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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 36. Die Staatsdiener.
b) Inhalt und rechtliche Natur des Staatsdienstverhältnisses.
§. 36.

Wer in das Verhältniss eines Staatsdieners eintritt,
widmet seine ganze Kraft der Arbeit für den Staat und
erklärt diese für den Beruf seines Lebens. Er über-
nimmt nicht die Verpflichtung zu einer Summe einzelner
Leistungen, sondern unterstellt für Zwecke des Amts
seine ganze Persönlichkeit der Verfügung des Staats-
oberhaupts und seiner berufenen Vertreter. Daher ist
seine Rechtsstellung nicht die eines vertragsmässig Obli-
girten, sondern eines solchen, der in einem organischen
Pflichtverbande unter dem Gewaltrechte eines obersten
Dienstherrn steht.1

1 Der Inhalt des Staatsdienstverhältnisses ist also kein solcher,
welcher dem Bereiche des Obligationenrechts angehört, sondern
schliesst sich an jene Classe organischer Rechtsverhältnisse an, von
denen das Privatrecht in dem Familienrechte (Rechte an Personen)
ein hervorragendes Beispiel hat, und unter welche oben (siehe bes.
§. 16. Note 2.) schon das Unterthanenverhältniss überhaupt gestellt
wurde. Dass aber das Recht des Staats am Staatsbürger trotz
der Gemeinschaft des Gattungsbegriffs nicht ein und dasselbe sei
mit dem Gewaltrechte des Monarchen am Staatsdiener, dass dieses
insbesondere nicht etwa nur als eine Steigerung des ersteren an-
gesehen werden dürfe, ist von denen verkannt worden, welche die
Leistung des Staatsdienstes nur als eine besondere Art der Er-
füllung der staatsbürgerlichen Pflichten haben auffassen wollen.
Es sollte kaum als nothwendig erscheinen, die Verschiedenheit der
Stellung des Staatsbürgers, von dem der Staat (abgesehen von der
Militärpflicht und dem Geschwornendienste) in der Regel gar keine
active Thätigkeit für Staatszwecke in Anspruch nimmt, zu der
Stellung des Staatsdieners hervorzuheben, der in einen seine ganze
geistige Kraft erschöpfenden Arbeitskreis eintritt und sich einer
Reihe von Pflichten und Beschränkungen unterwirft, wie sie nur
ein persönliches Abhängigkeitsverhältniss mit sich bringt. Ein
in mancher Beziehung analoges Verhältniss war die persönliche
Verbindung des Lehnsherrn und Vasallen.
§. 36. Die Staatsdiener.
b) Inhalt und rechtliche Natur des Staatsdienstverhältnisses.
§. 36.

Wer in das Verhältniss eines Staatsdieners eintritt,
widmet seine ganze Kraft der Arbeit für den Staat und
erklärt diese für den Beruf seines Lebens. Er über-
nimmt nicht die Verpflichtung zu einer Summe einzelner
Leistungen, sondern unterstellt für Zwecke des Amts
seine ganze Persönlichkeit der Verfügung des Staats-
oberhaupts und seiner berufenen Vertreter. Daher ist
seine Rechtsstellung nicht die eines vertragsmässig Obli-
girten, sondern eines solchen, der in einem organischen
Pflichtverbande unter dem Gewaltrechte eines obersten
Dienstherrn steht.1

1 Der Inhalt des Staatsdienstverhältnisses ist also kein solcher,
welcher dem Bereiche des Obligationenrechts angehört, sondern
schliesst sich an jene Classe organischer Rechtsverhältnisse an, von
denen das Privatrecht in dem Familienrechte (Rechte an Personen)
ein hervorragendes Beispiel hat, und unter welche oben (siehe bes.
§. 16. Note 2.) schon das Unterthanenverhältniss überhaupt gestellt
wurde. Dass aber das Recht des Staats am Staatsbürger trotz
der Gemeinschaft des Gattungsbegriffs nicht ein und dasselbe sei
mit dem Gewaltrechte des Monarchen am Staatsdiener, dass dieses
insbesondere nicht etwa nur als eine Steigerung des ersteren an-
gesehen werden dürfe, ist von denen verkannt worden, welche die
Leistung des Staatsdienstes nur als eine besondere Art der Er-
füllung der staatsbürgerlichen Pflichten haben auffassen wollen.
Es sollte kaum als nothwendig erscheinen, die Verschiedenheit der
Stellung des Staatsbürgers, von dem der Staat (abgesehen von der
Militärpflicht und dem Geschwornendienste) in der Regel gar keine
active Thätigkeit für Staatszwecke in Anspruch nimmt, zu der
Stellung des Staatsdieners hervorzuheben, der in einen seine ganze
geistige Kraft erschöpfenden Arbeitskreis eintritt und sich einer
Reihe von Pflichten und Beschränkungen unterwirft, wie sie nur
ein persönliches Abhängigkeitsverhältniss mit sich bringt. Ein
in mancher Beziehung analoges Verhältniss war die persönliche
Verbindung des Lehnsherrn und Vasallen.
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[109/0127] §. 36. Die Staatsdiener. b) Inhalt und rechtliche Natur des Staatsdienstverhältnisses. §. 36. Wer in das Verhältniss eines Staatsdieners eintritt, widmet seine ganze Kraft der Arbeit für den Staat und erklärt diese für den Beruf seines Lebens. Er über- nimmt nicht die Verpflichtung zu einer Summe einzelner Leistungen, sondern unterstellt für Zwecke des Amts seine ganze Persönlichkeit der Verfügung des Staats- oberhaupts und seiner berufenen Vertreter. Daher ist seine Rechtsstellung nicht die eines vertragsmässig Obli- girten, sondern eines solchen, der in einem organischen Pflichtverbande unter dem Gewaltrechte eines obersten Dienstherrn steht. 1 1 Der Inhalt des Staatsdienstverhältnisses ist also kein solcher, welcher dem Bereiche des Obligationenrechts angehört, sondern schliesst sich an jene Classe organischer Rechtsverhältnisse an, von denen das Privatrecht in dem Familienrechte (Rechte an Personen) ein hervorragendes Beispiel hat, und unter welche oben (siehe bes. §. 16. Note 2.) schon das Unterthanenverhältniss überhaupt gestellt wurde. Dass aber das Recht des Staats am Staatsbürger trotz der Gemeinschaft des Gattungsbegriffs nicht ein und dasselbe sei mit dem Gewaltrechte des Monarchen am Staatsdiener, dass dieses insbesondere nicht etwa nur als eine Steigerung des ersteren an- gesehen werden dürfe, ist von denen verkannt worden, welche die Leistung des Staatsdienstes nur als eine besondere Art der Er- füllung der staatsbürgerlichen Pflichten haben auffassen wollen. Es sollte kaum als nothwendig erscheinen, die Verschiedenheit der Stellung des Staatsbürgers, von dem der Staat (abgesehen von der Militärpflicht und dem Geschwornendienste) in der Regel gar keine active Thätigkeit für Staatszwecke in Anspruch nimmt, zu der Stellung des Staatsdieners hervorzuheben, der in einen seine ganze geistige Kraft erschöpfenden Arbeitskreis eintritt und sich einer Reihe von Pflichten und Beschränkungen unterwirft, wie sie nur ein persönliches Abhängigkeitsverhältniss mit sich bringt. Ein in mancher Beziehung analoges Verhältniss war die persönliche Verbindung des Lehnsherrn und Vasallen.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/127>, abgerufen am 23.04.2024.