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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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V. Kapitel.
Bewegung des Wassers in Kanälen und Flussbetten.

§. 204.

Man versteht gewöhnlich unter Strom (fleuve) ein fliessendes Wasser, welches sich
unmittelbar in das Meer ergiesst, als z. B. die Elbe, Donau, der Rhein u. s. w.; unter
Fluss (riviere) wird aber jenes fliessende Gewässer verstanden, welches sich nicht
unmittelbar in das Meer, sondern erst in einen Strom ergiesst, und bei der Vereini-
gung mit dem Strome den Namen verliert, als z. B. die Moldau, Eger, March u. s. w.
Endlich wird unter Bach (Ruisseau) dasjenige fliessende Gewässer verstanden, wel-
ches nicht zur Schiffahrt benützt werden kann, und viel kleiner als jeder Fluss ist.

Unter Kanal wird ein fliessendes oder auch stehendes Gewässer verstanden, wel-
ches künstlich ausgegraben wurde, und entweder zur Betreibung von Maschinerien
oder aber zur Schiffahrt benützt wird. Die erste Art Kanäle, gewöhnlich Mühlen-
kanäle
genannt, sind sehr häufig bei unsern Getreidemühlen, Bretsägen und andern
Maschinenwerken angewendet; die Schiffahrtskanäle sind jedoch in Oesterreich noch
wenig in Ausführung gekommen und wurden mehr in flachen Ländern angelegt, wo
die Schwierigkeit ihrer Ausführung nicht so gross ist; z. B. in der Lombardie, in
den Niederlanden, in England u. s. w., doch sind in neuern Zeiten ebenfalls Kanäle
über hohe Gebirge jedoch mit bedeutendem Kostenaufwande angelegt worden.

Bei jedem Strome, Flusse oder Bache sind folgende Gegenstände zu betrachten:
1tens. Der Rinnsaal oder das Bette (lit) desselben, nämlich die Höhlung, wel-
che diese Gewässer in der Erdoberfläche ausgewühlt haben und in welchen sie sich
bewegen. 2tens. Der Querschnitt oder das Querprofil (Section) des Flusses,
welches man erhält, wenn man sich eine Ebene senkrecht auf die Richtung seines Lau-
fes denkt. 3tens. Das Gefälle (pente) eines Flusses, welches die Neigung dessel-
ben unterhalb dem Horizonte ist. 4tens. Das Längenprofil eines Flusses oder
der Durchschnitt desselben seiner ganzen Länge nach.

§. 205.

Bei einem Flusse reicht es nicht hin, das Gefälle im Ganzen zu bestimmen z. B.
zu sagen, er habe 20 Klafter Fall, sondern man muss jederzeit auch hinzufügen, auf

Gerstner's Mechanik. Band II. 36
V. Kapitel.
Bewegung des Wassers in Kanälen und Flussbetten.

§. 204.

Man versteht gewöhnlich unter Strom (fleuve) ein fliessendes Wasser, welches sich
unmittelbar in das Meer ergiesst, als z. B. die Elbe, Donau, der Rhein u. s. w.; unter
Fluss (rivière) wird aber jenes fliessende Gewässer verstanden, welches sich nicht
unmittelbar in das Meer, sondern erst in einen Strom ergiesst, und bei der Vereini-
gung mit dem Strome den Namen verliert, als z. B. die Moldau, Eger, March u. s. w.
Endlich wird unter Bach (Ruisseau) dasjenige fliessende Gewässer verstanden, wel-
ches nicht zur Schiffahrt benützt werden kann, und viel kleiner als jeder Fluss ist.

Unter Kanal wird ein fliessendes oder auch stehendes Gewässer verstanden, wel-
ches künstlich ausgegraben wurde, und entweder zur Betreibung von Maschinerien
oder aber zur Schiffahrt benützt wird. Die erste Art Kanäle, gewöhnlich Mühlen-
kanäle
genannt, sind sehr häufig bei unsern Getreidemühlen, Bretsägen und andern
Maschinenwerken angewendet; die Schiffahrtskanäle sind jedoch in Oesterreich noch
wenig in Ausführung gekommen und wurden mehr in flachen Ländern angelegt, wo
die Schwierigkeit ihrer Ausführung nicht so gross ist; z. B. in der Lombardie, in
den Niederlanden, in England u. s. w., doch sind in neuern Zeiten ebenfalls Kanäle
über hohe Gebirge jedoch mit bedeutendem Kostenaufwande angelegt worden.

Bei jedem Strome, Flusse oder Bache sind folgende Gegenstände zu betrachten:
1tens. Der Rinnsaal oder das Bette (lit) desselben, nämlich die Höhlung, wel-
che diese Gewässer in der Erdoberfläche ausgewühlt haben und in welchen sie sich
bewegen. 2tens. Der Querschnitt oder das Querprofil (Section) des Flusses,
welches man erhält, wenn man sich eine Ebene senkrecht auf die Richtung seines Lau-
fes denkt. 3tens. Das Gefälle (pente) eines Flusses, welches die Neigung dessel-
ben unterhalb dem Horizonte ist. 4tens. Das Längenprofil eines Flusses oder
der Durchschnitt desselben seiner ganzen Länge nach.

§. 205.

Bei einem Flusse reicht es nicht hin, das Gefälle im Ganzen zu bestimmen z. B.
zu sagen, er habe 20 Klafter Fall, sondern man muss jederzeit auch hinzufügen, auf

Gerstner’s Mechanik. Band II. 36
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[281/0299] V. Kapitel. Bewegung des Wassers in Kanälen und Flussbetten. §. 204. Man versteht gewöhnlich unter Strom (fleuve) ein fliessendes Wasser, welches sich unmittelbar in das Meer ergiesst, als z. B. die Elbe, Donau, der Rhein u. s. w.; unter Fluss (rivière) wird aber jenes fliessende Gewässer verstanden, welches sich nicht unmittelbar in das Meer, sondern erst in einen Strom ergiesst, und bei der Vereini- gung mit dem Strome den Namen verliert, als z. B. die Moldau, Eger, March u. s. w. Endlich wird unter Bach (Ruisseau) dasjenige fliessende Gewässer verstanden, wel- ches nicht zur Schiffahrt benützt werden kann, und viel kleiner als jeder Fluss ist. Unter Kanal wird ein fliessendes oder auch stehendes Gewässer verstanden, wel- ches künstlich ausgegraben wurde, und entweder zur Betreibung von Maschinerien oder aber zur Schiffahrt benützt wird. Die erste Art Kanäle, gewöhnlich Mühlen- kanäle genannt, sind sehr häufig bei unsern Getreidemühlen, Bretsägen und andern Maschinenwerken angewendet; die Schiffahrtskanäle sind jedoch in Oesterreich noch wenig in Ausführung gekommen und wurden mehr in flachen Ländern angelegt, wo die Schwierigkeit ihrer Ausführung nicht so gross ist; z. B. in der Lombardie, in den Niederlanden, in England u. s. w., doch sind in neuern Zeiten ebenfalls Kanäle über hohe Gebirge jedoch mit bedeutendem Kostenaufwande angelegt worden. Bei jedem Strome, Flusse oder Bache sind folgende Gegenstände zu betrachten: 1tens. Der Rinnsaal oder das Bette (lit) desselben, nämlich die Höhlung, wel- che diese Gewässer in der Erdoberfläche ausgewühlt haben und in welchen sie sich bewegen. 2tens. Der Querschnitt oder das Querprofil (Section) des Flusses, welches man erhält, wenn man sich eine Ebene senkrecht auf die Richtung seines Lau- fes denkt. 3tens. Das Gefälle (pente) eines Flusses, welches die Neigung dessel- ben unterhalb dem Horizonte ist. 4tens. Das Längenprofil eines Flusses oder der Durchschnitt desselben seiner ganzen Länge nach. §. 205. Bei einem Flusse reicht es nicht hin, das Gefälle im Ganzen zu bestimmen z. B. zu sagen, er habe 20 Klafter Fall, sondern man muss jederzeit auch hinzufügen, auf Gerstner’s Mechanik. Band II. 36

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/299>, abgerufen am 16.04.2024.