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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Stabilität der Mauern.
Fig.
1.
Tab.
17.

Wirkt gegen einen auf einer horizontalen Fläche aufgestellten Körper Fig. 1
bloss seine Schwere, d. h. ist S = 0, so ist sein Gewicht im Schwerpunkte o zu-
gleich die mittlere Kraft selbst und o p deren Richtung; sie fällt demnach in die
Mitte der Basis, und der Körper hat die möglichst grösste Stabilität. Wir können daher
die Linie u B für das Maass der Stabilität annehmen, und man sieht in dieser Hin-
sicht, dass die Stabilität am grössten ist, wenn der Punkt u in die Mitte der Basis eines
Körpers fällt, und dass sie um so kleiner wird, je näher der Punkt u gegen das Ende B
der Basis rückt. Fällt der Punkt u mit B zusammen, oder geht die Richtung der Dia-
Fig.
3.
gonalkraft durch B selbst, wie Fig. 3, so erreicht die Stabilität ihre Gränze, und die
geringste Vermehrung der Kraft S ist im Stande den Körper umzuwerfen. In diesem
Falle verhält sich die Kraft S zur Last G, wie die halbe Basis p B = [Formel 1] zur Höhe
B E = h, auf welcher die Kraft wirkt. Es ist daher S . h = [Formel 2] die Gleichung für
das Gleichgewicht an dem Winkelhebel p B E, dessen Unterstützungspunkt B ist. Hier-
aus erklärt sich die leichte Beweglichkeit einer Kugel, eines Rades, einer Walze etc.;
bei allen diesen Körpern ruht nämlich die Last nur auf einem Punkte und es ist in je-
der Lage derselben ihre Stabilität = 0. Zum Transporte grosser Lasten ist daher die
runde Gestalt die vortheilhafteste.

§. 349.
Fig.
1.

Setzen wir die Höhe der Mauer B D = H, ihre Länge B F = 1, ihre Breite oder
Dicke A B = d und das Gewicht ihrer kubischen Einheit = g, so ist das Gewicht der
ganzen Mauer G = g . H . l . d. Werden diese Werthe in die im vorigen §. gefundene
Gleichung für die Stabilität gesetzt, so findet man S = [Formel 3] .

Bei dieser Rechnung wird vorausgesetzt, dass die Kraft S nur in einem einzigen Punk-
te auf die Mauer wirke, allein in den meisten Fällen ist diese Kraft der ganzen Länge der
Mauer nach gleich vertheilt, wie z. B. bei Mauern gegen den Erdendruck, bei Mauern,
an welche sich Gewölbe stützen, bei freistehenden Wänden, die dem Winde ausgesetzt
sind etc. Verstehen wir daher unter S den Druck auf die Einheit des Längenmaasses,
so ist S . l der Druck auf die ganze Länge l und wir erhalten S . l = [Formel 4] .
Wird hier zu beiden Seiten mit l dividirt, so ist S = [Formel 5] . Wir sehen hier-
aus, dass der Widerstand einer senkrechten Mauer desto grösser wird, je schwerer (g) die
Steine oder Ziegeln sind, aus welchen die Mauer besteht, je grösser das Verhältniss der
Höhe (H) der Mauer gegen die Höhe (h), in welcher die äussere Kraft wirkt, dann aber
vorzüglich, je mehr die Basis oder Dicke der Mauer (d) beträgt.

Bezeichnen wir die Dicken zweier gleich langen und aus demselben Materiale erbau-
ten Mauern mit d und D, und nehmen an, dass die Kraft an dem obern Ende einer jeden
Mauer wirke, so verhalten sich die Widerstandskräfte dieser 2 Mauern, S : S' = d2 : D2. Die-
se Proportion lässt sich übrigens auch aus dem Begriffe vom Hebel ableiten. Wird näm-
lich die Dicke einer Mauer 2, 3, 4 .... n mal grösser, so wird sowohl der Hebelsarm,

Stabilität der Mauern.
Fig.
1.
Tab.
17.

Wirkt gegen einen auf einer horizontalen Fläche aufgestellten Körper Fig. 1
bloss seine Schwere, d. h. ist S = 0, so ist sein Gewicht im Schwerpunkte o zu-
gleich die mittlere Kraft selbst und o p deren Richtung; sie fällt demnach in die
Mitte der Basis, und der Körper hat die möglichst grösste Stabilität. Wir können daher
die Linie u B für das Maass der Stabilität annehmen, und man sieht in dieser Hin-
sicht, dass die Stabilität am grössten ist, wenn der Punkt u in die Mitte der Basis eines
Körpers fällt, und dass sie um so kleiner wird, je näher der Punkt u gegen das Ende B
der Basis rückt. Fällt der Punkt u mit B zusammen, oder geht die Richtung der Dia-
Fig.
3.
gonalkraft durch B selbst, wie Fig. 3, so erreicht die Stabilität ihre Gränze, und die
geringste Vermehrung der Kraft S ist im Stande den Körper umzuwerfen. In diesem
Falle verhält sich die Kraft S zur Last G, wie die halbe Basis p B = [Formel 1] zur Höhe
B E = h, auf welcher die Kraft wirkt. Es ist daher S . h = [Formel 2] die Gleichung für
das Gleichgewicht an dem Winkelhebel p B E, dessen Unterstützungspunkt B ist. Hier-
aus erklärt sich die leichte Beweglichkeit einer Kugel, eines Rades, einer Walze etc.;
bei allen diesen Körpern ruht nämlich die Last nur auf einem Punkte und es ist in je-
der Lage derselben ihre Stabilität = 0. Zum Transporte grosser Lasten ist daher die
runde Gestalt die vortheilhafteste.

§. 349.
Fig.
1.

Setzen wir die Höhe der Mauer B D = H, ihre Länge B F = 1, ihre Breite oder
Dicke A B = d und das Gewicht ihrer kubischen Einheit = g, so ist das Gewicht der
ganzen Mauer G = g . H . l . d. Werden diese Werthe in die im vorigen §. gefundene
Gleichung für die Stabilität gesetzt, so findet man S = [Formel 3] .

Bei dieser Rechnung wird vorausgesetzt, dass die Kraft S nur in einem einzigen Punk-
te auf die Mauer wirke, allein in den meisten Fällen ist diese Kraft der ganzen Länge der
Mauer nach gleich vertheilt, wie z. B. bei Mauern gegen den Erdendruck, bei Mauern,
an welche sich Gewölbe stützen, bei freistehenden Wänden, die dem Winde ausgesetzt
sind etc. Verstehen wir daher unter S den Druck auf die Einheit des Längenmaasses,
so ist S . l der Druck auf die ganze Länge l und wir erhalten S . l = [Formel 4] .
Wird hier zu beiden Seiten mit l dividirt, so ist S = [Formel 5] . Wir sehen hier-
aus, dass der Widerstand einer senkrechten Mauer desto grösser wird, je schwerer (g) die
Steine oder Ziegeln sind, aus welchen die Mauer besteht, je grösser das Verhältniss der
Höhe (H) der Mauer gegen die Höhe (h), in welcher die äussere Kraft wirkt, dann aber
vorzüglich, je mehr die Basis oder Dicke der Mauer (d) beträgt.

Bezeichnen wir die Dicken zweier gleich langen und aus demselben Materiale erbau-
ten Mauern mit d und D, und nehmen an, dass die Kraft an dem obern Ende einer jeden
Mauer wirke, so verhalten sich die Widerstandskräfte dieser 2 Mauern, S : S' = d2 : D2. Die-
se Proportion lässt sich übrigens auch aus dem Begriffe vom Hebel ableiten. Wird näm-
lich die Dicke einer Mauer 2, 3, 4 .... n mal grösser, so wird sowohl der Hebelsarm,

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[386/0416] Stabilität der Mauern. Wirkt gegen einen auf einer horizontalen Fläche aufgestellten Körper Fig. 1 bloss seine Schwere, d. h. ist S = 0, so ist sein Gewicht im Schwerpunkte o zu- gleich die mittlere Kraft selbst und o p deren Richtung; sie fällt demnach in die Mitte der Basis, und der Körper hat die möglichst grösste Stabilität. Wir können daher die Linie u B für das Maass der Stabilität annehmen, und man sieht in dieser Hin- sicht, dass die Stabilität am grössten ist, wenn der Punkt u in die Mitte der Basis eines Körpers fällt, und dass sie um so kleiner wird, je näher der Punkt u gegen das Ende B der Basis rückt. Fällt der Punkt u mit B zusammen, oder geht die Richtung der Dia- gonalkraft durch B selbst, wie Fig. 3, so erreicht die Stabilität ihre Gränze, und die geringste Vermehrung der Kraft S ist im Stande den Körper umzuwerfen. In diesem Falle verhält sich die Kraft S zur Last G, wie die halbe Basis p B = [FORMEL] zur Höhe B E = h, auf welcher die Kraft wirkt. Es ist daher S . h = [FORMEL] die Gleichung für das Gleichgewicht an dem Winkelhebel p B E, dessen Unterstützungspunkt B ist. Hier- aus erklärt sich die leichte Beweglichkeit einer Kugel, eines Rades, einer Walze etc.; bei allen diesen Körpern ruht nämlich die Last nur auf einem Punkte und es ist in je- der Lage derselben ihre Stabilität = 0. Zum Transporte grosser Lasten ist daher die runde Gestalt die vortheilhafteste. Fig. 3. §. 349. Setzen wir die Höhe der Mauer B D = H, ihre Länge B F = 1, ihre Breite oder Dicke A B = d und das Gewicht ihrer kubischen Einheit = g, so ist das Gewicht der ganzen Mauer G = g . H . l . d. Werden diese Werthe in die im vorigen §. gefundene Gleichung für die Stabilität gesetzt, so findet man S = [FORMEL]. Bei dieser Rechnung wird vorausgesetzt, dass die Kraft S nur in einem einzigen Punk- te auf die Mauer wirke, allein in den meisten Fällen ist diese Kraft der ganzen Länge der Mauer nach gleich vertheilt, wie z. B. bei Mauern gegen den Erdendruck, bei Mauern, an welche sich Gewölbe stützen, bei freistehenden Wänden, die dem Winde ausgesetzt sind etc. Verstehen wir daher unter S den Druck auf die Einheit des Längenmaasses, so ist S . l der Druck auf die ganze Länge l und wir erhalten S . l = [FORMEL]. Wird hier zu beiden Seiten mit l dividirt, so ist S = [FORMEL]. Wir sehen hier- aus, dass der Widerstand einer senkrechten Mauer desto grösser wird, je schwerer (g) die Steine oder Ziegeln sind, aus welchen die Mauer besteht, je grösser das Verhältniss der Höhe (H) der Mauer gegen die Höhe (h), in welcher die äussere Kraft wirkt, dann aber vorzüglich, je mehr die Basis oder Dicke der Mauer (d) beträgt. Bezeichnen wir die Dicken zweier gleich langen und aus demselben Materiale erbau- ten Mauern mit d und D, und nehmen an, dass die Kraft an dem obern Ende einer jeden Mauer wirke, so verhalten sich die Widerstandskräfte dieser 2 Mauern, S : S' = d2 : D2. Die- se Proportion lässt sich übrigens auch aus dem Begriffe vom Hebel ableiten. Wird näm- lich die Dicke einer Mauer 2, 3, 4 .... n mal grösser, so wird sowohl der Hebelsarm,

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/416>, abgerufen am 25.04.2024.