Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite
Krämerwage.

Es versteht sich von selbst, dass die Wagschalen, noch bevor Gewichte hineingelegt
wurden, an dem Wagebalken im Gleichgewichte seyn müssen. Denn diese Wagschalen
vertreten offenbar die Stelle abzuwiegender Gewichte; es muss daher die Bedingniss, die
den letztern zukommt, auch bei den Wagschalen vorhanden seyn.

§. 167.

Es handelt sich nun, wie man untersucht, ob eine Wage gleiche Hebels-
arme oder Wagebalken-Arme habe
?

Mit dem Zirkel dieselben genau abzumessen, würde sehr beschwerlich und so zu sagen
unmöglich seyn. Wollte man z. B. bei einer Wage, worauf 1 Ctr. gewogen wird, noch 1
Loth erkennen, so müsste man, da 1 Ctr. : 1 Loth = 3200 : 1 sich verhält, im Stande
seyn, den 3200ten Theil der Länge eines Armes dieser Wage mit dem Zirkel abzumessen;
wäre daher der Arm a c ein Fuss lang, so müsste man mit dem Zirkel 1/22 Linie abmessen kön-
nen, was nicht leicht möglich ist.

Es ist daher vortheilhaft, die Gleichheit der Hebelsarme einer Krämerwage durch
das Abwägen gleicher Gewichte zu bestimmen. Zu diesem Behufe muss man sich vorerst
diese vollkommen gleichen Gewichte verschaffen. Man legt hiezu irgend ein
Gewicht W in eine Wagschale und in die andere Schale so viele Gewichte (P) irgend ei-
ner Materie, bis ein vollkommenes Gleichgewicht erfolgt. Hierauf nimmt man ein zwei-
tes Gewicht W', was gewöhnlich etwas schwerer als W ist, legt es in dieselbe Wagscha-
le, während in der andern noch die Gewichte P vorhanden sind, und nun wird W' so
lange adjustirt (z. B. abgefeilt), bis wieder ein vollkommenes Gleichgewicht vorhanden
ist. Ist diess der Fall, so ist W genau = W', und man hat zwei vollkommen gleiche
Gewichte. Wenn man itzt die Wage selbst prüfen und adjustiren will, so legt man die-
se Gewichte W und W' in beide Wagschalen; spielt die Zunge ein, so müssen die Ar-
me auch gleich lang seyn. Im Gegentheile müssen die Arme so lange zugerichtet wer-
den, bis ein vollkommenes Einspielen erfolgt.

Diess ist die Art, wie genaue Wagen verfertigt und adjustirt werden. Wenn
jedoch die Wage bereits fertig ist, und es sich nur darum handelt, sie zu prüfen, so
Fig.
2.
Tab.
8.
legt man in die eine Schale irgend ein Gewicht W, und in die andere Wagschale ein
zweites Gewicht P, welches mit dem ersten allenfalls durch Zulagsgewichte in das
Gleichgewicht gebracht wird. Sodann verwechselt man diese Gewichte und beobachtet,
ob nun wieder Gleichgewicht statt findet, in welchem Falle sowohl die Gewichte als
auch die Arme einander gleich seyn müssen. Wir haben nämlich für den ersten Fall
W . a c = P . b c, nach dem Verwechseln aber P . a c = W . b c, folglich wenn man diese
zwei Gleichungen mitsammen dividirt, [Formel 1] , woraus W2 = P2 und W = P folgt.
Substituirt man diesen Werth in eine der zwei obern Gleichungen, so ergibt sich
a c = b c; die Wage hat daher in diesem Falle die erforderliche Eigenschaft der glei-
chen Hebelsarme.

§. 168.

Wir wollen nun annehmen, die Wage hätte bei der im vorigen §. angegebenen Pro-
be in Hinsicht der Gleichheit der Arme nicht eingespielt; man besitze aber keine andere

Krämerwage.

Es versteht sich von selbst, dass die Wagschalen, noch bevor Gewichte hineingelegt
wurden, an dem Wagebalken im Gleichgewichte seyn müssen. Denn diese Wagschalen
vertreten offenbar die Stelle abzuwiegender Gewichte; es muss daher die Bedingniss, die
den letztern zukommt, auch bei den Wagschalen vorhanden seyn.

§. 167.

Es handelt sich nun, wie man untersucht, ob eine Wage gleiche Hebels-
arme oder Wagebalken-Arme habe
?

Mit dem Zirkel dieselben genau abzumessen, würde sehr beschwerlich und so zu sagen
unmöglich seyn. Wollte man z. B. bei einer Wage, worauf 1 Ctr. gewogen wird, noch 1
Loth erkennen, so müsste man, da 1 Ctr. : 1 Loth = 3200 : 1 sich verhält, im Stande
seyn, den 3200ten Theil der Länge eines Armes dieser Wage mit dem Zirkel abzumessen;
wäre daher der Arm a c ein Fuss lang, so müsste man mit dem Zirkel 1/22 Linie abmessen kön-
nen, was nicht leicht möglich ist.

Es ist daher vortheilhaft, die Gleichheit der Hebelsarme einer Krämerwage durch
das Abwägen gleicher Gewichte zu bestimmen. Zu diesem Behufe muss man sich vorerst
diese vollkommen gleichen Gewichte verschaffen. Man legt hiezu irgend ein
Gewicht W in eine Wagschale und in die andere Schale so viele Gewichte (P) irgend ei-
ner Materie, bis ein vollkommenes Gleichgewicht erfolgt. Hierauf nimmt man ein zwei-
tes Gewicht W', was gewöhnlich etwas schwerer als W ist, legt es in dieselbe Wagscha-
le, während in der andern noch die Gewichte P vorhanden sind, und nun wird W' so
lange adjustirt (z. B. abgefeilt), bis wieder ein vollkommenes Gleichgewicht vorhanden
ist. Ist diess der Fall, so ist W genau = W', und man hat zwei vollkommen gleiche
Gewichte. Wenn man itzt die Wage selbst prüfen und adjustiren will, so legt man die-
se Gewichte W und W' in beide Wagschalen; spielt die Zunge ein, so müssen die Ar-
me auch gleich lang seyn. Im Gegentheile müssen die Arme so lange zugerichtet wer-
den, bis ein vollkommenes Einspielen erfolgt.

Diess ist die Art, wie genaue Wagen verfertigt und adjustirt werden. Wenn
jedoch die Wage bereits fertig ist, und es sich nur darum handelt, sie zu prüfen, so
Fig.
2.
Tab.
8.
legt man in die eine Schale irgend ein Gewicht W, und in die andere Wagschale ein
zweites Gewicht P, welches mit dem ersten allenfalls durch Zulagsgewichte in das
Gleichgewicht gebracht wird. Sodann verwechselt man diese Gewichte und beobachtet,
ob nun wieder Gleichgewicht statt findet, in welchem Falle sowohl die Gewichte als
auch die Arme einander gleich seyn müssen. Wir haben nämlich für den ersten Fall
W . a c = P . b c, nach dem Verwechseln aber P . a c = W . b c, folglich wenn man diese
zwei Gleichungen mitsammen dividirt, [Formel 1] , woraus W2 = P2 und W = P folgt.
Substituirt man diesen Werth in eine der zwei obern Gleichungen, so ergibt sich
a c = b c; die Wage hat daher in diesem Falle die erforderliche Eigenschaft der glei-
chen Hebelsarme.

§. 168.

Wir wollen nun annehmen, die Wage hätte bei der im vorigen §. angegebenen Pro-
be in Hinsicht der Gleichheit der Arme nicht eingespielt; man besitze aber keine andere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0200" n="170"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Krämerwage</hi>.</fw><lb/>
              <p>Es versteht sich von selbst, dass die Wagschalen, noch bevor Gewichte hineingelegt<lb/>
wurden, an dem Wagebalken im Gleichgewichte seyn müssen. Denn diese Wagschalen<lb/>
vertreten offenbar die Stelle abzuwiegender Gewichte; es muss daher die Bedingniss, die<lb/>
den letztern zukommt, auch bei den Wagschalen vorhanden seyn.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 167.</head><lb/>
              <p>Es handelt sich nun, wie man untersucht, <hi rendition="#g">ob eine Wage gleiche Hebels-<lb/>
arme oder Wagebalken-Arme habe</hi>?</p><lb/>
              <p>Mit dem Zirkel dieselben genau abzumessen, würde sehr beschwerlich und so zu sagen<lb/>
unmöglich seyn. Wollte man z. B. bei einer Wage, worauf 1 Ctr. gewogen wird, noch 1<lb/>
Loth erkennen, so müsste man, da 1 Ctr. : 1 Loth = 3200 : 1 sich verhält, im Stande<lb/>
seyn, den 3200<hi rendition="#sup">ten</hi> Theil der Länge eines Armes dieser Wage mit dem Zirkel abzumessen;<lb/>
wäre daher der Arm a c ein Fuss lang, so müsste man mit dem Zirkel 1/22 Linie abmessen kön-<lb/>
nen, was nicht leicht möglich ist.</p><lb/>
              <p>Es ist daher vortheilhaft, die Gleichheit der Hebelsarme einer Krämerwage durch<lb/>
das Abwägen gleicher Gewichte zu bestimmen. Zu diesem Behufe muss man sich vorerst<lb/>
diese <hi rendition="#g">vollkommen gleichen Gewichte</hi> verschaffen. Man legt hiezu irgend ein<lb/>
Gewicht W in eine Wagschale und in die andere Schale so viele Gewichte (P) irgend ei-<lb/>
ner Materie, bis ein vollkommenes Gleichgewicht erfolgt. Hierauf nimmt man ein zwei-<lb/>
tes Gewicht W', was gewöhnlich etwas schwerer als W ist, legt es in dieselbe Wagscha-<lb/>
le, während in der andern noch die Gewichte P vorhanden sind, und nun wird W' so<lb/>
lange adjustirt (z. B. abgefeilt), bis wieder ein vollkommenes Gleichgewicht vorhanden<lb/>
ist. Ist diess der Fall, so ist W genau = W', und man hat zwei vollkommen gleiche<lb/>
Gewichte. Wenn man itzt die Wage selbst prüfen und adjustiren will, so legt man die-<lb/>
se Gewichte W und W' in beide Wagschalen; spielt die Zunge ein, so müssen die Ar-<lb/>
me auch gleich lang seyn. Im Gegentheile müssen die Arme so lange zugerichtet wer-<lb/>
den, bis ein vollkommenes Einspielen erfolgt.</p><lb/>
              <p>Diess ist die Art, wie genaue Wagen <hi rendition="#g">verfertigt und adjustirt</hi> werden. Wenn<lb/>
jedoch die Wage bereits fertig ist, und es sich nur darum handelt, sie zu prüfen, so<lb/><note place="left">Fig.<lb/>
2.<lb/>
Tab.<lb/>
8.</note>legt man in die eine Schale irgend ein Gewicht W, und in die andere Wagschale ein<lb/>
zweites Gewicht P, welches mit dem ersten allenfalls durch Zulagsgewichte in das<lb/>
Gleichgewicht gebracht wird. Sodann verwechselt man diese Gewichte und beobachtet,<lb/>
ob nun wieder Gleichgewicht statt findet, in welchem Falle sowohl die Gewichte als<lb/>
auch die Arme einander gleich seyn müssen. Wir haben nämlich für den ersten Fall<lb/>
W . a c = P . b c, nach dem Verwechseln aber P . a c = W . b c, folglich wenn man diese<lb/>
zwei Gleichungen mitsammen dividirt, <formula/>, woraus W<hi rendition="#sup">2</hi> = P<hi rendition="#sup">2</hi> und W = P folgt.<lb/>
Substituirt man diesen Werth in eine der zwei obern Gleichungen, so ergibt sich<lb/>
a c = b c; die Wage hat daher in diesem Falle die erforderliche Eigenschaft der glei-<lb/>
chen Hebelsarme.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 168.</head><lb/>
              <p>Wir wollen nun annehmen, die Wage hätte bei der im vorigen §. angegebenen Pro-<lb/>
be in Hinsicht der Gleichheit der Arme nicht eingespielt; man besitze aber keine andere<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0200] Krämerwage. Es versteht sich von selbst, dass die Wagschalen, noch bevor Gewichte hineingelegt wurden, an dem Wagebalken im Gleichgewichte seyn müssen. Denn diese Wagschalen vertreten offenbar die Stelle abzuwiegender Gewichte; es muss daher die Bedingniss, die den letztern zukommt, auch bei den Wagschalen vorhanden seyn. §. 167. Es handelt sich nun, wie man untersucht, ob eine Wage gleiche Hebels- arme oder Wagebalken-Arme habe? Mit dem Zirkel dieselben genau abzumessen, würde sehr beschwerlich und so zu sagen unmöglich seyn. Wollte man z. B. bei einer Wage, worauf 1 Ctr. gewogen wird, noch 1 Loth erkennen, so müsste man, da 1 Ctr. : 1 Loth = 3200 : 1 sich verhält, im Stande seyn, den 3200ten Theil der Länge eines Armes dieser Wage mit dem Zirkel abzumessen; wäre daher der Arm a c ein Fuss lang, so müsste man mit dem Zirkel 1/22 Linie abmessen kön- nen, was nicht leicht möglich ist. Es ist daher vortheilhaft, die Gleichheit der Hebelsarme einer Krämerwage durch das Abwägen gleicher Gewichte zu bestimmen. Zu diesem Behufe muss man sich vorerst diese vollkommen gleichen Gewichte verschaffen. Man legt hiezu irgend ein Gewicht W in eine Wagschale und in die andere Schale so viele Gewichte (P) irgend ei- ner Materie, bis ein vollkommenes Gleichgewicht erfolgt. Hierauf nimmt man ein zwei- tes Gewicht W', was gewöhnlich etwas schwerer als W ist, legt es in dieselbe Wagscha- le, während in der andern noch die Gewichte P vorhanden sind, und nun wird W' so lange adjustirt (z. B. abgefeilt), bis wieder ein vollkommenes Gleichgewicht vorhanden ist. Ist diess der Fall, so ist W genau = W', und man hat zwei vollkommen gleiche Gewichte. Wenn man itzt die Wage selbst prüfen und adjustiren will, so legt man die- se Gewichte W und W' in beide Wagschalen; spielt die Zunge ein, so müssen die Ar- me auch gleich lang seyn. Im Gegentheile müssen die Arme so lange zugerichtet wer- den, bis ein vollkommenes Einspielen erfolgt. Diess ist die Art, wie genaue Wagen verfertigt und adjustirt werden. Wenn jedoch die Wage bereits fertig ist, und es sich nur darum handelt, sie zu prüfen, so legt man in die eine Schale irgend ein Gewicht W, und in die andere Wagschale ein zweites Gewicht P, welches mit dem ersten allenfalls durch Zulagsgewichte in das Gleichgewicht gebracht wird. Sodann verwechselt man diese Gewichte und beobachtet, ob nun wieder Gleichgewicht statt findet, in welchem Falle sowohl die Gewichte als auch die Arme einander gleich seyn müssen. Wir haben nämlich für den ersten Fall W . a c = P . b c, nach dem Verwechseln aber P . a c = W . b c, folglich wenn man diese zwei Gleichungen mitsammen dividirt, [FORMEL], woraus W2 = P2 und W = P folgt. Substituirt man diesen Werth in eine der zwei obern Gleichungen, so ergibt sich a c = b c; die Wage hat daher in diesem Falle die erforderliche Eigenschaft der glei- chen Hebelsarme. Fig. 2. Tab. 8. §. 168. Wir wollen nun annehmen, die Wage hätte bei der im vorigen §. angegebenen Pro- be in Hinsicht der Gleichheit der Arme nicht eingespielt; man besitze aber keine andere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/200
Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/200>, abgerufen am 16.04.2024.