Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Untergang der "Maine".

Es äußert sich thatsächlich jede Explosion auf zweierlei Weise.

Vielleicht geht man nicht zu weit, wenn man das Vorhandensein
dieser Doppelerscheinungen für jedes plötzliche und heftige Aendern
der jeweiligen Bewegung aller Massen behauptet.

Aus dem Leben mag hier eine Beobachtung angeführt sein. Wird
z. B. in einer stillen Nacht, wenn andere Geräusche nicht stören, in
der Ferne mit schweren Geschützen geschossen, so hört man zuerst ein
leises Klirren der Fenster und dann erst den Schall des Schusses.

Wenn man schwere Gegenstände fallen sieht, so merkt man zuerst
ein Zittern des Erdbodens und hört dann erst den Schlag.

Alle Vergleiche hinken mehr oder minder.

Wer aber schon eine kräftige Explosion zu beobachten Gelegenheit
hatte, wird sich sehr deutlich zweierlei Wahrnehmungen erinnern. Bei
Unterwasserexplosionen merkt man sehr deutlich als erste Erscheinung
einen -- es sei der Ausdruck gestattet, da es für dieses je ne sais
quoi
noch kein Wort giebt -- Knacks, einen kurzen Stoß; man
empfindet bei schweren Explosionen das, was ein bei ernster Sprache
freilich nicht gebräuchliches Wort bezeichnet, was hier aber, da es das
Schwarze trifft, absichtlich angeführt werden soll, man verspürt
ein "Ra--bum".

Die wissenschaftliche Erklärung findet sich, wie schon gesagt, in dem
vorerwähnten Aufsatze des Februar-Heftes der "Marine-Rundschau";
als allgemeine Erklärung mag angeführt sein, daß der erste, vom
Verfasser jenes Aufsatzes Vibrationsstoß genannte Stoß sich in der
Erdoberfläche bedeutend schneller fortpflanzt wie die Kraftentfaltung
und die von ihr herrührende Erschütterung selbst.

Nur in großer Nähe der Explosion spürt man einen Schlag,
hier fallen "Ra" und "Bum" zusammen, oder zu nahe zusammen,
um durch die menschlichen Sinne unterschieden werden zu können;
je größer die Entfernung, desto größer der Unterschied der Fort-
pflanzungsgeschwindigkeiten, desto größer die Wahrnehmbarkeit, desto
deutlicher zwei Empfindungen.

Auch die Menge des explodirenden Stoffes ist von Einfluß. Je
kleiner die Menge, desto undeutlicher, je größer, desto deutlicher die
Doppelwirkung.

Diese Doppelerscheinungen äußern sich auf verschiedene Menschen
verschieden. Der eine hört es mehr, der andere fühlt es mehr,

H. Gercke, Die Torpedowaffe. 8
Der Untergang der „Maine“.

Es äußert ſich thatſächlich jede Exploſion auf zweierlei Weiſe.

Vielleicht geht man nicht zu weit, wenn man das Vorhandenſein
dieſer Doppelerſcheinungen für jedes plötzliche und heftige Aendern
der jeweiligen Bewegung aller Maſſen behauptet.

Aus dem Leben mag hier eine Beobachtung angeführt ſein. Wird
z. B. in einer ſtillen Nacht, wenn andere Geräuſche nicht ſtören, in
der Ferne mit ſchweren Geſchützen geſchoſſen, ſo hört man zuerſt ein
leiſes Klirren der Fenſter und dann erſt den Schall des Schuſſes.

Wenn man ſchwere Gegenſtände fallen ſieht, ſo merkt man zuerſt
ein Zittern des Erdbodens und hört dann erſt den Schlag.

Alle Vergleiche hinken mehr oder minder.

Wer aber ſchon eine kräftige Exploſion zu beobachten Gelegenheit
hatte, wird ſich ſehr deutlich zweierlei Wahrnehmungen erinnern. Bei
Unterwaſſerexploſionen merkt man ſehr deutlich als erſte Erſcheinung
einen — es ſei der Ausdruck geſtattet, da es für dieſes je ne sais
quoi
noch kein Wort giebt — Knacks, einen kurzen Stoß; man
empfindet bei ſchweren Exploſionen das, was ein bei ernſter Sprache
freilich nicht gebräuchliches Wort bezeichnet, was hier aber, da es das
Schwarze trifft, abſichtlich angeführt werden ſoll, man verſpürt
ein „Ra—bum“.

Die wiſſenſchaftliche Erklärung findet ſich, wie ſchon geſagt, in dem
vorerwähnten Aufſatze des Februar-Heftes der „Marine-Rundſchau“;
als allgemeine Erklärung mag angeführt ſein, daß der erſte, vom
Verfaſſer jenes Aufſatzes Vibrationsſtoß genannte Stoß ſich in der
Erdoberfläche bedeutend ſchneller fortpflanzt wie die Kraftentfaltung
und die von ihr herrührende Erſchütterung ſelbſt.

Nur in großer Nähe der Exploſion ſpürt man einen Schlag,
hier fallen „Ra“ und „Bum“ zuſammen, oder zu nahe zuſammen,
um durch die menſchlichen Sinne unterſchieden werden zu können;
je größer die Entfernung, deſto größer der Unterſchied der Fort-
pflanzungsgeſchwindigkeiten, deſto größer die Wahrnehmbarkeit, deſto
deutlicher zwei Empfindungen.

Auch die Menge des explodirenden Stoffes iſt von Einfluß. Je
kleiner die Menge, deſto undeutlicher, je größer, deſto deutlicher die
Doppelwirkung.

Dieſe Doppelerſcheinungen äußern ſich auf verſchiedene Menſchen
verſchieden. Der eine hört es mehr, der andere fühlt es mehr,

H. Gercke, Die Torpedowaffe. 8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0137" n="113"/>
            <fw place="top" type="header">Der Untergang der &#x201E;Maine&#x201C;.</fw><lb/>
            <p>Es äußert &#x017F;ich that&#x017F;ächlich jede Explo&#x017F;ion auf zweierlei Wei&#x017F;e.</p><lb/>
            <p>Vielleicht geht man nicht zu weit, wenn man das Vorhanden&#x017F;ein<lb/>
die&#x017F;er Doppeler&#x017F;cheinungen für jedes plötzliche und heftige Aendern<lb/>
der jeweiligen Bewegung aller Ma&#x017F;&#x017F;en behauptet.</p><lb/>
            <p>Aus dem Leben mag hier eine Beobachtung angeführt &#x017F;ein. Wird<lb/>
z. B. in einer &#x017F;tillen Nacht, wenn andere Geräu&#x017F;che nicht &#x017F;tören, in<lb/>
der Ferne mit &#x017F;chweren Ge&#x017F;chützen ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o hört man zuer&#x017F;t ein<lb/>
lei&#x017F;es Klirren der Fen&#x017F;ter und dann er&#x017F;t den Schall des Schu&#x017F;&#x017F;es.</p><lb/>
            <p>Wenn man &#x017F;chwere Gegen&#x017F;tände fallen &#x017F;ieht, &#x017F;o merkt man zuer&#x017F;t<lb/>
ein Zittern des Erdbodens und hört dann er&#x017F;t den Schlag.</p><lb/>
            <p>Alle Vergleiche hinken mehr oder minder.</p><lb/>
            <p>Wer aber &#x017F;chon eine kräftige Explo&#x017F;ion zu beobachten Gelegenheit<lb/>
hatte, wird &#x017F;ich &#x017F;ehr deutlich zweierlei Wahrnehmungen erinnern. Bei<lb/>
Unterwa&#x017F;&#x017F;erexplo&#x017F;ionen merkt man &#x017F;ehr deutlich als er&#x017F;te Er&#x017F;cheinung<lb/>
einen &#x2014; es &#x017F;ei der Ausdruck ge&#x017F;tattet, da es für die&#x017F;es <hi rendition="#aq">je ne sais<lb/>
quoi</hi> noch kein Wort giebt &#x2014; Knacks, einen kurzen Stoß; man<lb/>
empfindet bei &#x017F;chweren Explo&#x017F;ionen das, was ein bei ern&#x017F;ter Sprache<lb/>
freilich nicht gebräuchliches Wort bezeichnet, was hier aber, da es das<lb/>
Schwarze trifft, <hi rendition="#g">ab&#x017F;ichtlich</hi> angeführt werden &#x017F;oll, man ver&#x017F;pürt<lb/>
ein &#x201E;Ra&#x2014;bum&#x201C;.</p><lb/>
            <p>Die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Erklärung findet &#x017F;ich, wie &#x017F;chon ge&#x017F;agt, in dem<lb/>
vorerwähnten Auf&#x017F;atze des Februar-Heftes der &#x201E;Marine-Rund&#x017F;chau&#x201C;;<lb/>
als allgemeine Erklärung mag angeführt &#x017F;ein, daß der er&#x017F;te, vom<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;er jenes Auf&#x017F;atzes Vibrations&#x017F;toß genannte Stoß &#x017F;ich in der<lb/>
Erdoberfläche bedeutend &#x017F;chneller fortpflanzt wie die Kraftentfaltung<lb/>
und die von ihr herrührende Er&#x017F;chütterung &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Nur in großer Nähe der Explo&#x017F;ion &#x017F;pürt man <hi rendition="#g">einen</hi> Schlag,<lb/>
hier fallen &#x201E;Ra&#x201C; und &#x201E;Bum&#x201C; zu&#x017F;ammen, oder zu nahe zu&#x017F;ammen,<lb/>
um durch die men&#x017F;chlichen Sinne unter&#x017F;chieden werden zu können;<lb/>
je größer die Entfernung, de&#x017F;to größer der Unter&#x017F;chied der Fort-<lb/>
pflanzungsge&#x017F;chwindigkeiten, de&#x017F;to größer die Wahrnehmbarkeit, de&#x017F;to<lb/>
deutlicher zwei Empfindungen.</p><lb/>
            <p>Auch die Menge des explodirenden Stoffes i&#x017F;t von Einfluß. Je<lb/>
kleiner die Menge, de&#x017F;to undeutlicher, je größer, de&#x017F;to deutlicher die<lb/>
Doppelwirkung.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Doppeler&#x017F;cheinungen äußern &#x017F;ich auf ver&#x017F;chiedene Men&#x017F;chen<lb/>
ver&#x017F;chieden. Der eine <hi rendition="#g">hört</hi> es mehr, der andere <hi rendition="#g">fühlt</hi> es mehr,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H. <hi rendition="#g">Gercke</hi>, Die Torpedowaffe. 8</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0137] Der Untergang der „Maine“. Es äußert ſich thatſächlich jede Exploſion auf zweierlei Weiſe. Vielleicht geht man nicht zu weit, wenn man das Vorhandenſein dieſer Doppelerſcheinungen für jedes plötzliche und heftige Aendern der jeweiligen Bewegung aller Maſſen behauptet. Aus dem Leben mag hier eine Beobachtung angeführt ſein. Wird z. B. in einer ſtillen Nacht, wenn andere Geräuſche nicht ſtören, in der Ferne mit ſchweren Geſchützen geſchoſſen, ſo hört man zuerſt ein leiſes Klirren der Fenſter und dann erſt den Schall des Schuſſes. Wenn man ſchwere Gegenſtände fallen ſieht, ſo merkt man zuerſt ein Zittern des Erdbodens und hört dann erſt den Schlag. Alle Vergleiche hinken mehr oder minder. Wer aber ſchon eine kräftige Exploſion zu beobachten Gelegenheit hatte, wird ſich ſehr deutlich zweierlei Wahrnehmungen erinnern. Bei Unterwaſſerexploſionen merkt man ſehr deutlich als erſte Erſcheinung einen — es ſei der Ausdruck geſtattet, da es für dieſes je ne sais quoi noch kein Wort giebt — Knacks, einen kurzen Stoß; man empfindet bei ſchweren Exploſionen das, was ein bei ernſter Sprache freilich nicht gebräuchliches Wort bezeichnet, was hier aber, da es das Schwarze trifft, abſichtlich angeführt werden ſoll, man verſpürt ein „Ra—bum“. Die wiſſenſchaftliche Erklärung findet ſich, wie ſchon geſagt, in dem vorerwähnten Aufſatze des Februar-Heftes der „Marine-Rundſchau“; als allgemeine Erklärung mag angeführt ſein, daß der erſte, vom Verfaſſer jenes Aufſatzes Vibrationsſtoß genannte Stoß ſich in der Erdoberfläche bedeutend ſchneller fortpflanzt wie die Kraftentfaltung und die von ihr herrührende Erſchütterung ſelbſt. Nur in großer Nähe der Exploſion ſpürt man einen Schlag, hier fallen „Ra“ und „Bum“ zuſammen, oder zu nahe zuſammen, um durch die menſchlichen Sinne unterſchieden werden zu können; je größer die Entfernung, deſto größer der Unterſchied der Fort- pflanzungsgeſchwindigkeiten, deſto größer die Wahrnehmbarkeit, deſto deutlicher zwei Empfindungen. Auch die Menge des explodirenden Stoffes iſt von Einfluß. Je kleiner die Menge, deſto undeutlicher, je größer, deſto deutlicher die Doppelwirkung. Dieſe Doppelerſcheinungen äußern ſich auf verſchiedene Menſchen verſchieden. Der eine hört es mehr, der andere fühlt es mehr, H. Gercke, Die Torpedowaffe. 8

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/137
Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/137>, abgerufen am 19.04.2024.