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Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

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Erster Abschnitt. Geschichtliches.

Napoleon interessirte sich lebhaft für Fultons Versuche; seine
Ungeduld verhinderte ihn aber, den Erfolg abzuwarten. Der fran-
zösische Admiral Decres hatte Fulton mit Verachtung abgewiesen.
Napoleon ließ indessen späterhin (1809) Fultons Projekte wieder-
aufnehmen und durch die Brüder Coessin ein Unterwasserboot bauen.

Auch für die Unterwasserartillerie interessirte sich Napoleon.

Aus dem Jahre 1803 existirt ein längerer Schriftwechsel zwischen
dem Kaiser einer- und dem Marschall Soult sowie dem Admiral
Bruix andererseits, betreffend den Bau einer unterseeischen Batterie
bei Boulogne. Es läßt sich aber ein klares Bild über die gedachte
Art der Verwendung nicht gewinnen.

Nachdem Fulton in Frankreich abgewiesen war, ging er 1804
nach England. Es gelang ihm daselbst, viele effektvolle Sprengungen
vorzuführen, als aber sein Gönner Pitt stürzte, verließ auch er
dieses Land und wandte sich nach Amerika.

Trotz seiner Erfolge blieben die Amerikaner kalt, der Admiral
Rodgers gab ein ungünstiges Urtheil über Fultons Kriegsmittel ab,
und 1815 starb Fulton mit Hinterlassung von 100 000 Dollars
Schulden. Es sind wohl auch nicht seine Verdienste um das Torpedo-
wesen, sondern diejenigen um die Seedampfschifffahrt, durch welche
im Jahre 1838 der Kongreß der Vereinigten Staaten sich veran-
laßt fühlte, der Familie Fultons eine Dotation von 100 000 Dollars
zu bewilligen.

Eine späterhin vielfach weiterverfolgte Idee führte als erster
1811 der französische General Paixhans aus. Er versah ein Boot
an seinem Buge mit einer Kontaktmine und trieb das Boot, indem
er hinten eine Rakete von großem Kaliber in der Kielrichtung an-
brachte und abbrennen ließ. Paixhans erreichte damit eine grade
Schußdistanz von 420 Fuß. Diese Vorrichtung muß mit vollem
Recht als der erste automobile Torpedo bezeichnet werden. Die
Versuche Paixhans', der auch Erfinder der Bombenkanonen ist, wurden
bei dem Aufbruche der Armee nach Rußland eingestellt.

Die Jahre 1812 und 1813 brachten einige mißlungene Versuche
der Amerikaner gegen die Engländer mit Treibtorpedos eines ge-
wissen Mix. Abgesehen von einigen erfolglosen Versuchen der Russen
im Krimkriege ist bis zum Beginne des amerikanischen Bürgerkrieges
im Torpedowesen keine Weiterentwickelung zu verzeichnen. Von

Erſter Abſchnitt. Geſchichtliches.

Napoleon intereſſirte ſich lebhaft für Fultons Verſuche; ſeine
Ungeduld verhinderte ihn aber, den Erfolg abzuwarten. Der fran-
zöſiſche Admiral Decrès hatte Fulton mit Verachtung abgewieſen.
Napoleon ließ indeſſen ſpäterhin (1809) Fultons Projekte wieder-
aufnehmen und durch die Brüder Coëſſin ein Unterwaſſerboot bauen.

Auch für die Unterwaſſerartillerie intereſſirte ſich Napoleon.

Aus dem Jahre 1803 exiſtirt ein längerer Schriftwechſel zwiſchen
dem Kaiſer einer- und dem Marſchall Soult ſowie dem Admiral
Bruix andererſeits, betreffend den Bau einer unterſeeiſchen Batterie
bei Boulogne. Es läßt ſich aber ein klares Bild über die gedachte
Art der Verwendung nicht gewinnen.

Nachdem Fulton in Frankreich abgewieſen war, ging er 1804
nach England. Es gelang ihm daſelbſt, viele effektvolle Sprengungen
vorzuführen, als aber ſein Gönner Pitt ſtürzte, verließ auch er
dieſes Land und wandte ſich nach Amerika.

Trotz ſeiner Erfolge blieben die Amerikaner kalt, der Admiral
Rodgers gab ein ungünſtiges Urtheil über Fultons Kriegsmittel ab,
und 1815 ſtarb Fulton mit Hinterlaſſung von 100 000 Dollars
Schulden. Es ſind wohl auch nicht ſeine Verdienſte um das Torpedo-
weſen, ſondern diejenigen um die Seedampfſchifffahrt, durch welche
im Jahre 1838 der Kongreß der Vereinigten Staaten ſich veran-
laßt fühlte, der Familie Fultons eine Dotation von 100 000 Dollars
zu bewilligen.

Eine ſpäterhin vielfach weiterverfolgte Idee führte als erſter
1811 der franzöſiſche General Paixhans aus. Er verſah ein Boot
an ſeinem Buge mit einer Kontaktmine und trieb das Boot, indem
er hinten eine Rakete von großem Kaliber in der Kielrichtung an-
brachte und abbrennen ließ. Paixhans erreichte damit eine grade
Schußdiſtanz von 420 Fuß. Dieſe Vorrichtung muß mit vollem
Recht als der erſte automobile Torpedo bezeichnet werden. Die
Verſuche Paixhans’, der auch Erfinder der Bombenkanonen iſt, wurden
bei dem Aufbruche der Armee nach Rußland eingeſtellt.

Die Jahre 1812 und 1813 brachten einige mißlungene Verſuche
der Amerikaner gegen die Engländer mit Treibtorpedos eines ge-
wiſſen Mix. Abgeſehen von einigen erfolgloſen Verſuchen der Ruſſen
im Krimkriege iſt bis zum Beginne des amerikaniſchen Bürgerkrieges
im Torpedoweſen keine Weiterentwickelung zu verzeichnen. Von

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[6/0020] Erſter Abſchnitt. Geſchichtliches. Napoleon intereſſirte ſich lebhaft für Fultons Verſuche; ſeine Ungeduld verhinderte ihn aber, den Erfolg abzuwarten. Der fran- zöſiſche Admiral Decrès hatte Fulton mit Verachtung abgewieſen. Napoleon ließ indeſſen ſpäterhin (1809) Fultons Projekte wieder- aufnehmen und durch die Brüder Coëſſin ein Unterwaſſerboot bauen. Auch für die Unterwaſſerartillerie intereſſirte ſich Napoleon. Aus dem Jahre 1803 exiſtirt ein längerer Schriftwechſel zwiſchen dem Kaiſer einer- und dem Marſchall Soult ſowie dem Admiral Bruix andererſeits, betreffend den Bau einer unterſeeiſchen Batterie bei Boulogne. Es läßt ſich aber ein klares Bild über die gedachte Art der Verwendung nicht gewinnen. Nachdem Fulton in Frankreich abgewieſen war, ging er 1804 nach England. Es gelang ihm daſelbſt, viele effektvolle Sprengungen vorzuführen, als aber ſein Gönner Pitt ſtürzte, verließ auch er dieſes Land und wandte ſich nach Amerika. Trotz ſeiner Erfolge blieben die Amerikaner kalt, der Admiral Rodgers gab ein ungünſtiges Urtheil über Fultons Kriegsmittel ab, und 1815 ſtarb Fulton mit Hinterlaſſung von 100 000 Dollars Schulden. Es ſind wohl auch nicht ſeine Verdienſte um das Torpedo- weſen, ſondern diejenigen um die Seedampfſchifffahrt, durch welche im Jahre 1838 der Kongreß der Vereinigten Staaten ſich veran- laßt fühlte, der Familie Fultons eine Dotation von 100 000 Dollars zu bewilligen. Eine ſpäterhin vielfach weiterverfolgte Idee führte als erſter 1811 der franzöſiſche General Paixhans aus. Er verſah ein Boot an ſeinem Buge mit einer Kontaktmine und trieb das Boot, indem er hinten eine Rakete von großem Kaliber in der Kielrichtung an- brachte und abbrennen ließ. Paixhans erreichte damit eine grade Schußdiſtanz von 420 Fuß. Dieſe Vorrichtung muß mit vollem Recht als der erſte automobile Torpedo bezeichnet werden. Die Verſuche Paixhans’, der auch Erfinder der Bombenkanonen iſt, wurden bei dem Aufbruche der Armee nach Rußland eingeſtellt. Die Jahre 1812 und 1813 brachten einige mißlungene Verſuche der Amerikaner gegen die Engländer mit Treibtorpedos eines ge- wiſſen Mix. Abgeſehen von einigen erfolgloſen Verſuchen der Ruſſen im Krimkriege iſt bis zum Beginne des amerikaniſchen Bürgerkrieges im Torpedoweſen keine Weiterentwickelung zu verzeichnen. Von

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Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/20>, abgerufen am 28.03.2024.