voto und Verlangen/ indem ſie ihre Guͤter nie- mand anders denn ihren eheleiblichen Kindern goͤnnen/ ſondern auch gemeinen Rechten zu wieder/ ſintemahl hierdurch denen erſten Kindern dasjenige/ ſo ihnen allbereits von ihren zuvor abgeſtorbenen Vaters oder Mutter wegen erb- und eigenthuͤmlich angefallen iſt/ eines Theils alieniret/ und andern/ die zu ſolchen Guͤtern allerdings frembd ſind/ zuge- wendet wuͤrde/ zudem auch dem zweyten Ehegemahl hierdurch ſo wohl in dieſer waͤhrenden Ehe/ als da es nach GOttes Schickung zur dritt- oder vierdten Ehe ſchreiten wuͤrde/ die freye Willkuͤhr vom Sei- nigen zu teſtiren/ oder ſonſt zu diſponiren faſt benommen/ zu geſchwei- gen der Gefahr/ ſo dieſe Einkindſchafften um zukuͤnfftiger ungewiſſen Faͤlle Kinder aus erſt uñ andern Ehe Einkind- ſchafft Recht. Einkindſchaff- ten Geding Caſſirungs Urſachen.

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Zitationshilfe: Geise, Heinrich Anton: Teutsches Corpus Juris. Hannover, 1703, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geise_corpus_1703/483>, abgerufen am 25.04.2024.