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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 62. Rechtsschutz der Staatsbürger.
4. Allgemeiner Rechtsschutz der Staatsbürger gegen
die Staatsgewalt.
§. 62.

Eine Verletzung Einzelner durch Acte der Staats-
gewalt kann in sehr verschiedener Weise stattfinden.
Es ist 1) möglich, dass Jemand durch einen Act der
Gesetzgebung verletzt wird.1 Aber selbst wenn es
sich dabei nicht um eine blosse Beeinträchtigung von
Interessen, sondern um eine wirkliche Vernichtung er-
worbener Rechte handelt, steht dem Verletzten kein
Rechtsmittel gegen die Staatsgewalt zu, welche, wenn
sie als Ausdruck des allgemeinen Willens gesetzgebend
wirkt, immer definitiv und absolut entscheidend ist.
Auch eine Entschädigungsforderung für das entzogene
Recht gebührt dem Verletzten nur insoweit, als die
Gesetzgebung eine solche ausdrücklich gewährt.2 Eine
Verletzung kann 2) durch die Verwaltung bewirkt
werden. Auch hier kann es sich um eine Verletzung von
Interessen und von Rechten handeln. Die verletzende
Verwaltungshandlung kann anfechtbar erscheinen, weil
sie im Widerspruche mit der Verfassung, mit einem
sonstigen Rechtssatze, oder mit den aus der Natur der
Sache hervorgehenden Grundsätzen einer richtigen Ver-
waltung steht. In diesem Falle steht dem Verletzten
als eigenthümliches Rechtsmittel die Beschwerde zu.
Mit dieser wendet er sich an die zunächst vorgesetzte

1 Der Verletzung durch die Gesetzgebung steht die Verletzung
durch den Inhalt von Staatsverträgen gleich, da ihre staats-
rechtliche Wirksamkeit ganz dieselbe wie die der Gesetze ist.
2 Stahl a. a. O. S. 629 flg.
§. 62. Rechtsschutz der Staatsbürger.
4. Allgemeiner Rechtsschutz der Staatsbürger gegen
die Staatsgewalt.
§. 62.

Eine Verletzung Einzelner durch Acte der Staats-
gewalt kann in sehr verschiedener Weise stattfinden.
Es ist 1) möglich, dass Jemand durch einen Act der
Gesetzgebung verletzt wird.1 Aber selbst wenn es
sich dabei nicht um eine blosse Beeinträchtigung von
Interessen, sondern um eine wirkliche Vernichtung er-
worbener Rechte handelt, steht dem Verletzten kein
Rechtsmittel gegen die Staatsgewalt zu, welche, wenn
sie als Ausdruck des allgemeinen Willens gesetzgebend
wirkt, immer definitiv und absolut entscheidend ist.
Auch eine Entschädigungsforderung für das entzogene
Recht gebührt dem Verletzten nur insoweit, als die
Gesetzgebung eine solche ausdrücklich gewährt.2 Eine
Verletzung kann 2) durch die Verwaltung bewirkt
werden. Auch hier kann es sich um eine Verletzung von
Interessen und von Rechten handeln. Die verletzende
Verwaltungshandlung kann anfechtbar erscheinen, weil
sie im Widerspruche mit der Verfassung, mit einem
sonstigen Rechtssatze, oder mit den aus der Natur der
Sache hervorgehenden Grundsätzen einer richtigen Ver-
waltung steht. In diesem Falle steht dem Verletzten
als eigenthümliches Rechtsmittel die Beschwerde zu.
Mit dieser wendet er sich an die zunächst vorgesetzte

1 Der Verletzung durch die Gesetzgebung steht die Verletzung
durch den Inhalt von Staatsverträgen gleich, da ihre staats-
rechtliche Wirksamkeit ganz dieselbe wie die der Gesetze ist.
2 Stahl a. a. O. S. 629 flg.
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[197/0215] §. 62. Rechtsschutz der Staatsbürger. 4. Allgemeiner Rechtsschutz der Staatsbürger gegen die Staatsgewalt. §. 62. Eine Verletzung Einzelner durch Acte der Staats- gewalt kann in sehr verschiedener Weise stattfinden. Es ist 1) möglich, dass Jemand durch einen Act der Gesetzgebung verletzt wird. 1 Aber selbst wenn es sich dabei nicht um eine blosse Beeinträchtigung von Interessen, sondern um eine wirkliche Vernichtung er- worbener Rechte handelt, steht dem Verletzten kein Rechtsmittel gegen die Staatsgewalt zu, welche, wenn sie als Ausdruck des allgemeinen Willens gesetzgebend wirkt, immer definitiv und absolut entscheidend ist. Auch eine Entschädigungsforderung für das entzogene Recht gebührt dem Verletzten nur insoweit, als die Gesetzgebung eine solche ausdrücklich gewährt. 2 Eine Verletzung kann 2) durch die Verwaltung bewirkt werden. Auch hier kann es sich um eine Verletzung von Interessen und von Rechten handeln. Die verletzende Verwaltungshandlung kann anfechtbar erscheinen, weil sie im Widerspruche mit der Verfassung, mit einem sonstigen Rechtssatze, oder mit den aus der Natur der Sache hervorgehenden Grundsätzen einer richtigen Ver- waltung steht. In diesem Falle steht dem Verletzten als eigenthümliches Rechtsmittel die Beschwerde zu. Mit dieser wendet er sich an die zunächst vorgesetzte 1 Der Verletzung durch die Gesetzgebung steht die Verletzung durch den Inhalt von Staatsverträgen gleich, da ihre staats- rechtliche Wirksamkeit ganz dieselbe wie die der Gesetze ist. 2 Stahl a. a. O. S. 629 flg.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/215>, abgerufen am 24.04.2024.