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Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

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kungen von Zauberei und bösen Geistern, und behandeln sie darnach, durch Beschwörung u. dergl., doch wendet der Zauberer oder die Zauberin dabei auch andere, innerliche und äusserliche Heilmittel an. Wunderbarer Weise findet sich denn auch hier, wie auf den Antillen, jener sonderbare neuholländische Gebrauch wieder, einen Stein -- hier einen Knochen -- unter mancherlei Ceremonien aus dem Leibe (Mund, Ohr, Rücken u. s. w.) des Kranken, der ihm eingehext und der Sitz der Krankheit sei, hervorzuziehen, damit jener genese (Sparmann 197-98). Ihre Giftärzte sollen freilich sehr ausgezeichnete Mittel gegen Schlangenbiss haben, und die Colonisten haben, was sie von Heilpflanzen der südafrikanischen Flora kennen, erst von den Eingeborenen gelernt (Waitz 2, 344). Allein Schwerkranke, Alte und Hülflose setzen die Hottentotten häufig aus (Sparmann 320); Sterbende schüttelt und stösst man, gewiss um den Dämon der Krankheit zu verscheuchen, überhäuft ihn mit Vorwürfen, dass er die Verwandten durch seinen Tod betrübe, bittet ihn zu bleiben u. s. w. (Sparmann 273).

Die Zauberer aber gerathen sehr häufig, wenn ihre Kur nicht anschlägt, in Gefahr, von den erbitterten Angehörigen arg gemisshandelt oder getödtet zu werden. Für Amerika bringt Waitz und die angeführten Autoren eine Menge Beispiele bei: für Afrika genüge eins, welches bei Sparmann 198 erwähnt wird: ein Fürst, der an schlimmen Augen litt und von den Zauberern nicht geheilt werden konnte, liess diese alle umbringen, weil er glaubte, dass einer von ihnen, der ihm feindlich gesinnt sei, seine Heilung verhüte. Denn jeder unglückliche Ausgang einer Krankheit gilt als bewirkt durch stärkeren Zauber, hier und in Amerika und Polynesien.



§ 5. Geringe Sorgfalt der Naturvölker für ihr leibliches Wohl.

Indess, da ja Krankheiten die Naturvölker in ihrem gewöhnlichen Zustand nur wenig plagen, so möchte alles dies Verkehrte, und wenn es manchem Kranken den Tod brachte, doch nicht allzuviel für ihr Hinschwinden bewirkt haben; viel gefährlicher ist die geringe Sorge, welche fast alle Naturvölker auf ihre leibliche Pflege verwenden und verwenden können. Freilich sind sie abgehärtet gegen Vieles durch eigene Gewöhnung und, wodurch diese erst in so hohem Grade ermöglicht wird, durch Vererbung; und so fühlen sich auch noch die Feuerländer, nach Darwin die elendesten und niedersten Menschen, in ihrem entsetzlichen Klima, ohne rechtes Obdach, auf dem nassen Boden schlafend, nackt, nur kümmerliche Nahrung

kungen von Zauberei und bösen Geistern, und behandeln sie darnach, durch Beschwörung u. dergl., doch wendet der Zauberer oder die Zauberin dabei auch andere, innerliche und äusserliche Heilmittel an. Wunderbarer Weise findet sich denn auch hier, wie auf den Antillen, jener sonderbare neuholländische Gebrauch wieder, einen Stein — hier einen Knochen — unter mancherlei Ceremonien aus dem Leibe (Mund, Ohr, Rücken u. s. w.) des Kranken, der ihm eingehext und der Sitz der Krankheit sei, hervorzuziehen, damit jener genese (Sparmann 197-98). Ihre Giftärzte sollen freilich sehr ausgezeichnete Mittel gegen Schlangenbiss haben, und die Colonisten haben, was sie von Heilpflanzen der südafrikanischen Flora kennen, erst von den Eingeborenen gelernt (Waitz 2, 344). Allein Schwerkranke, Alte und Hülflose setzen die Hottentotten häufig aus (Sparmann 320); Sterbende schüttelt und stösst man, gewiss um den Dämon der Krankheit zu verscheuchen, überhäuft ihn mit Vorwürfen, dass er die Verwandten durch seinen Tod betrübe, bittet ihn zu bleiben u. s. w. (Sparmann 273).

Die Zauberer aber gerathen sehr häufig, wenn ihre Kur nicht anschlägt, in Gefahr, von den erbitterten Angehörigen arg gemisshandelt oder getödtet zu werden. Für Amerika bringt Waitz und die angeführten Autoren eine Menge Beispiele bei: für Afrika genüge eins, welches bei Sparmann 198 erwähnt wird: ein Fürst, der an schlimmen Augen litt und von den Zauberern nicht geheilt werden konnte, liess diese alle umbringen, weil er glaubte, dass einer von ihnen, der ihm feindlich gesinnt sei, seine Heilung verhüte. Denn jeder unglückliche Ausgang einer Krankheit gilt als bewirkt durch stärkeren Zauber, hier und in Amerika und Polynesien.



§ 5. Geringe Sorgfalt der Naturvölker für ihr leibliches Wohl.

Indess, da ja Krankheiten die Naturvölker in ihrem gewöhnlichen Zustand nur wenig plagen, so möchte alles dies Verkehrte, und wenn es manchem Kranken den Tod brachte, doch nicht allzuviel für ihr Hinschwinden bewirkt haben; viel gefährlicher ist die geringe Sorge, welche fast alle Naturvölker auf ihre leibliche Pflege verwenden und verwenden können. Freilich sind sie abgehärtet gegen Vieles durch eigene Gewöhnung und, wodurch diese erst in so hohem Grade ermöglicht wird, durch Vererbung; und so fühlen sich auch noch die Feuerländer, nach Darwin die elendesten und niedersten Menschen, in ihrem entsetzlichen Klima, ohne rechtes Obdach, auf dem nassen Boden schlafend, nackt, nur kümmerliche Nahrung

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 der Sitz der Krankheit sei, hervorzuziehen, damit jener genese
 (Sparmann 197-98). Ihre Giftärzte sollen freilich sehr
 ausgezeichnete Mittel gegen Schlangenbiss haben, und die Colonisten
 haben, was sie von Heilpflanzen der südafrikanischen Flora
 kennen, erst von den Eingeborenen gelernt (Waitz 2, 344). Allein
 Schwerkranke, Alte und Hülflose setzen die Hottentotten
 häufig aus (Sparmann 320); Sterbende schüttelt und
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 von den Zauberern nicht geheilt werden konnte, liess diese alle
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 Naturvölker auf ihre leibliche Pflege verwenden und verwenden
 können. Freilich sind sie abgehärtet gegen Vieles durch
 eigene Gewöhnung und, wodurch diese erst in so hohem Grade
 ermöglicht wird, durch Vererbung; und so fühlen sich auch
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[0036] kungen von Zauberei und bösen Geistern, und behandeln sie darnach, durch Beschwörung u. dergl., doch wendet der Zauberer oder die Zauberin dabei auch andere, innerliche und äusserliche Heilmittel an. Wunderbarer Weise findet sich denn auch hier, wie auf den Antillen, jener sonderbare neuholländische Gebrauch wieder, einen Stein — hier einen Knochen — unter mancherlei Ceremonien aus dem Leibe (Mund, Ohr, Rücken u. s. w.) des Kranken, der ihm eingehext und der Sitz der Krankheit sei, hervorzuziehen, damit jener genese (Sparmann 197-98). Ihre Giftärzte sollen freilich sehr ausgezeichnete Mittel gegen Schlangenbiss haben, und die Colonisten haben, was sie von Heilpflanzen der südafrikanischen Flora kennen, erst von den Eingeborenen gelernt (Waitz 2, 344). Allein Schwerkranke, Alte und Hülflose setzen die Hottentotten häufig aus (Sparmann 320); Sterbende schüttelt und stösst man, gewiss um den Dämon der Krankheit zu verscheuchen, überhäuft ihn mit Vorwürfen, dass er die Verwandten durch seinen Tod betrübe, bittet ihn zu bleiben u. s. w. (Sparmann 273). Die Zauberer aber gerathen sehr häufig, wenn ihre Kur nicht anschlägt, in Gefahr, von den erbitterten Angehörigen arg gemisshandelt oder getödtet zu werden. Für Amerika bringt Waitz und die angeführten Autoren eine Menge Beispiele bei: für Afrika genüge eins, welches bei Sparmann 198 erwähnt wird: ein Fürst, der an schlimmen Augen litt und von den Zauberern nicht geheilt werden konnte, liess diese alle umbringen, weil er glaubte, dass einer von ihnen, der ihm feindlich gesinnt sei, seine Heilung verhüte. Denn jeder unglückliche Ausgang einer Krankheit gilt als bewirkt durch stärkeren Zauber, hier und in Amerika und Polynesien. § 5. Geringe Sorgfalt der Naturvölker für ihr leibliches Wohl. Indess, da ja Krankheiten die Naturvölker in ihrem gewöhnlichen Zustand nur wenig plagen, so möchte alles dies Verkehrte, und wenn es manchem Kranken den Tod brachte, doch nicht allzuviel für ihr Hinschwinden bewirkt haben; viel gefährlicher ist die geringe Sorge, welche fast alle Naturvölker auf ihre leibliche Pflege verwenden und verwenden können. Freilich sind sie abgehärtet gegen Vieles durch eigene Gewöhnung und, wodurch diese erst in so hohem Grade ermöglicht wird, durch Vererbung; und so fühlen sich auch noch die Feuerländer, nach Darwin die elendesten und niedersten Menschen, in ihrem entsetzlichen Klima, ohne rechtes Obdach, auf dem nassen Boden schlafend, nackt, nur kümmerliche Nahrung

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Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/36>, abgerufen am 28.03.2024.