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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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Vierter Abschnitt.
1. Der Rechtsschutz des Grundgesetzes durch das Institut
der Ministeranklage.1
§. 58.

Eine der grössten Garantieen für die unverrückte
Aufrechterhaltung des Grundgesetzes liegt in dem Rechts-
satze, dass keine Verfügung des Monarchen in Regie-
rungsangelegenheiten zur staatsrechtlichen Wirksamkeit
gelangt, wenn sie nicht mit der Contrasignatur des
verantwortlichen Ministers versehen ist. Dadurch wird
bewirkt, dass das verfassungsmässige Handeln nicht
bloss ein abstractes Gebot bleibt, sondern in dem Kreise
derer, welche zur unmittelbaren Beihülfe des Monarchen
in der Ausübung der Regierung berufen sind, immer
auch zur Frage einer persönlichen Verantwortlichkeit
wird. Der Minister ist wegen jeder Verletzung der
Verfassung verantwortlich, welche unter seiner Mit-
wirkung stattgefunden hat. Damit diese Verantwortung
eintrete, ist nicht nothwendig, dass durch die Verfügung

1 (Buddeus) die Ministerverantwortlichkeit in constitutio-
nellen Staaten 1833. Mohl, die Verantwortlichkeit der Minister
in Einherrschaften mit Volksvertretung 1837. Die richtigste Auf-
fassung dieser Lehre finde ich bei Zöpfl, Staatsrecht §. 402 flg. --
Preussische Verfassungsurkunde Art. 61. Bayerische Verfassungs-
urkunde Tit. X. §. 4--6. Bayerisches Gesetz über den Staats-
gerichtshof und das Verfahren, vom 30. März 1850. Badische
Verfassungsurkunde §. 67. (Gesetz vom 5. October 1820). Würt-
tembergische Verfassungsurkunde §. 195 flg. Grossherzoglich
Hessische Verfassungsurkunde §. 109. (Gesetz über die Verant-
wortlichkeit der Minister u. s. w. vom 15. Juli 1821 und 8. Januar
1824). Kurhessische Verfassungsurkunde §. 100. Königlich Säch-
sische Verfassungsurkunde §. 140 flg. (Gesetz über das Verfahren
beim Staatsgerichtshofe vom 3. Februar 1838). Hannoverisches
Gesetz vom 5. September 1848 §. 102. u. s. w.
Vierter Abschnitt.
1. Der Rechtsschutz des Grundgesetzes durch das Institut
der Ministeranklage.1
§. 58.

Eine der grössten Garantieen für die unverrückte
Aufrechterhaltung des Grundgesetzes liegt in dem Rechts-
satze, dass keine Verfügung des Monarchen in Regie-
rungsangelegenheiten zur staatsrechtlichen Wirksamkeit
gelangt, wenn sie nicht mit der Contrasignatur des
verantwortlichen Ministers versehen ist. Dadurch wird
bewirkt, dass das verfassungsmässige Handeln nicht
bloss ein abstractes Gebot bleibt, sondern in dem Kreise
derer, welche zur unmittelbaren Beihülfe des Monarchen
in der Ausübung der Regierung berufen sind, immer
auch zur Frage einer persönlichen Verantwortlichkeit
wird. Der Minister ist wegen jeder Verletzung der
Verfassung verantwortlich, welche unter seiner Mit-
wirkung stattgefunden hat. Damit diese Verantwortung
eintrete, ist nicht nothwendig, dass durch die Verfügung

1 (Buddeus) die Ministerverantwortlichkeit in constitutio-
nellen Staaten 1833. Mohl, die Verantwortlichkeit der Minister
in Einherrschaften mit Volksvertretung 1837. Die richtigste Auf-
fassung dieser Lehre finde ich bei Zöpfl, Staatsrecht §. 402 flg. —
Preussische Verfassungsurkunde Art. 61. Bayerische Verfassungs-
urkunde Tit. X. §. 4—6. Bayerisches Gesetz über den Staats-
gerichtshof und das Verfahren, vom 30. März 1850. Badische
Verfassungsurkunde §. 67. (Gesetz vom 5. October 1820). Würt-
tembergische Verfassungsurkunde §. 195 flg. Grossherzoglich
Hessische Verfassungsurkunde §. 109. (Gesetz über die Verant-
wortlichkeit der Minister u. s. w. vom 15. Juli 1821 und 8. Januar
1824). Kurhessische Verfassungsurkunde §. 100. Königlich Säch-
sische Verfassungsurkunde §. 140 flg. (Gesetz über das Verfahren
beim Staatsgerichtshofe vom 3. Februar 1838). Hannoverisches
Gesetz vom 5. September 1848 §. 102. u. s. w.
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[184/0202] Vierter Abschnitt. 1. Der Rechtsschutz des Grundgesetzes durch das Institut der Ministeranklage. 1 §. 58. Eine der grössten Garantieen für die unverrückte Aufrechterhaltung des Grundgesetzes liegt in dem Rechts- satze, dass keine Verfügung des Monarchen in Regie- rungsangelegenheiten zur staatsrechtlichen Wirksamkeit gelangt, wenn sie nicht mit der Contrasignatur des verantwortlichen Ministers versehen ist. Dadurch wird bewirkt, dass das verfassungsmässige Handeln nicht bloss ein abstractes Gebot bleibt, sondern in dem Kreise derer, welche zur unmittelbaren Beihülfe des Monarchen in der Ausübung der Regierung berufen sind, immer auch zur Frage einer persönlichen Verantwortlichkeit wird. Der Minister ist wegen jeder Verletzung der Verfassung verantwortlich, welche unter seiner Mit- wirkung stattgefunden hat. Damit diese Verantwortung eintrete, ist nicht nothwendig, dass durch die Verfügung 1 (Buddeus) die Ministerverantwortlichkeit in constitutio- nellen Staaten 1833. Mohl, die Verantwortlichkeit der Minister in Einherrschaften mit Volksvertretung 1837. Die richtigste Auf- fassung dieser Lehre finde ich bei Zöpfl, Staatsrecht §. 402 flg. — Preussische Verfassungsurkunde Art. 61. Bayerische Verfassungs- urkunde Tit. X. §. 4—6. Bayerisches Gesetz über den Staats- gerichtshof und das Verfahren, vom 30. März 1850. Badische Verfassungsurkunde §. 67. (Gesetz vom 5. October 1820). Würt- tembergische Verfassungsurkunde §. 195 flg. Grossherzoglich Hessische Verfassungsurkunde §. 109. (Gesetz über die Verant- wortlichkeit der Minister u. s. w. vom 15. Juli 1821 und 8. Januar 1824). Kurhessische Verfassungsurkunde §. 100. Königlich Säch- sische Verfassungsurkunde §. 140 flg. (Gesetz über das Verfahren beim Staatsgerichtshofe vom 3. Februar 1838). Hannoverisches Gesetz vom 5. September 1848 §. 102. u. s. w.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/202>, abgerufen am 28.03.2024.