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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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VI. Kapitel.
Stoss des Wassers und dessen Wirkung auf unter-
schlächtige Räder.

§. 255.

Die Benützung des Wassers zur Bewegung von Rädern und Mühlwerken soll beiläufig
um das Jahr 400 n. Chr. in Anwendung gekommen seyn. Geschichtlichen Mittheilun-
gen zu Folge waren die Mühlen in Rom an den Kanälen, welche das Wasser der Stadt
zuführten, angelegt. Als im Jahre 536 der König der Gothen Vitiges Rom belagerte,
liess derselbe die 14 grossen Wasserleitungen verstopfen und brachte auf diese Art die
Mühlen zum Stehen. Belisar liess nun die Mühlen auf Fahrzeuge setzen und von der
Tiber treiben, woraus allerdings hervorgeht, dass um jene Zeit auch schon die Schiff-
mühlen bekannt waren. Ausonius, welcher um das Jahr 379 lebte, erwähnt einer
Mühle, welche an einem kleinen Flusse lag, der in die Mosel fällt; hiernach wären
die Wassermühlen in Deutschland schon früher eingeführt gewesen.

Das Wasser kann zur Treibung eines Rades oder einer Mühle auf zweifache Art
angewendet werden, indem entweder die Schaufeln des Rades der Bewegung des flies-
senden Wassers so entgegengesetzt werden, dass dasselbe unterhalb der Radwelle diese
Schaufeln trifft; oder auch kann das Wasser oben auf ein Rad geleitet und in Kästen
(Zellen) geführt werden, welche sich an dem Umfange desselben befinden. Das Gewicht
des Wassers, welches im letztern Falle auf der einen Seite des Rades angebracht ist,
verursacht, dass das Rad hierdurch in Bewegung kommt und eine Kraft auszuüben
vermag. Hieraus ergibt sich auch die Eintheilung aller Räder, welche entweder un-
terschlächtig
, oder oberschlächtig oder auch mittelschlächtig sind. Bei
den erstern wirkt das Wasser bloss durch seinen Stoss, bei den zweiten fällt das Was-
ser auf das Rad und wirkt durch seinen Druck, bei den mittelschlächtigen Rädern
endlich wirkt das Wasser sowohl durch den Stoss als durch den Druck. Die unter-
schlächtigen Räder werden gewöhnlich an Flüssen mit geringerem Gefälle, die mittel-
schlächtigen an Flüssen mit grösserem Gefälle, die oberschlächtigen Räder aber ge-
wöhnlich an Bächen, wo das vorhandene Gefälle den Durchmesser des Rades übersteigt,
angewendet. An Teichen oder Seen, aus welchen das Wasser durch Schützen abge-
lassen wird, pflegt man meistens nur unterschlächtige oder mittelschlächtige Räder
anzulegen.

VI. Kapitel.
Stoss des Wassers und dessen Wirkung auf unter-
schlächtige Räder.

§. 255.

Die Benützung des Wassers zur Bewegung von Rädern und Mühlwerken soll beiläufig
um das Jahr 400 n. Chr. in Anwendung gekommen seyn. Geschichtlichen Mittheilun-
gen zu Folge waren die Mühlen in Rom an den Kanälen, welche das Wasser der Stadt
zuführten, angelegt. Als im Jahre 536 der König der Gothen Vitiges Rom belagerte,
liess derselbe die 14 grossen Wasserleitungen verstopfen und brachte auf diese Art die
Mühlen zum Stehen. Belisar liess nun die Mühlen auf Fahrzeuge setzen und von der
Tiber treiben, woraus allerdings hervorgeht, dass um jene Zeit auch schon die Schiff-
mühlen bekannt waren. Ausonius, welcher um das Jahr 379 lebte, erwähnt einer
Mühle, welche an einem kleinen Flusse lag, der in die Mosel fällt; hiernach wären
die Wassermühlen in Deutschland schon früher eingeführt gewesen.

Das Wasser kann zur Treibung eines Rades oder einer Mühle auf zweifache Art
angewendet werden, indem entweder die Schaufeln des Rades der Bewegung des flies-
senden Wassers so entgegengesetzt werden, dass dasselbe unterhalb der Radwelle diese
Schaufeln trifft; oder auch kann das Wasser oben auf ein Rad geleitet und in Kästen
(Zellen) geführt werden, welche sich an dem Umfange desselben befinden. Das Gewicht
des Wassers, welches im letztern Falle auf der einen Seite des Rades angebracht ist,
verursacht, dass das Rad hierdurch in Bewegung kommt und eine Kraft auszuüben
vermag. Hieraus ergibt sich auch die Eintheilung aller Räder, welche entweder un-
terschlächtig
, oder oberschlächtig oder auch mittelschlächtig sind. Bei
den erstern wirkt das Wasser bloss durch seinen Stoss, bei den zweiten fällt das Was-
ser auf das Rad und wirkt durch seinen Druck, bei den mittelschlächtigen Rädern
endlich wirkt das Wasser sowohl durch den Stoss als durch den Druck. Die unter-
schlächtigen Räder werden gewöhnlich an Flüssen mit geringerem Gefälle, die mittel-
schlächtigen an Flüssen mit grösserem Gefälle, die oberschlächtigen Räder aber ge-
wöhnlich an Bächen, wo das vorhandene Gefälle den Durchmesser des Rades übersteigt,
angewendet. An Teichen oder Seen, aus welchen das Wasser durch Schützen abge-
lassen wird, pflegt man meistens nur unterschlächtige oder mittelschlächtige Räder
anzulegen.

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[342/0360] VI. Kapitel. Stoss des Wassers und dessen Wirkung auf unter- schlächtige Räder. §. 255. Die Benützung des Wassers zur Bewegung von Rädern und Mühlwerken soll beiläufig um das Jahr 400 n. Chr. in Anwendung gekommen seyn. Geschichtlichen Mittheilun- gen zu Folge waren die Mühlen in Rom an den Kanälen, welche das Wasser der Stadt zuführten, angelegt. Als im Jahre 536 der König der Gothen Vitiges Rom belagerte, liess derselbe die 14 grossen Wasserleitungen verstopfen und brachte auf diese Art die Mühlen zum Stehen. Belisar liess nun die Mühlen auf Fahrzeuge setzen und von der Tiber treiben, woraus allerdings hervorgeht, dass um jene Zeit auch schon die Schiff- mühlen bekannt waren. Ausonius, welcher um das Jahr 379 lebte, erwähnt einer Mühle, welche an einem kleinen Flusse lag, der in die Mosel fällt; hiernach wären die Wassermühlen in Deutschland schon früher eingeführt gewesen. Das Wasser kann zur Treibung eines Rades oder einer Mühle auf zweifache Art angewendet werden, indem entweder die Schaufeln des Rades der Bewegung des flies- senden Wassers so entgegengesetzt werden, dass dasselbe unterhalb der Radwelle diese Schaufeln trifft; oder auch kann das Wasser oben auf ein Rad geleitet und in Kästen (Zellen) geführt werden, welche sich an dem Umfange desselben befinden. Das Gewicht des Wassers, welches im letztern Falle auf der einen Seite des Rades angebracht ist, verursacht, dass das Rad hierdurch in Bewegung kommt und eine Kraft auszuüben vermag. Hieraus ergibt sich auch die Eintheilung aller Räder, welche entweder un- terschlächtig, oder oberschlächtig oder auch mittelschlächtig sind. Bei den erstern wirkt das Wasser bloss durch seinen Stoss, bei den zweiten fällt das Was- ser auf das Rad und wirkt durch seinen Druck, bei den mittelschlächtigen Rädern endlich wirkt das Wasser sowohl durch den Stoss als durch den Druck. Die unter- schlächtigen Räder werden gewöhnlich an Flüssen mit geringerem Gefälle, die mittel- schlächtigen an Flüssen mit grösserem Gefälle, die oberschlächtigen Räder aber ge- wöhnlich an Bächen, wo das vorhandene Gefälle den Durchmesser des Rades übersteigt, angewendet. An Teichen oder Seen, aus welchen das Wasser durch Schützen abge- lassen wird, pflegt man meistens nur unterschlächtige oder mittelschlächtige Räder anzulegen.

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/360>, abgerufen am 29.03.2024.