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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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Zweck der Wehren.
Wehren anlegen. Man baut nämlich, wie wir bereits gesehen haben, von dem Flusse
oder Bache abwärts einen Kanal, der nur so viel Gefälle erhält als es die Bewe-
gung des Wassers unmittelbar fordert. Damit nun aber das Wasser in diesen Ka-
nal hinein fliesse, muss man quer über den Fluss oder Bach ein Wehr bauen. Man
versteht hierunter einen Damm, welcher gewöhnlich von Holz mit dazwischen geleg-
ten Steinen über die ganze Breite des Flusses gebaut wird, das Wasser in die Höhe
staut, und es in den seitwärts geführten Kanal hinein zu fliessen zwingt. An Flüssen
sind die Kanäle unmittelbar neben oder auch in dem Flussbette, wie es in Prag der
Fall ist; sie stossen daher unmittelbar an die Wehren an und die Wasserräder stehen
sogleich neben dem Wehre, wogegen bei Bächen die Wehren häufig einige hundert
Klafter oberhalb dem Maschinenwerke liegen. Im ersten Falle werden unterschläch-
tige Räder
, im zweiten oberschlächtige Räder erbaut, deren Erklärung und
Bauart in den nächsten zwei Kapiteln unseres Werkes vorgetragen wird. Die Bauart
der Wehren gehört jedoch in den Gegenstand der Baukunst.

§. 243.

Man nennt den obersten Balken oder die Schwelle bei einem Wehre, worüber das
Wasser fliesst, so wie auch den Balken oder die Schwelle bei dem Einlaufe des Was-
sers in ein Gerinne die Hauptschwelle oder den Fachbaum. Die Höhe dieser
Schwelle ist, wie man leicht einsieht, die wichtigste Bestimmung bei einem jeden
Wehre und der Anlage eines Wasserwerkes. Liegt die Schwelle im Mühlgerinne, wie
es häufig geschieht, in der Sohle des Grundbettes und wird die Schwelle an der Wehr-
oberfläche erhöht, so wird auch das Gefälle vor dem Mühlgerinne erhöht, demnach
liegt es in dem Privatinteresse aller Müller, die Schwellen auf den Wehren mög-
lichst hoch zu legen. Zur Vermeidung der Nachtheile, welche hieraus durch die Uiber-
schwemmung der angränzenden Ländereien entstehen könnten, ist in allen Ländern
eine gesetzliche Bestimmung über die Höhe der Hauptschwellen auf der Oberfläche
der Wehren getroffen und es sind Pegel oder andere bestimmte, unverrückbare Zeichen
errichtet, nach welchen die Höhe der Schwellen auf dem Wehre und in den Mühlge-
rinnen bestimmt wird. Alle Mühlbesitzer dürfen nun diese Höhen unter schweren Ahn-
dungen nicht abändern und gewöhnlich besteht die Einrichtung, dass eine solche
Schwelle nur in Gegenwart eines Beamten der Wasserbaubehörde gelegt werden darf.
So ist in Böhmen die gesetzliche Verfügung getroffen, dass die grösste Höhe der Schwelle
auf der Wehroberfläche über die Schwelle im Mühlgerinne nie mehr als 3 Fuss 6 Zoll
böhmisches Mass
betragen darf. Es gibt Wehren, bei denen diese Höhe weit gerin-
ger ist, jedoch an den schiffbaren Flüssen in Böhmen keine, deren Höhe grösser wäre.

Man nennt bei einem Wehre das Oberwasser dasjenige, welches sich ober dem
Wehre und das Unterwasser dasjenige, welches sich unterhalb desselben befindet;
demnach wird das Gefälle bei einem jeden Wehre erhalten, wenn man die
Höhe des Ober- und Unterwassers von einander abzieht; dieses Gefälle ist jedoch
zur Zeit, wenn das Wasser im Flusse anschwillt und das Wehr bedeutend überfliesst,
weit kleiner als bei niedrigem Wasserstande, wie denn auch z. B. in Prag die Weh-

Zweck der Wehren.
Wehren anlegen. Man baut nämlich, wie wir bereits gesehen haben, von dem Flusse
oder Bache abwärts einen Kanal, der nur so viel Gefälle erhält als es die Bewe-
gung des Wassers unmittelbar fordert. Damit nun aber das Wasser in diesen Ka-
nal hinein fliesse, muss man quer über den Fluss oder Bach ein Wehr bauen. Man
versteht hierunter einen Damm, welcher gewöhnlich von Holz mit dazwischen geleg-
ten Steinen über die ganze Breite des Flusses gebaut wird, das Wasser in die Höhe
staut, und es in den seitwärts geführten Kanal hinein zu fliessen zwingt. An Flüssen
sind die Kanäle unmittelbar neben oder auch in dem Flussbette, wie es in Prag der
Fall ist; sie stossen daher unmittelbar an die Wehren an und die Wasserräder stehen
sogleich neben dem Wehre, wogegen bei Bächen die Wehren häufig einige hundert
Klafter oberhalb dem Maschinenwerke liegen. Im ersten Falle werden unterschläch-
tige Räder
, im zweiten oberschlächtige Räder erbaut, deren Erklärung und
Bauart in den nächsten zwei Kapiteln unseres Werkes vorgetragen wird. Die Bauart
der Wehren gehört jedoch in den Gegenstand der Baukunst.

§. 243.

Man nennt den obersten Balken oder die Schwelle bei einem Wehre, worüber das
Wasser fliesst, so wie auch den Balken oder die Schwelle bei dem Einlaufe des Was-
sers in ein Gerinne die Hauptschwelle oder den Fachbaum. Die Höhe dieser
Schwelle ist, wie man leicht einsieht, die wichtigste Bestimmung bei einem jeden
Wehre und der Anlage eines Wasserwerkes. Liegt die Schwelle im Mühlgerinne, wie
es häufig geschieht, in der Sohle des Grundbettes und wird die Schwelle an der Wehr-
oberfläche erhöht, so wird auch das Gefälle vor dem Mühlgerinne erhöht, demnach
liegt es in dem Privatinteresse aller Müller, die Schwellen auf den Wehren mög-
lichst hoch zu legen. Zur Vermeidung der Nachtheile, welche hieraus durch die Uiber-
schwemmung der angränzenden Ländereien entstehen könnten, ist in allen Ländern
eine gesetzliche Bestimmung über die Höhe der Hauptschwellen auf der Oberfläche
der Wehren getroffen und es sind Pegel oder andere bestimmte, unverrückbare Zeichen
errichtet, nach welchen die Höhe der Schwellen auf dem Wehre und in den Mühlge-
rinnen bestimmt wird. Alle Mühlbesitzer dürfen nun diese Höhen unter schweren Ahn-
dungen nicht abändern und gewöhnlich besteht die Einrichtung, dass eine solche
Schwelle nur in Gegenwart eines Beamten der Wasserbaubehörde gelegt werden darf.
So ist in Böhmen die gesetzliche Verfügung getroffen, dass die grösste Höhe der Schwelle
auf der Wehroberfläche über die Schwelle im Mühlgerinne nie mehr als 3 Fuss 6 Zoll
böhmisches Mass
betragen darf. Es gibt Wehren, bei denen diese Höhe weit gerin-
ger ist, jedoch an den schiffbaren Flüssen in Böhmen keine, deren Höhe grösser wäre.

Man nennt bei einem Wehre das Oberwasser dasjenige, welches sich ober dem
Wehre und das Unterwasser dasjenige, welches sich unterhalb desselben befindet;
demnach wird das Gefälle bei einem jeden Wehre erhalten, wenn man die
Höhe des Ober- und Unterwassers von einander abzieht; dieses Gefälle ist jedoch
zur Zeit, wenn das Wasser im Flusse anschwillt und das Wehr bedeutend überfliesst,
weit kleiner als bei niedrigem Wasserstande, wie denn auch z. B. in Prag die Weh-

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[327/0345] Zweck der Wehren. Wehren anlegen. Man baut nämlich, wie wir bereits gesehen haben, von dem Flusse oder Bache abwärts einen Kanal, der nur so viel Gefälle erhält als es die Bewe- gung des Wassers unmittelbar fordert. Damit nun aber das Wasser in diesen Ka- nal hinein fliesse, muss man quer über den Fluss oder Bach ein Wehr bauen. Man versteht hierunter einen Damm, welcher gewöhnlich von Holz mit dazwischen geleg- ten Steinen über die ganze Breite des Flusses gebaut wird, das Wasser in die Höhe staut, und es in den seitwärts geführten Kanal hinein zu fliessen zwingt. An Flüssen sind die Kanäle unmittelbar neben oder auch in dem Flussbette, wie es in Prag der Fall ist; sie stossen daher unmittelbar an die Wehren an und die Wasserräder stehen sogleich neben dem Wehre, wogegen bei Bächen die Wehren häufig einige hundert Klafter oberhalb dem Maschinenwerke liegen. Im ersten Falle werden unterschläch- tige Räder, im zweiten oberschlächtige Räder erbaut, deren Erklärung und Bauart in den nächsten zwei Kapiteln unseres Werkes vorgetragen wird. Die Bauart der Wehren gehört jedoch in den Gegenstand der Baukunst. §. 243. Man nennt den obersten Balken oder die Schwelle bei einem Wehre, worüber das Wasser fliesst, so wie auch den Balken oder die Schwelle bei dem Einlaufe des Was- sers in ein Gerinne die Hauptschwelle oder den Fachbaum. Die Höhe dieser Schwelle ist, wie man leicht einsieht, die wichtigste Bestimmung bei einem jeden Wehre und der Anlage eines Wasserwerkes. Liegt die Schwelle im Mühlgerinne, wie es häufig geschieht, in der Sohle des Grundbettes und wird die Schwelle an der Wehr- oberfläche erhöht, so wird auch das Gefälle vor dem Mühlgerinne erhöht, demnach liegt es in dem Privatinteresse aller Müller, die Schwellen auf den Wehren mög- lichst hoch zu legen. Zur Vermeidung der Nachtheile, welche hieraus durch die Uiber- schwemmung der angränzenden Ländereien entstehen könnten, ist in allen Ländern eine gesetzliche Bestimmung über die Höhe der Hauptschwellen auf der Oberfläche der Wehren getroffen und es sind Pegel oder andere bestimmte, unverrückbare Zeichen errichtet, nach welchen die Höhe der Schwellen auf dem Wehre und in den Mühlge- rinnen bestimmt wird. Alle Mühlbesitzer dürfen nun diese Höhen unter schweren Ahn- dungen nicht abändern und gewöhnlich besteht die Einrichtung, dass eine solche Schwelle nur in Gegenwart eines Beamten der Wasserbaubehörde gelegt werden darf. So ist in Böhmen die gesetzliche Verfügung getroffen, dass die grösste Höhe der Schwelle auf der Wehroberfläche über die Schwelle im Mühlgerinne nie mehr als 3 Fuss 6 Zoll böhmisches Mass betragen darf. Es gibt Wehren, bei denen diese Höhe weit gerin- ger ist, jedoch an den schiffbaren Flüssen in Böhmen keine, deren Höhe grösser wäre. Man nennt bei einem Wehre das Oberwasser dasjenige, welches sich ober dem Wehre und das Unterwasser dasjenige, welches sich unterhalb desselben befindet; demnach wird das Gefälle bei einem jeden Wehre erhalten, wenn man die Höhe des Ober- und Unterwassers von einander abzieht; dieses Gefälle ist jedoch zur Zeit, wenn das Wasser im Flusse anschwillt und das Wehr bedeutend überfliesst, weit kleiner als bei niedrigem Wasserstande, wie denn auch z. B. in Prag die Weh-

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/345>, abgerufen am 20.04.2024.