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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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Beleuchtung der Vortheile der Kanalschiffahrt.
führte Erfahrung bei den englischen Kanälen entgegen, welche zeigt, dass die gewöhn-
liche Geschwindigkeit der Kanalschiffe von 21/2 engl. Meilen in der Stunde nicht grösser
ist, als die Geschwindigkeit der Frachtwägen auf ebenen Landstrassen. Die Kraftvermeh-
rung, welche von der kurzen Ruhe bei den Schleussen entstehen kann, wird nämlich
schon bei der Einfahrt und Ausfahrt aus den Schleussen erschöpft. Denn es ist bekannt,
dass alle Schleussenkammern zur Schonung der Baukosten und des Speisewassers enger
als der übrige Kanal und meistens nur so breit angelegt werden, dass nur ein oder
zwei Schiffe darin Raum finden und auch so viele ein- und ausgeführt werden. Weil nun
durch den kleinen Spielraum, der zwischen dem Schiffe und den Wänden der Schleusse
noch übrig ist, so viel Wasser, als der Raum des Schiffes beträgt, bei der Einfahrt
aus der Schleussenkammer hinausgetrieben wird, und bei der Ausfahrt wieder zurück-
treten muss, so wird im ersten Falle der Wasserstand vor dem Schiffe mehr erhöht
und im zweiten Falle hinter dem Schiffe mehr erniedrigt, als auf dem übrigen Kanale.
Selbst die Trägheit einer so grossen Schiffslast, welche sich bei dem Uibergange des
Schiffes von der Ruhe zur Bewegung äussert, kommt den ermüdeten Zugpferden zwar
bei der Einfahrt in die Schleussen zu Hilfe, stellt sich aber bei der Ausfahrt in dem-
selben Maasse entgegen. Hieraus erhellet deutlich, warum sowohl die Einfahrt als
auch die Ausfahrt aus den Schleussen schwerer und mit mehr Anstrengung der Zug-
kraft als auf dem übrigen Kanale verbunden ist.

Nebst den Schleussen werden auch die Kanalbrücken über Bäche und zu niedrige
Thäler und die unterirdischen Kanalstrecken zur Verminderung der Baukosten nur so
breit gemacht, dass gerade ein Schiff durchkommen kann. In allen diesen Fällen ist die
Schiffahrt beschwerlicher und langsamer, als auf den übrigen breitern Kanalstrecken.

§. 369.

Die Eisenwege sind von allen diesen Beschwerlichkeiten nicht nur frei, sondern
sie gewähren auch noch viele Vortheile, die von Kanälen nicht zu erhalten sind, nämlich:

1tens. Ist schon oben bei der Beweglichkeit des Wassers angeführt worden, dass
die Frachtwägen auf Eisenschienen durch das ganze Jahr fahren können, weder von
dem Frost des Winters, noch von der Trockniss des Sommers aufgehalten werden, und
dass selbst die vorfallenden Reparaturen ohne Hinderniss für die Frachtwägen herge-
stellt werden können.

2tens. Die Frachtwägen auf Eisengeleisen brauchen bergab gar keine Zugpferde,
sondern nur einen Mann zur Besorgung der Bremse; dagegen müssen die Kanalschiffe
sowohl bergauf als bergab von den Pferden gezogen werden, weil der horizontale
Stand des Wassers nicht gestattet, die Kraft der Schwere zur Beförderung des Trans-
portes zu benützen. In Gegenden, wo die Beschaffenheit der Gebirge erlaubt, dem
Wege eine solche Steigung zu geben, dass die auf horizontalen Strecken nöthige Zug-
kraft dadurch nur höchstens verdoppelt wird, ist dieser Vortheil so wichtig, dass die
ganzen Vorspannkosten hierdurch wieder zurückersetzt werden, weil bei der Rückfahrt
eben so viele Pferde erspart werden, als für die Fahrt bergauf vorzuspannen nöthig wa-
ren. Dagegen kann der Aufenthalt in Schleussen durch nichts ersetzt werden.

Beleuchtung der Vortheile der Kanalschiffahrt.
führte Erfahrung bei den englischen Kanälen entgegen, welche zeigt, dass die gewöhn-
liche Geschwindigkeit der Kanalschiffe von 2½ engl. Meilen in der Stunde nicht grösser
ist, als die Geschwindigkeit der Frachtwägen auf ebenen Landstrassen. Die Kraftvermeh-
rung, welche von der kurzen Ruhe bei den Schleussen entstehen kann, wird nämlich
schon bei der Einfahrt und Ausfahrt aus den Schleussen erschöpft. Denn es ist bekannt,
dass alle Schleussenkammern zur Schonung der Baukosten und des Speisewassers enger
als der übrige Kanal und meistens nur so breit angelegt werden, dass nur ein oder
zwei Schiffe darin Raum finden und auch so viele ein- und ausgeführt werden. Weil nun
durch den kleinen Spielraum, der zwischen dem Schiffe und den Wänden der Schleusse
noch übrig ist, so viel Wasser, als der Raum des Schiffes beträgt, bei der Einfahrt
aus der Schleussenkammer hinausgetrieben wird, und bei der Ausfahrt wieder zurück-
treten muss, so wird im ersten Falle der Wasserstand vor dem Schiffe mehr erhöht
und im zweiten Falle hinter dem Schiffe mehr erniedrigt, als auf dem übrigen Kanale.
Selbst die Trägheit einer so grossen Schiffslast, welche sich bei dem Uibergange des
Schiffes von der Ruhe zur Bewegung äussert, kommt den ermüdeten Zugpferden zwar
bei der Einfahrt in die Schleussen zu Hilfe, stellt sich aber bei der Ausfahrt in dem-
selben Maasse entgegen. Hieraus erhellet deutlich, warum sowohl die Einfahrt als
auch die Ausfahrt aus den Schleussen schwerer und mit mehr Anstrengung der Zug-
kraft als auf dem übrigen Kanale verbunden ist.

Nebst den Schleussen werden auch die Kanalbrücken über Bäche und zu niedrige
Thäler und die unterirdischen Kanalstrecken zur Verminderung der Baukosten nur so
breit gemacht, dass gerade ein Schiff durchkommen kann. In allen diesen Fällen ist die
Schiffahrt beschwerlicher und langsamer, als auf den übrigen breitern Kanalstrecken.

§. 369.

Die Eisenwege sind von allen diesen Beschwerlichkeiten nicht nur frei, sondern
sie gewähren auch noch viele Vortheile, die von Kanälen nicht zu erhalten sind, nämlich:

1tens. Ist schon oben bei der Beweglichkeit des Wassers angeführt worden, dass
die Frachtwägen auf Eisenschienen durch das ganze Jahr fahren können, weder von
dem Frost des Winters, noch von der Trockniss des Sommers aufgehalten werden, und
dass selbst die vorfallenden Reparaturen ohne Hinderniss für die Frachtwägen herge-
stellt werden können.

2tens. Die Frachtwägen auf Eisengeleisen brauchen bergab gar keine Zugpferde,
sondern nur einen Mann zur Besorgung der Bremse; dagegen müssen die Kanalschiffe
sowohl bergauf als bergab von den Pferden gezogen werden, weil der horizontale
Stand des Wassers nicht gestattet, die Kraft der Schwere zur Beförderung des Trans-
portes zu benützen. In Gegenden, wo die Beschaffenheit der Gebirge erlaubt, dem
Wege eine solche Steigung zu geben, dass die auf horizontalen Strecken nöthige Zug-
kraft dadurch nur höchstens verdoppelt wird, ist dieser Vortheil so wichtig, dass die
ganzen Vorspannkosten hierdurch wieder zurückersetzt werden, weil bei der Rückfahrt
eben so viele Pferde erspart werden, als für die Fahrt bergauf vorzuspannen nöthig wa-
ren. Dagegen kann der Aufenthalt in Schleussen durch nichts ersetzt werden.

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[544/0562] Beleuchtung der Vortheile der Kanalschiffahrt. führte Erfahrung bei den englischen Kanälen entgegen, welche zeigt, dass die gewöhn- liche Geschwindigkeit der Kanalschiffe von 2½ engl. Meilen in der Stunde nicht grösser ist, als die Geschwindigkeit der Frachtwägen auf ebenen Landstrassen. Die Kraftvermeh- rung, welche von der kurzen Ruhe bei den Schleussen entstehen kann, wird nämlich schon bei der Einfahrt und Ausfahrt aus den Schleussen erschöpft. Denn es ist bekannt, dass alle Schleussenkammern zur Schonung der Baukosten und des Speisewassers enger als der übrige Kanal und meistens nur so breit angelegt werden, dass nur ein oder zwei Schiffe darin Raum finden und auch so viele ein- und ausgeführt werden. Weil nun durch den kleinen Spielraum, der zwischen dem Schiffe und den Wänden der Schleusse noch übrig ist, so viel Wasser, als der Raum des Schiffes beträgt, bei der Einfahrt aus der Schleussenkammer hinausgetrieben wird, und bei der Ausfahrt wieder zurück- treten muss, so wird im ersten Falle der Wasserstand vor dem Schiffe mehr erhöht und im zweiten Falle hinter dem Schiffe mehr erniedrigt, als auf dem übrigen Kanale. Selbst die Trägheit einer so grossen Schiffslast, welche sich bei dem Uibergange des Schiffes von der Ruhe zur Bewegung äussert, kommt den ermüdeten Zugpferden zwar bei der Einfahrt in die Schleussen zu Hilfe, stellt sich aber bei der Ausfahrt in dem- selben Maasse entgegen. Hieraus erhellet deutlich, warum sowohl die Einfahrt als auch die Ausfahrt aus den Schleussen schwerer und mit mehr Anstrengung der Zug- kraft als auf dem übrigen Kanale verbunden ist. Nebst den Schleussen werden auch die Kanalbrücken über Bäche und zu niedrige Thäler und die unterirdischen Kanalstrecken zur Verminderung der Baukosten nur so breit gemacht, dass gerade ein Schiff durchkommen kann. In allen diesen Fällen ist die Schiffahrt beschwerlicher und langsamer, als auf den übrigen breitern Kanalstrecken. §. 369. Die Eisenwege sind von allen diesen Beschwerlichkeiten nicht nur frei, sondern sie gewähren auch noch viele Vortheile, die von Kanälen nicht zu erhalten sind, nämlich: 1tens. Ist schon oben bei der Beweglichkeit des Wassers angeführt worden, dass die Frachtwägen auf Eisenschienen durch das ganze Jahr fahren können, weder von dem Frost des Winters, noch von der Trockniss des Sommers aufgehalten werden, und dass selbst die vorfallenden Reparaturen ohne Hinderniss für die Frachtwägen herge- stellt werden können. 2tens. Die Frachtwägen auf Eisengeleisen brauchen bergab gar keine Zugpferde, sondern nur einen Mann zur Besorgung der Bremse; dagegen müssen die Kanalschiffe sowohl bergauf als bergab von den Pferden gezogen werden, weil der horizontale Stand des Wassers nicht gestattet, die Kraft der Schwere zur Beförderung des Trans- portes zu benützen. In Gegenden, wo die Beschaffenheit der Gebirge erlaubt, dem Wege eine solche Steigung zu geben, dass die auf horizontalen Strecken nöthige Zug- kraft dadurch nur höchstens verdoppelt wird, ist dieser Vortheil so wichtig, dass die ganzen Vorspannkosten hierdurch wieder zurückersetzt werden, weil bei der Rückfahrt eben so viele Pferde erspart werden, als für die Fahrt bergauf vorzuspannen nöthig wa- ren. Dagegen kann der Aufenthalt in Schleussen durch nichts ersetzt werden.

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/562>, abgerufen am 19.04.2024.