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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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Widerstand der Boote im Wasser.

Es ist auffallend, dass ein Hintertheil in Form eines gleichseitigen Dreieckes den
verneinten Druck nicht nur nicht vermindert, sondern sogar vermehrt und dagegen
ein kreisförmiges Hintertheil den verneinten Druck vermindert. Wurde ein gleichsei-
tiges Dreieck an der Grundlinie eines gleichschenklichen angebracht, so vermehrte
sich der Widerstand nahe an der Oberfläche bedeutend, wie aus folgenden Versuchen
hervorgeht. Ein Keil von 43 Fuss Länge, 4,75 Fuss Breite und 1,28 Fuss Dicke, der
mit dem Wasser eben eingetaucht war, erforderte eine bewegende Kraft von 395,5 Pfun-
den, wenn seine Schärfe das Wasser mit 12 Fuss Geschwindigkeit in der Sekunde durch-
schneiden sollte. Befestigte man an denselben ein Hintertheil in Form eines gleich-
seitigen Dreieckes, so waren zur Hervorbringung derselben Geschwindigkeit 470 Pfund
erforderlich, also 74,5 Pfund mehr. Dass sowohl die Gestalt als die Länge dazu bei-
trugen, um den verneinten Druck zu vermindern, geht aus der Vergleichung der Versuche
mit den Figuren 14 und 15, Tab. VI. hervor. Aus der Vergleichung aller 6 Tabellen
ergeben sich zwar die angeführten interessanten Folgerungen, allein dieser Gegenstand
erfordert zu seiner gründlichen Behandlung noch weit mehrere mit Genauigkeit anzu-
stellende Versuche.

§. 345.

In den Philosophical transactions vom Jahre 1828 befinden sich nachstehende in-
teressante Versuche, welche der Civil-Ingenieur James Walker zu London über den
Widerstand, welchen Boote bei ihrer Bewegung im Wasser erfahren,
im Jahre 1827 anstellte. Diese Versuche wurden vorzüglich zu dem Zwecke gemacht,
um die Vermehrung des Widerstandes zu bestimmen, welchen ein Kanalschiff bei
Zunahme seiner Geschwindigkeit
erleidet. Da man nämlich in den letztern
Jahren in England, wie wir bereits in dem I. Bande unsers Werkes berichteten, mehrere
sehr bedeutende Eisenbahnen anlegte und aus Versuchen nachwies, dass die Kraft
zur Fortschaffung eines beladenen Wagens bei einer gut gelegten und wohl unterhal-
tenen Eisenbahn für jede Geschwindigkeit dieselbe sey (Siehe §. 583, I. Band), so ver-
fielen die Eigenthümer der bestehenden Kanäle auf den Gedanken, Dampfschiffe auf
denselben einzuführen, um wo möglich einen eben so schnellen Transport der Waaren
zu bewirken, als es auf den Eisenbahnen der Fall ist. Die Untersuchung der Frage,
in welchem Verhältnisse der Widerstand eines Kanalschiffes bei grösserer Geschwin-
digkeit zunehme, war daher für die Unternehmer der Kanäle und Eisenbahnen von gros-
ser Wichtigkeit, da man in England die Schnelligkeit des Verkehrs als eine vorzügliche
Bedingniss des Aufschwunges der Nazionalindustrie ansieht.

Herr Walker bemerkt in der Einleitung zu seinen Versuchen, dass die in Frank-
reich
angestellten Versuche mit Körpern von allzu geringen Dimensionen und nur für
eine Geschwindigkeit von höchstens 21/2 engl. Meilen in der Stunde (3,5 N. Oe. Fuss in
der Sekunde) gemacht wurden. In allen diesen Fällen habe überdiess die Reibung an
den Rollen, die Reibung des im Wasser herabhängenden Seiles, die Kürze des Rau-
mes, innerhalb welchem die gleichförmige Bewegung Statt fand, einen allzu grossen
Einfluss genommen, als dass man aus den Resultaten solcher Versuche mit Verlässlich-

Widerstand der Boote im Wasser.

Es ist auffallend, dass ein Hintertheil in Form eines gleichseitigen Dreieckes den
verneinten Druck nicht nur nicht vermindert, sondern sogar vermehrt und dagegen
ein kreisförmiges Hintertheil den verneinten Druck vermindert. Wurde ein gleichsei-
tiges Dreieck an der Grundlinie eines gleichschenklichen angebracht, so vermehrte
sich der Widerstand nahe an der Oberfläche bedeutend, wie aus folgenden Versuchen
hervorgeht. Ein Keil von 43 Fuss Länge, 4,75 Fuss Breite und 1,28 Fuss Dicke, der
mit dem Wasser eben eingetaucht war, erforderte eine bewegende Kraft von 395,5 Pfun-
den, wenn seine Schärfe das Wasser mit 12 Fuss Geschwindigkeit in der Sekunde durch-
schneiden sollte. Befestigte man an denselben ein Hintertheil in Form eines gleich-
seitigen Dreieckes, so waren zur Hervorbringung derselben Geschwindigkeit 470 Pfund
erforderlich, also 74,5 Pfund mehr. Dass sowohl die Gestalt als die Länge dazu bei-
trugen, um den verneinten Druck zu vermindern, geht aus der Vergleichung der Versuche
mit den Figuren 14 und 15, Tab. VI. hervor. Aus der Vergleichung aller 6 Tabellen
ergeben sich zwar die angeführten interessanten Folgerungen, allein dieser Gegenstand
erfordert zu seiner gründlichen Behandlung noch weit mehrere mit Genauigkeit anzu-
stellende Versuche.

§. 345.

In den Philosophical transactions vom Jahre 1828 befinden sich nachstehende in-
teressante Versuche, welche der Civil-Ingenieur James Walker zu London über den
Widerstand, welchen Boote bei ihrer Bewegung im Wasser erfahren,
im Jahre 1827 anstellte. Diese Versuche wurden vorzüglich zu dem Zwecke gemacht,
um die Vermehrung des Widerstandes zu bestimmen, welchen ein Kanalschiff bei
Zunahme seiner Geschwindigkeit
erleidet. Da man nämlich in den letztern
Jahren in England, wie wir bereits in dem I. Bande unsers Werkes berichteten, mehrere
sehr bedeutende Eisenbahnen anlegte und aus Versuchen nachwies, dass die Kraft
zur Fortschaffung eines beladenen Wagens bei einer gut gelegten und wohl unterhal-
tenen Eisenbahn für jede Geschwindigkeit dieselbe sey (Siehe §. 583, I. Band), so ver-
fielen die Eigenthümer der bestehenden Kanäle auf den Gedanken, Dampfschiffe auf
denselben einzuführen, um wo möglich einen eben so schnellen Transport der Waaren
zu bewirken, als es auf den Eisenbahnen der Fall ist. Die Untersuchung der Frage,
in welchem Verhältnisse der Widerstand eines Kanalschiffes bei grösserer Geschwin-
digkeit zunehme, war daher für die Unternehmer der Kanäle und Eisenbahnen von gros-
ser Wichtigkeit, da man in England die Schnelligkeit des Verkehrs als eine vorzügliche
Bedingniss des Aufschwunges der Nazionalindustrie ansieht.

Herr Walker bemerkt in der Einleitung zu seinen Versuchen, dass die in Frank-
reich
angestellten Versuche mit Körpern von allzu geringen Dimensionen und nur für
eine Geschwindigkeit von höchstens 2½ engl. Meilen in der Stunde (3,5 N. Oe. Fuss in
der Sekunde) gemacht wurden. In allen diesen Fällen habe überdiess die Reibung an
den Rollen, die Reibung des im Wasser herabhängenden Seiles, die Kürze des Rau-
mes, innerhalb welchem die gleichförmige Bewegung Statt fand, einen allzu grossen
Einfluss genommen, als dass man aus den Resultaten solcher Versuche mit Verlässlich-

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[478/0496] Widerstand der Boote im Wasser. Es ist auffallend, dass ein Hintertheil in Form eines gleichseitigen Dreieckes den verneinten Druck nicht nur nicht vermindert, sondern sogar vermehrt und dagegen ein kreisförmiges Hintertheil den verneinten Druck vermindert. Wurde ein gleichsei- tiges Dreieck an der Grundlinie eines gleichschenklichen angebracht, so vermehrte sich der Widerstand nahe an der Oberfläche bedeutend, wie aus folgenden Versuchen hervorgeht. Ein Keil von 43 Fuss Länge, 4,75 Fuss Breite und 1,28 Fuss Dicke, der mit dem Wasser eben eingetaucht war, erforderte eine bewegende Kraft von 395,5 Pfun- den, wenn seine Schärfe das Wasser mit 12 Fuss Geschwindigkeit in der Sekunde durch- schneiden sollte. Befestigte man an denselben ein Hintertheil in Form eines gleich- seitigen Dreieckes, so waren zur Hervorbringung derselben Geschwindigkeit 470 Pfund erforderlich, also 74,5 Pfund mehr. Dass sowohl die Gestalt als die Länge dazu bei- trugen, um den verneinten Druck zu vermindern, geht aus der Vergleichung der Versuche mit den Figuren 14 und 15, Tab. VI. hervor. Aus der Vergleichung aller 6 Tabellen ergeben sich zwar die angeführten interessanten Folgerungen, allein dieser Gegenstand erfordert zu seiner gründlichen Behandlung noch weit mehrere mit Genauigkeit anzu- stellende Versuche. §. 345. In den Philosophical transactions vom Jahre 1828 befinden sich nachstehende in- teressante Versuche, welche der Civil-Ingenieur James Walker zu London über den Widerstand, welchen Boote bei ihrer Bewegung im Wasser erfahren, im Jahre 1827 anstellte. Diese Versuche wurden vorzüglich zu dem Zwecke gemacht, um die Vermehrung des Widerstandes zu bestimmen, welchen ein Kanalschiff bei Zunahme seiner Geschwindigkeit erleidet. Da man nämlich in den letztern Jahren in England, wie wir bereits in dem I. Bande unsers Werkes berichteten, mehrere sehr bedeutende Eisenbahnen anlegte und aus Versuchen nachwies, dass die Kraft zur Fortschaffung eines beladenen Wagens bei einer gut gelegten und wohl unterhal- tenen Eisenbahn für jede Geschwindigkeit dieselbe sey (Siehe §. 583, I. Band), so ver- fielen die Eigenthümer der bestehenden Kanäle auf den Gedanken, Dampfschiffe auf denselben einzuführen, um wo möglich einen eben so schnellen Transport der Waaren zu bewirken, als es auf den Eisenbahnen der Fall ist. Die Untersuchung der Frage, in welchem Verhältnisse der Widerstand eines Kanalschiffes bei grösserer Geschwin- digkeit zunehme, war daher für die Unternehmer der Kanäle und Eisenbahnen von gros- ser Wichtigkeit, da man in England die Schnelligkeit des Verkehrs als eine vorzügliche Bedingniss des Aufschwunges der Nazionalindustrie ansieht. Herr Walker bemerkt in der Einleitung zu seinen Versuchen, dass die in Frank- reich angestellten Versuche mit Körpern von allzu geringen Dimensionen und nur für eine Geschwindigkeit von höchstens 2½ engl. Meilen in der Stunde (3,5 N. Oe. Fuss in der Sekunde) gemacht wurden. In allen diesen Fällen habe überdiess die Reibung an den Rollen, die Reibung des im Wasser herabhängenden Seiles, die Kürze des Rau- mes, innerhalb welchem die gleichförmige Bewegung Statt fand, einen allzu grossen Einfluss genommen, als dass man aus den Resultaten solcher Versuche mit Verlässlich-

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/496>, abgerufen am 25.04.2024.