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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Vor- und Nachtheile der Frachtwägen.
war. Nur der Umstand kommt hiebei zu statten, dass die Achsen und Naben
rund abgedreht, geschmiert und mit Eisen beschlagen werden können, wodurch
sowohl der Reibungswiderstand vermindert, als auch für längere Dauer gesorgt wird.
2tens Sowohl durch einzelne im Wege liegende Steine, als auch auf dem festen
Steinpflaster verlieren die Wägen durch das Anstossen der Räder an die
Steine einen Theil von ihrer Bewegung, der von der Zugkraft wieder ersetzt
werden muss. Das Rasseln und Poltern der Wägen auf den Gassen und Stras-
sen gibt dem Gehöre sehr merklich zu erkennen, welche bedeutende Kraft zur
fortwährenden Unterhaltung dieses Getöses erforderlich seyn müsse. Zuweilen
sind die Radreifen auf den Felgen mittelst eiserner Nägel befestigt, deren
Köpfe über den Radreifen hervorstehen. Hieraus entsteht ein Widerstand, der
gerade derselbe ist, als wenn Steine im Wege lägen, deren Höhe der Höhe
der Nagelköpfe gleich kommt.
3tens Die runde Peripherie der Räder, welche dem Wagen die leichte Beweglichkeit
gibt, hat den merkwürdigen Nachtheil gegen sich, dass der Wagen nur von
einer sehr kleinen unbedeutenden Fläche unterstützt, sonach der Punkt, wo
die Räder die Strasse berühren, von der Last des Wagens eingedrückt wird.
Die Räder lassen desshalb Geleise zurück, welche nach Verhältniss der La-
dung und der Nachgiebigkeit des Bodens tiefer werden, und in demselben
Maasse auch die Fahrt beschwerlicher machen.
4tens Die meisten Wagenräder sind konisch gebaut, d. h. die Speichen stehen mit
den Radfelgen nicht in einer und derselben Ebene, sondern sie bilden die
Oberfläche eines Kegels, dessen Achse in die Mitte der Wagenachse fällt. Da
nun die Oberfläche des Radreifens senkrecht auf diesen Kegel steht, so laufen
nicht alle Punkte in der Oberfläche des Radreifens mit gleicher Geschwindig-
keit herum, und zwar werden die Punkte ausserhalb am Wagen einen kleinern
und die Punkte am Radreifen zunächst des Wagenkastens einen grössern Kreis
beschreiben, folglich entsteht eine Reibung oder Schleifung des Radreifens auf
dem Erdboden, wodurch wieder ein besonderer Widerstand hervorgebracht wird.
5tens Die Art der Bespannung oder die Richtung der Zugstränge kann auch ein Hin-
derniss für die Zugkraft werden, wenn dadurch der Druck des Wagens an die
vorkommenden Steine, Sand und Erde vermehrt, oder im Gegentheile durch eine
zu hohe Richtung den Pferden zu viel Last aufgebürdet wird.
6tens Nebst diesen Widerständen, welche auf horizontalen Strassen vorhanden sind,
kommt bei Gebirgsstrassen noch ein bedeutender Widerstand vor, indem nur
ein Theil der Last von der Strasse getragen wird, der übrige Theil aber von
den Pferden gezogen werden muss, wobei nicht nur das Gewicht des leeren
Wagens, sondern auch jenes der Zugpferde der Kraft entgegen wirkt.

Wir wollen nun versuchen, alle diese Gegenstände in Rechnungsformen zu bringen,
um vorläufig mit den Gesetzen, denen diese Hindernisse unterliegen, bekannt zu werden,
und ihre eigentliche Grösse aus der Erfahrung entnehmen zu können. Diese Theorie
wird dann von selbst die Regeln angeben, wie ihre nachtheilige Wirkung zweckmässig
vermindert, dagegen die Vortheile der Frachtwägen vermehrt und sonach von einer ge-

Vor- und Nachtheile der Frachtwägen.
war. Nur der Umstand kommt hiebei zu statten, dass die Achsen und Naben
rund abgedreht, geschmiert und mit Eisen beschlagen werden können, wodurch
sowohl der Reibungswiderstand vermindert, als auch für längere Dauer gesorgt wird.
2tens Sowohl durch einzelne im Wege liegende Steine, als auch auf dem festen
Steinpflaster verlieren die Wägen durch das Anstossen der Räder an die
Steine einen Theil von ihrer Bewegung, der von der Zugkraft wieder ersetzt
werden muss. Das Rasseln und Poltern der Wägen auf den Gassen und Stras-
sen gibt dem Gehöre sehr merklich zu erkennen, welche bedeutende Kraft zur
fortwährenden Unterhaltung dieses Getöses erforderlich seyn müsse. Zuweilen
sind die Radreifen auf den Felgen mittelst eiserner Nägel befestigt, deren
Köpfe über den Radreifen hervorstehen. Hieraus entsteht ein Widerstand, der
gerade derselbe ist, als wenn Steine im Wege lägen, deren Höhe der Höhe
der Nagelköpfe gleich kommt.
3tens Die runde Peripherie der Räder, welche dem Wagen die leichte Beweglichkeit
gibt, hat den merkwürdigen Nachtheil gegen sich, dass der Wagen nur von
einer sehr kleinen unbedeutenden Fläche unterstützt, sonach der Punkt, wo
die Räder die Strasse berühren, von der Last des Wagens eingedrückt wird.
Die Räder lassen desshalb Geleise zurück, welche nach Verhältniss der La-
dung und der Nachgiebigkeit des Bodens tiefer werden, und in demselben
Maasse auch die Fahrt beschwerlicher machen.
4tens Die meisten Wagenräder sind konisch gebaut, d. h. die Speichen stehen mit
den Radfelgen nicht in einer und derselben Ebene, sondern sie bilden die
Oberfläche eines Kegels, dessen Achse in die Mitte der Wagenachse fällt. Da
nun die Oberfläche des Radreifens senkrecht auf diesen Kegel steht, so laufen
nicht alle Punkte in der Oberfläche des Radreifens mit gleicher Geschwindig-
keit herum, und zwar werden die Punkte ausserhalb am Wagen einen kleinern
und die Punkte am Radreifen zunächst des Wagenkastens einen grössern Kreis
beschreiben, folglich entsteht eine Reibung oder Schleifung des Radreifens auf
dem Erdboden, wodurch wieder ein besonderer Widerstand hervorgebracht wird.
5tens Die Art der Bespannung oder die Richtung der Zugstränge kann auch ein Hin-
derniss für die Zugkraft werden, wenn dadurch der Druck des Wagens an die
vorkommenden Steine, Sand und Erde vermehrt, oder im Gegentheile durch eine
zu hohe Richtung den Pferden zu viel Last aufgebürdet wird.
6tens Nebst diesen Widerständen, welche auf horizontalen Strassen vorhanden sind,
kommt bei Gebirgsstrassen noch ein bedeutender Widerstand vor, indem nur
ein Theil der Last von der Strasse getragen wird, der übrige Theil aber von
den Pferden gezogen werden muss, wobei nicht nur das Gewicht des leeren
Wagens, sondern auch jenes der Zugpferde der Kraft entgegen wirkt.

Wir wollen nun versuchen, alle diese Gegenstände in Rechnungsformen zu bringen,
um vorläufig mit den Gesetzen, denen diese Hindernisse unterliegen, bekannt zu werden,
und ihre eigentliche Grösse aus der Erfahrung entnehmen zu können. Diese Theorie
wird dann von selbst die Regeln angeben, wie ihre nachtheilige Wirkung zweckmässig
vermindert, dagegen die Vortheile der Frachtwägen vermehrt und sonach von einer ge-

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[573/0605] Vor- und Nachtheile der Frachtwägen. war. Nur der Umstand kommt hiebei zu statten, dass die Achsen und Naben rund abgedreht, geschmiert und mit Eisen beschlagen werden können, wodurch sowohl der Reibungswiderstand vermindert, als auch für längere Dauer gesorgt wird. 2tens Sowohl durch einzelne im Wege liegende Steine, als auch auf dem festen Steinpflaster verlieren die Wägen durch das Anstossen der Räder an die Steine einen Theil von ihrer Bewegung, der von der Zugkraft wieder ersetzt werden muss. Das Rasseln und Poltern der Wägen auf den Gassen und Stras- sen gibt dem Gehöre sehr merklich zu erkennen, welche bedeutende Kraft zur fortwährenden Unterhaltung dieses Getöses erforderlich seyn müsse. Zuweilen sind die Radreifen auf den Felgen mittelst eiserner Nägel befestigt, deren Köpfe über den Radreifen hervorstehen. Hieraus entsteht ein Widerstand, der gerade derselbe ist, als wenn Steine im Wege lägen, deren Höhe der Höhe der Nagelköpfe gleich kommt. 3tens Die runde Peripherie der Räder, welche dem Wagen die leichte Beweglichkeit gibt, hat den merkwürdigen Nachtheil gegen sich, dass der Wagen nur von einer sehr kleinen unbedeutenden Fläche unterstützt, sonach der Punkt, wo die Räder die Strasse berühren, von der Last des Wagens eingedrückt wird. Die Räder lassen desshalb Geleise zurück, welche nach Verhältniss der La- dung und der Nachgiebigkeit des Bodens tiefer werden, und in demselben Maasse auch die Fahrt beschwerlicher machen. 4tens Die meisten Wagenräder sind konisch gebaut, d. h. die Speichen stehen mit den Radfelgen nicht in einer und derselben Ebene, sondern sie bilden die Oberfläche eines Kegels, dessen Achse in die Mitte der Wagenachse fällt. Da nun die Oberfläche des Radreifens senkrecht auf diesen Kegel steht, so laufen nicht alle Punkte in der Oberfläche des Radreifens mit gleicher Geschwindig- keit herum, und zwar werden die Punkte ausserhalb am Wagen einen kleinern und die Punkte am Radreifen zunächst des Wagenkastens einen grössern Kreis beschreiben, folglich entsteht eine Reibung oder Schleifung des Radreifens auf dem Erdboden, wodurch wieder ein besonderer Widerstand hervorgebracht wird. 5tens Die Art der Bespannung oder die Richtung der Zugstränge kann auch ein Hin- derniss für die Zugkraft werden, wenn dadurch der Druck des Wagens an die vorkommenden Steine, Sand und Erde vermehrt, oder im Gegentheile durch eine zu hohe Richtung den Pferden zu viel Last aufgebürdet wird. 6tens Nebst diesen Widerständen, welche auf horizontalen Strassen vorhanden sind, kommt bei Gebirgsstrassen noch ein bedeutender Widerstand vor, indem nur ein Theil der Last von der Strasse getragen wird, der übrige Theil aber von den Pferden gezogen werden muss, wobei nicht nur das Gewicht des leeren Wagens, sondern auch jenes der Zugpferde der Kraft entgegen wirkt. Wir wollen nun versuchen, alle diese Gegenstände in Rechnungsformen zu bringen, um vorläufig mit den Gesetzen, denen diese Hindernisse unterliegen, bekannt zu werden, und ihre eigentliche Grösse aus der Erfahrung entnehmen zu können. Diese Theorie wird dann von selbst die Regeln angeben, wie ihre nachtheilige Wirkung zweckmässig vermindert, dagegen die Vortheile der Frachtwägen vermehrt und sonach von einer ge-

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/605>, abgerufen am 29.03.2024.