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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Stärke über einander stehender Mauern.
§. 338.

Die meisten Mauern werden in der Absicht gebaut, bestimmte Lasten zu tragen; da
sie nun den aufgelegten Lasten nur durch ihre rückwirkende Festigkeit widerstehen, so
folgt, dass bei einem 2, 3, 4 ..... nmal grössern Drucke auch eine 2, 3, 4 ... nmal
so grosse Grundfläche der Mauer erfordert wird, wenn die Last von jeder Mauer mit
gleicher Sicherheit getragen werden soll
. Wenn daher bei hohen Mauern
oder bei einem Gebäude mit mehreren Stockwerken die Widerstandsfähigkeit der Mauern
in allen Höhen gleich seyn soll, so können die Breiten oder Dicken dieser Mauern nach
der ganzen Höhe nicht gleich genommen werden und es muss die obere Mauer, welche
eine kleinere Last zu tragen hat, offenbar eine kleinere Dicke erhalten, als die untere,
welche gewöhnlich nebst der obern Last sammt der Mauer noch eine besondere Last zu
tragen hat.

Man hat bisher als praktische Regeln angenommen, dass die Stärke einer Haupt-
mauer von Quadern unmittelbar unter dem Dachstuhle, also im obersten Stockwerke, um
jeder zufälligen oder beständigen Belastung (D) mit Sicherheit zu widerstehen, wenigstens
1 Fuss = d dick seyn muss. Für eine Hauptmauer von Ziegeln ist die geringste Dicke in die-
sem Falle 1,5 Fuss = d; ist aber eine Hauptmauer bloss von guten Bruchsteinen, so wird
ihre Dicke auf gleiche Art wenigstens 2 Fuss = d angenommen. Aus diesen Erfahrungen
lässt sich nunmehr die zunehmende Stärke der Mauern in den einzelnen Stockwerken nach
dem Grundsatze berechnen, dass alle diese übereinanderstehenden Mauern gegen das
Zerdrücken gleich gesichert
seyn sollen.

Es sey der Druck des Dachstuhles sammt Gesperren, Ziegeln und allen andern Bela-Fig.
8.
Tab.
16.

stungen, die auf der obersten Mauer a b ruhen = D, die obere Dicke dieser Mauer
a b = d, die Höhe eines Stockwerkes a c = c f .... = h, die Länge der ganzen
Mauer = 1 und das Gewicht ihrer kubischen Einheit = g, so ist das Gewicht der Mauer
im obersten Stockwerke = g . d . h . l. Wir wollen nun annehmen, dass ein jedes Stock-
werk nebst den darüber befindlichen Mauern und dem Drucke D noch eine besondere Be-
lastung Q zu tragen habe, so wird der gesammte Druck auf die Mauer des nächst untern
Stockwerkes D + g . d . h . l + Q seyn. Für diesen Druck muss die Mauer die Dicke c e = d'
erhalten, während sie oben bei dem Drucke D bloss die Dicke a b = d hat. Die Dicke
d' bestimmt sich demnach aus der Proportion D : d = D + g . d . h . l + Q : d', woraus
[Formel 1] folgt (I).

Auf die Mauer f k drückt nebst der Last auf c e, welche D + g . d . h . l + Q be-
trägt, noch das Gewicht der Mauer c e f k und die besondere Belastung in f k, welche
wir eben so, wie in c e, = Q annehmen wollen. Wir haben daher zur Bestimmung der
Dicke der Mauer im zweiten Geschosse von oben herab die Proportion:
D : d = D + g . d . h . l + Q + g . d' . h . l + Q : d'' oder substituirt
[Formel 2] ,
demnach ist
[Formel 3] ,

47 *
Stärke über einander stehender Mauern.
§. 338.

Die meisten Mauern werden in der Absicht gebaut, bestimmte Lasten zu tragen; da
sie nun den aufgelegten Lasten nur durch ihre rückwirkende Festigkeit widerstehen, so
folgt, dass bei einem 2, 3, 4 ..... nmal grössern Drucke auch eine 2, 3, 4 … nmal
so grosse Grundfläche der Mauer erfordert wird, wenn die Last von jeder Mauer mit
gleicher Sicherheit getragen werden soll
. Wenn daher bei hohen Mauern
oder bei einem Gebäude mit mehreren Stockwerken die Widerstandsfähigkeit der Mauern
in allen Höhen gleich seyn soll, so können die Breiten oder Dicken dieser Mauern nach
der ganzen Höhe nicht gleich genommen werden und es muss die obere Mauer, welche
eine kleinere Last zu tragen hat, offenbar eine kleinere Dicke erhalten, als die untere,
welche gewöhnlich nebst der obern Last sammt der Mauer noch eine besondere Last zu
tragen hat.

Man hat bisher als praktische Regeln angenommen, dass die Stärke einer Haupt-
mauer von Quadern unmittelbar unter dem Dachstuhle, also im obersten Stockwerke, um
jeder zufälligen oder beständigen Belastung (D) mit Sicherheit zu widerstehen, wenigstens
1 Fuss = d dick seyn muss. Für eine Hauptmauer von Ziegeln ist die geringste Dicke in die-
sem Falle 1,5 Fuss = d; ist aber eine Hauptmauer bloss von guten Bruchsteinen, so wird
ihre Dicke auf gleiche Art wenigstens 2 Fuss = d angenommen. Aus diesen Erfahrungen
lässt sich nunmehr die zunehmende Stärke der Mauern in den einzelnen Stockwerken nach
dem Grundsatze berechnen, dass alle diese übereinanderstehenden Mauern gegen das
Zerdrücken gleich gesichert
seyn sollen.

Es sey der Druck des Dachstuhles sammt Gesperren, Ziegeln und allen andern Bela-Fig.
8.
Tab.
16.

stungen, die auf der obersten Mauer a b ruhen = D, die obere Dicke dieser Mauer
a b = d, die Höhe eines Stockwerkes a c = c f .... = h, die Länge der ganzen
Mauer = 1 und das Gewicht ihrer kubischen Einheit = g, so ist das Gewicht der Mauer
im obersten Stockwerke = g . d . h . l. Wir wollen nun annehmen, dass ein jedes Stock-
werk nebst den darüber befindlichen Mauern und dem Drucke D noch eine besondere Be-
lastung Q zu tragen habe, so wird der gesammte Druck auf die Mauer des nächst untern
Stockwerkes D + g . d . h . l + Q seyn. Für diesen Druck muss die Mauer die Dicke c e = d'
erhalten, während sie oben bei dem Drucke D bloss die Dicke a b = d hat. Die Dicke
d' bestimmt sich demnach aus der Proportion D : d = D + g . d . h . l + Q : d', woraus
[Formel 1] folgt (I).

Auf die Mauer f k drückt nebst der Last auf c e, welche D + g . d . h . l + Q be-
trägt, noch das Gewicht der Mauer c e f k und die besondere Belastung in f k, welche
wir eben so, wie in c e, = Q annehmen wollen. Wir haben daher zur Bestimmung der
Dicke der Mauer im zweiten Geschosse von oben herab die Proportion:
D : d = D + g . d . h . l + Q + g . d' . h . l + Q : d'' oder substituirt
[Formel 2] ,
demnach ist
[Formel 3] ,

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[371/0401] Stärke über einander stehender Mauern. §. 338. Die meisten Mauern werden in der Absicht gebaut, bestimmte Lasten zu tragen; da sie nun den aufgelegten Lasten nur durch ihre rückwirkende Festigkeit widerstehen, so folgt, dass bei einem 2, 3, 4 ..... nmal grössern Drucke auch eine 2, 3, 4 … nmal so grosse Grundfläche der Mauer erfordert wird, wenn die Last von jeder Mauer mit gleicher Sicherheit getragen werden soll. Wenn daher bei hohen Mauern oder bei einem Gebäude mit mehreren Stockwerken die Widerstandsfähigkeit der Mauern in allen Höhen gleich seyn soll, so können die Breiten oder Dicken dieser Mauern nach der ganzen Höhe nicht gleich genommen werden und es muss die obere Mauer, welche eine kleinere Last zu tragen hat, offenbar eine kleinere Dicke erhalten, als die untere, welche gewöhnlich nebst der obern Last sammt der Mauer noch eine besondere Last zu tragen hat. Man hat bisher als praktische Regeln angenommen, dass die Stärke einer Haupt- mauer von Quadern unmittelbar unter dem Dachstuhle, also im obersten Stockwerke, um jeder zufälligen oder beständigen Belastung (D) mit Sicherheit zu widerstehen, wenigstens 1 Fuss = d dick seyn muss. Für eine Hauptmauer von Ziegeln ist die geringste Dicke in die- sem Falle 1,5 Fuss = d; ist aber eine Hauptmauer bloss von guten Bruchsteinen, so wird ihre Dicke auf gleiche Art wenigstens 2 Fuss = d angenommen. Aus diesen Erfahrungen lässt sich nunmehr die zunehmende Stärke der Mauern in den einzelnen Stockwerken nach dem Grundsatze berechnen, dass alle diese übereinanderstehenden Mauern gegen das Zerdrücken gleich gesichert seyn sollen. Es sey der Druck des Dachstuhles sammt Gesperren, Ziegeln und allen andern Bela- stungen, die auf der obersten Mauer a b ruhen = D, die obere Dicke dieser Mauer a b = d, die Höhe eines Stockwerkes a c = c f .... = h, die Länge der ganzen Mauer = 1 und das Gewicht ihrer kubischen Einheit = g, so ist das Gewicht der Mauer im obersten Stockwerke = g . d . h . l. Wir wollen nun annehmen, dass ein jedes Stock- werk nebst den darüber befindlichen Mauern und dem Drucke D noch eine besondere Be- lastung Q zu tragen habe, so wird der gesammte Druck auf die Mauer des nächst untern Stockwerkes D + g . d . h . l + Q seyn. Für diesen Druck muss die Mauer die Dicke c e = d' erhalten, während sie oben bei dem Drucke D bloss die Dicke a b = d hat. Die Dicke d' bestimmt sich demnach aus der Proportion D : d = D + g . d . h . l + Q : d', woraus [FORMEL] folgt (I). Fig. 8. Tab. 16. Auf die Mauer f k drückt nebst der Last auf c e, welche D + g . d . h . l + Q be- trägt, noch das Gewicht der Mauer c e f k und die besondere Belastung in f k, welche wir eben so, wie in c e, = Q annehmen wollen. Wir haben daher zur Bestimmung der Dicke der Mauer im zweiten Geschosse von oben herab die Proportion: D : d = D + g . d . h . l + Q + g . d' . h . l + Q : d'' oder substituirt [FORMEL], demnach ist [FORMEL], 47 *

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/401>, abgerufen am 19.04.2024.