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Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

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Der Untergang der "Maine".
nämlich ihre Kraft zum Durchschlagen der Schiffswand nicht
ausreichte.

Die Mine aber, welche die Kraft hatte, den Kiel bei Spant 18
bis dicht unter die Wasseroberfläche zu treiben, muß eine gewaltige
Kraft
gehabt haben und muß einen sehr langsam brennenden
Sprengstoff
enthalten haben, denn im anderen Falle zertrümmert
sie die ihr entgegenstehenden Hindernisse und erzeugt keine so auf-
fallende Beule.

Konnte nun ein langsam brennender Sprengstoff die Zeit finden,
mit seinem Feuerstrahl bis in die Munitionskammer durchzudringen?
Konnte er gewissermaßen sein Feuer so lange halten, bis ein Loch
dafür, also gewissermaßen ein Zündloch, entstanden war?

Ein Loch aber entsteht doch erst beim Weiterentwickeln der Beule
und ist nicht unbedingt nothwendige Initialerscheinung derselben.

Sei dem, wie ihm wolle, man thut jedenfalls gut, nach einer
einfacheren Erklärung zu suchen.

Die sonstigen Gründe, welche gegen die Annahme sprechen, daß
eine Mine die Ursache des Unterganges des Schiffes gewesen sei,
werden schon im Gutachten der spanischen Kommission genannt und
haben bereits früher unter II. Erwähnung gefunden; es muß trotzdem
an dieser Stelle noch gesagt werden, daß die verschiedensten Zeugen-
aussagen der Annahme einer Mine direkt entgegenstehen, und daß die
Aussagen mancher Zeugen direkte Widersprüche in sich enthalten. So
sagt ein Zeuge, es wäre eine sehr schwere Mine gewesen, behauptet
dann aber, daß das Schiff sich nicht gehoben habe; der Sachverständige
sagt aber, daß eine schwere Mine eine Bewegung des Schiffes wie im
Seegang erzeugt haben würde. Ein weiterer Zeuge sagt direkt aus,
der erste Vorgang wäre keine Explosion gewesen; wiederholt sei daher
auf das unter II. beschriebene Bild der Explosion hingewiesen.

Nun wird von der amerikanischen Kommission selbst die Explosion
der Munitionsräume zugegeben. Das Feuer der Mine, wenn eine
solche vorhanden war, mußte also bis in die Munitionsräume, speziell
die vorderste Sechszöller-Munition, dringen. Gleichzeitig mußten
hier einige Granatpatronen vom Feuer vollständig umspült werden,
und nun mußte die Explosion sich weiter fortpflanzen. Es kann sein,
daß dem so war; es ist dies aber eine schwer zu begründende
Annahme.

Der Untergang der „Maine“.
nämlich ihre Kraft zum Durchſchlagen der Schiffswand nicht
ausreichte.

Die Mine aber, welche die Kraft hatte, den Kiel bei Spant 18
bis dicht unter die Waſſeroberfläche zu treiben, muß eine gewaltige
Kraft
gehabt haben und muß einen ſehr langſam brennenden
Sprengſtoff
enthalten haben, denn im anderen Falle zertrümmert
ſie die ihr entgegenſtehenden Hinderniſſe und erzeugt keine ſo auf-
fallende Beule.

Konnte nun ein langſam brennender Sprengſtoff die Zeit finden,
mit ſeinem Feuerſtrahl bis in die Munitionskammer durchzudringen?
Konnte er gewiſſermaßen ſein Feuer ſo lange halten, bis ein Loch
dafür, alſo gewiſſermaßen ein Zündloch, entſtanden war?

Ein Loch aber entſteht doch erſt beim Weiterentwickeln der Beule
und iſt nicht unbedingt nothwendige Initialerſcheinung derſelben.

Sei dem, wie ihm wolle, man thut jedenfalls gut, nach einer
einfacheren Erklärung zu ſuchen.

Die ſonſtigen Gründe, welche gegen die Annahme ſprechen, daß
eine Mine die Urſache des Unterganges des Schiffes geweſen ſei,
werden ſchon im Gutachten der ſpaniſchen Kommiſſion genannt und
haben bereits früher unter II. Erwähnung gefunden; es muß trotzdem
an dieſer Stelle noch geſagt werden, daß die verſchiedenſten Zeugen-
ausſagen der Annahme einer Mine direkt entgegenſtehen, und daß die
Ausſagen mancher Zeugen direkte Widerſprüche in ſich enthalten. So
ſagt ein Zeuge, es wäre eine ſehr ſchwere Mine geweſen, behauptet
dann aber, daß das Schiff ſich nicht gehoben habe; der Sachverſtändige
ſagt aber, daß eine ſchwere Mine eine Bewegung des Schiffes wie im
Seegang erzeugt haben würde. Ein weiterer Zeuge ſagt direkt aus,
der erſte Vorgang wäre keine Exploſion geweſen; wiederholt ſei daher
auf das unter II. beſchriebene Bild der Exploſion hingewieſen.

Nun wird von der amerikaniſchen Kommiſſion ſelbſt die Exploſion
der Munitionsräume zugegeben. Das Feuer der Mine, wenn eine
ſolche vorhanden war, mußte alſo bis in die Munitionsräume, ſpeziell
die vorderſte Sechszöller-Munition, dringen. Gleichzeitig mußten
hier einige Granatpatronen vom Feuer vollſtändig umſpült werden,
und nun mußte die Exploſion ſich weiter fortpflanzen. Es kann ſein,
daß dem ſo war; es iſt dies aber eine ſchwer zu begründende
Annahme.

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[105/0129] Der Untergang der „Maine“. nämlich ihre Kraft zum Durchſchlagen der Schiffswand nicht ausreichte. Die Mine aber, welche die Kraft hatte, den Kiel bei Spant 18 bis dicht unter die Waſſeroberfläche zu treiben, muß eine gewaltige Kraft gehabt haben und muß einen ſehr langſam brennenden Sprengſtoff enthalten haben, denn im anderen Falle zertrümmert ſie die ihr entgegenſtehenden Hinderniſſe und erzeugt keine ſo auf- fallende Beule. Konnte nun ein langſam brennender Sprengſtoff die Zeit finden, mit ſeinem Feuerſtrahl bis in die Munitionskammer durchzudringen? Konnte er gewiſſermaßen ſein Feuer ſo lange halten, bis ein Loch dafür, alſo gewiſſermaßen ein Zündloch, entſtanden war? Ein Loch aber entſteht doch erſt beim Weiterentwickeln der Beule und iſt nicht unbedingt nothwendige Initialerſcheinung derſelben. Sei dem, wie ihm wolle, man thut jedenfalls gut, nach einer einfacheren Erklärung zu ſuchen. Die ſonſtigen Gründe, welche gegen die Annahme ſprechen, daß eine Mine die Urſache des Unterganges des Schiffes geweſen ſei, werden ſchon im Gutachten der ſpaniſchen Kommiſſion genannt und haben bereits früher unter II. Erwähnung gefunden; es muß trotzdem an dieſer Stelle noch geſagt werden, daß die verſchiedenſten Zeugen- ausſagen der Annahme einer Mine direkt entgegenſtehen, und daß die Ausſagen mancher Zeugen direkte Widerſprüche in ſich enthalten. So ſagt ein Zeuge, es wäre eine ſehr ſchwere Mine geweſen, behauptet dann aber, daß das Schiff ſich nicht gehoben habe; der Sachverſtändige ſagt aber, daß eine ſchwere Mine eine Bewegung des Schiffes wie im Seegang erzeugt haben würde. Ein weiterer Zeuge ſagt direkt aus, der erſte Vorgang wäre keine Exploſion geweſen; wiederholt ſei daher auf das unter II. beſchriebene Bild der Exploſion hingewieſen. Nun wird von der amerikaniſchen Kommiſſion ſelbſt die Exploſion der Munitionsräume zugegeben. Das Feuer der Mine, wenn eine ſolche vorhanden war, mußte alſo bis in die Munitionsräume, ſpeziell die vorderſte Sechszöller-Munition, dringen. Gleichzeitig mußten hier einige Granatpatronen vom Feuer vollſtändig umſpült werden, und nun mußte die Exploſion ſich weiter fortpflanzen. Es kann ſein, daß dem ſo war; es iſt dies aber eine ſchwer zu begründende Annahme.

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Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/129>, abgerufen am 29.03.2024.