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Gerstner, Franz Joseph von: Einleitung in die statische Baukunst. Prag, 1789.

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14.

Hieraus fließen folgende allgemeine Anmer-
kungen:

I. Für Gewölbe, welche durchaus einerley
Dicke, und nichts als ihre eigene Last zu tragen haben,
gehöret die gemeine Kettenlinie.

II. Gewölbe, welche wagerecht ausgefüllet
werden, müssen nach einer Krümme aus der Ver-
wandtschaft der Kettenlinien erbauet werden, wovon
die oberste wagrechte Linie immer die Abscissenli-
nie ist.

III. Je kleiner N a, oder je schwächer das
Gewölb beym Schlußpunkt ist, desto flächer wird
die Lehrlinie s r r a, und je grösser N A, oder je
stärker das Gewölbe, desto gebogener ist die Wölbung,
für einerley Breite

IV. Die Längen der Gewölbsteine sollen von
einer Wölbungslinie s' r' r' bis an die andere s r r
reichen (15. Fig.)

V. Ihre Seitenflächen r r' sollen auf alle
Wölbungslinien, die durch ihre Dicke hindurchgehen,
senkrecht seyn. Hiezu wäre zwar nöthig, daß diese
Seitenflächen selbst nach einer krummen Linie gehauen
würden, ihre Länge ist aber selten so beträchtlich, daß
diese Krümmung von einer geraden Linie merklich un-
terschieden wäre.

VI. Die Länge der Gewölbsteine richtet sich
nach ihrer Güte, und nach der Last, welche getragen
werden soll. Diese Umstände müssen die Wahl be-
stimmen, die ein Baumeister unter der unendlichen

An-
14.

Hieraus fließen folgende allgemeine Anmer-
kungen:

I. Fuͤr Gewoͤlbe, welche durchaus einerley
Dicke, und nichts als ihre eigene Laſt zu tragen haben,
gehoͤret die gemeine Kettenlinie.

II. Gewoͤlbe, welche wagerecht ausgefuͤllet
werden, muͤſſen nach einer Kruͤmme aus der Ver-
wandtſchaft der Kettenlinien erbauet werden, wovon
die oberſte wagrechte Linie immer die Abſciſſenli-
nie iſt.

III. Je kleiner N a, oder je ſchwaͤcher das
Gewoͤlb beym Schlußpunkt iſt, deſto flaͤcher wird
die Lehrlinie s r r a, und je groͤſſer N A, oder je
ſtaͤrker das Gewoͤlbe, deſto gebogener iſt die Woͤlbung,
fuͤr einerley Breite

IV. Die Laͤngen der Gewoͤlbſteine ſollen von
einer Woͤlbungslinie s' r' r' bis an die andere s r r
reichen (15. Fig.)

V. Ihre Seitenflaͤchen r r' ſollen auf alle
Woͤlbungslinien, die durch ihre Dicke hindurchgehen,
ſenkrecht ſeyn. Hiezu waͤre zwar noͤthig, daß dieſe
Seitenflaͤchen ſelbſt nach einer krummen Linie gehauen
wuͤrden, ihre Laͤnge iſt aber ſelten ſo betraͤchtlich, daß
dieſe Kruͤmmung von einer geraden Linie merklich un-
terſchieden waͤre.

VI. Die Laͤnge der Gewoͤlbſteine richtet ſich
nach ihrer Guͤte, und nach der Laſt, welche getragen
werden ſoll. Dieſe Umſtaͤnde muͤſſen die Wahl be-
ſtimmen, die ein Baumeiſter unter der unendlichen

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[18/0024] 14. Hieraus fließen folgende allgemeine Anmer- kungen: I. Fuͤr Gewoͤlbe, welche durchaus einerley Dicke, und nichts als ihre eigene Laſt zu tragen haben, gehoͤret die gemeine Kettenlinie. II. Gewoͤlbe, welche wagerecht ausgefuͤllet werden, muͤſſen nach einer Kruͤmme aus der Ver- wandtſchaft der Kettenlinien erbauet werden, wovon die oberſte wagrechte Linie immer die Abſciſſenli- nie iſt. III. Je kleiner N a, oder je ſchwaͤcher das Gewoͤlb beym Schlußpunkt iſt, deſto flaͤcher wird die Lehrlinie s r r a, und je groͤſſer N A, oder je ſtaͤrker das Gewoͤlbe, deſto gebogener iſt die Woͤlbung, fuͤr einerley Breite IV. Die Laͤngen der Gewoͤlbſteine ſollen von einer Woͤlbungslinie s' r' r' bis an die andere s r r reichen (15. Fig.) V. Ihre Seitenflaͤchen r r' ſollen auf alle Woͤlbungslinien, die durch ihre Dicke hindurchgehen, ſenkrecht ſeyn. Hiezu waͤre zwar noͤthig, daß dieſe Seitenflaͤchen ſelbſt nach einer krummen Linie gehauen wuͤrden, ihre Laͤnge iſt aber ſelten ſo betraͤchtlich, daß dieſe Kruͤmmung von einer geraden Linie merklich un- terſchieden waͤre. VI. Die Laͤnge der Gewoͤlbſteine richtet ſich nach ihrer Guͤte, und nach der Laſt, welche getragen werden ſoll. Dieſe Umſtaͤnde muͤſſen die Wahl be- ſtimmen, die ein Baumeiſter unter der unendlichen An-

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Einleitung in die statische Baukunst. Prag, 1789, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_baukunst_1789/24>, abgerufen am 29.03.2024.