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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 40. Die Landstände.
mung des Staatswillens zur Geltung zu bringen; daher
verhandeln sie mit dem Monarchen nicht als individuell
Berechtigte, nicht in Vollmacht einzelner Personen, Ge-
meinden, Bezirke, sondern als Vertreter aller Interessen
des Volks nach Massgabe der verfassungsmässigen
Autorisation; 9 daher wollen sie nichts weniger als eine
Beschränkung der Staatsgewalt selbst, sondern nur eine
Mitwirkung bei deren Vertretung durch die Person des
Monarchen.

2. Inhalt des Rechts der Landstände.
§. 40.

Nach der Bestimmung der Verfassungsurkunden ist
der Wirkungskreis der Landstände im Allgemeinen
folgender. Sie haben ein Recht der Mitwirkung bei
der Gesetzgebung, und zwar so, dass ein Gesetz ohne
ihre Zustimmung nicht entstehen kann; sie haben ein
Recht der Mitwirkung zur Feststellung des Staatshaus-
halts, insbesondere bedarf die Auflegung von Steuern
ihrer Zustimmung; zur Begründung von Staatsschulden,
zur Veräusserung von Staatsgütern ist ihre Geneh-
migung erforderlich; ausserdem haben sie ein allgemei-
nes Beschwerde-, Antrags- und Petitionsrecht, welches

9 Vertreter des gesammten Volks in allen seinen Interessen
sind nicht etwa nur die gewählten Abgeordneten, sondern auch
die kraft ihres Amts oder kraft erblicher Berechtigung der Stände-
versammlung Angehörenden. Die entgegengesetzte Ansicht geht
wohl so weit, dass sie auch von den Wahlabgeordneten nur die
vom allgemeinen Volke und nicht die von engeren Kreisen und
Corporationen Gewählten zu den wahrhaft constitutionellen Stän-
den rechnet. Ein schwerer und nach verschiedenen Rücksichten
beklagenswerther Irrthum!

§. 40. Die Landstände.
mung des Staatswillens zur Geltung zu bringen; daher
verhandeln sie mit dem Monarchen nicht als individuell
Berechtigte, nicht in Vollmacht einzelner Personen, Ge-
meinden, Bezirke, sondern als Vertreter aller Interessen
des Volks nach Massgabe der verfassungsmässigen
Autorisation; 9 daher wollen sie nichts weniger als eine
Beschränkung der Staatsgewalt selbst, sondern nur eine
Mitwirkung bei deren Vertretung durch die Person des
Monarchen.

2. Inhalt des Rechts der Landstände.
§. 40.

Nach der Bestimmung der Verfassungsurkunden ist
der Wirkungskreis der Landstände im Allgemeinen
folgender. Sie haben ein Recht der Mitwirkung bei
der Gesetzgebung, und zwar so, dass ein Gesetz ohne
ihre Zustimmung nicht entstehen kann; sie haben ein
Recht der Mitwirkung zur Feststellung des Staatshaus-
halts, insbesondere bedarf die Auflegung von Steuern
ihrer Zustimmung; zur Begründung von Staatsschulden,
zur Veräusserung von Staatsgütern ist ihre Geneh-
migung erforderlich; ausserdem haben sie ein allgemei-
nes Beschwerde-, Antrags- und Petitionsrecht, welches

9 Vertreter des gesammten Volks in allen seinen Interessen
sind nicht etwa nur die gewählten Abgeordneten, sondern auch
die kraft ihres Amts oder kraft erblicher Berechtigung der Stände-
versammlung Angehörenden. Die entgegengesetzte Ansicht geht
wohl so weit, dass sie auch von den Wahlabgeordneten nur die
vom allgemeinen Volke und nicht die von engeren Kreisen und
Corporationen Gewählten zu den wahrhaft constitutionellen Stän-
den rechnet. Ein schwerer und nach verschiedenen Rücksichten
beklagenswerther Irrthum!
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[123/0141] §. 40. Die Landstände. mung des Staatswillens zur Geltung zu bringen; daher verhandeln sie mit dem Monarchen nicht als individuell Berechtigte, nicht in Vollmacht einzelner Personen, Ge- meinden, Bezirke, sondern als Vertreter aller Interessen des Volks nach Massgabe der verfassungsmässigen Autorisation; 9 daher wollen sie nichts weniger als eine Beschränkung der Staatsgewalt selbst, sondern nur eine Mitwirkung bei deren Vertretung durch die Person des Monarchen. 2. Inhalt des Rechts der Landstände. §. 40. Nach der Bestimmung der Verfassungsurkunden ist der Wirkungskreis der Landstände im Allgemeinen folgender. Sie haben ein Recht der Mitwirkung bei der Gesetzgebung, und zwar so, dass ein Gesetz ohne ihre Zustimmung nicht entstehen kann; sie haben ein Recht der Mitwirkung zur Feststellung des Staatshaus- halts, insbesondere bedarf die Auflegung von Steuern ihrer Zustimmung; zur Begründung von Staatsschulden, zur Veräusserung von Staatsgütern ist ihre Geneh- migung erforderlich; ausserdem haben sie ein allgemei- nes Beschwerde-, Antrags- und Petitionsrecht, welches 9 Vertreter des gesammten Volks in allen seinen Interessen sind nicht etwa nur die gewählten Abgeordneten, sondern auch die kraft ihres Amts oder kraft erblicher Berechtigung der Stände- versammlung Angehörenden. Die entgegengesetzte Ansicht geht wohl so weit, dass sie auch von den Wahlabgeordneten nur die vom allgemeinen Volke und nicht die von engeren Kreisen und Corporationen Gewählten zu den wahrhaft constitutionellen Stän- den rechnet. Ein schwerer und nach verschiedenen Rücksichten beklagenswerther Irrthum!

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/141>, abgerufen am 29.03.2024.