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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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Konstrukzion der Thermometer.
nicht eingeschüttet werden kann, so wird die Kugel auf einem Kohlenfeuer sehr stark
erwärmt, wodurch sich die darin befindliche Luft ausdehnt, und ein Theil hiervon aus
der Röhre entweicht. Man stürzt nun, so lange die Kugel noch heiss ist, das offene
Ende der Röhre in eine Schale mit Quecksilber und lässt sie darin auskühlen. Die aus-
gedehnte Luft zieht sich nach und nach wieder zusammen, und es drückt die äussere
atmosphärische Luft das Quecksilber in die Röhre hinein, so dass ein Theil des Queck-
silbers schon bis in die Kugel gelangt. Nun wird die Röhre mit der Kugel aufgestellt,
damit das Quecksilber sich am Boden der Kugel sammle, in dieser Stellung die Kugel
abermals erhitzt, und sodann wieder am andern Ende in das mit Quecksilber gefüllte
Gefäss gebracht. Es dringt nun abermals ein Theil Quecksilber hinein, und diese Ope-
razion wird so oft wiederholt, bis die Röhre voll ist.

Da auch der Barometerstand auf die Höhe des Quecksilbers in einer offenen Röhre
Einfluss hat, so pflegt man den obern Theil der Röhre luftleer zu machen. Zu die-
sem Behufe wird das obere Ende der Röhre über der Stichflamme bis zu einem Haarröhr-
chen ausgezogen, der obere Theil in der Gegend des Haarröhrchens abgebrochen, und
sodann die Kugel des Thermometers noch über die Temperatur der Siedhitze und zwar
so weit erwärmt, bis das Quecksilber anfängt in das Haarröhrchen einzudringen, in wel-
chem Augenblicke es zugeschmolzen wird. Da die Quecksilberdämpfe der Gesundheit
sehr nachtheilig sind, so muss man sich hüthen, dass nicht ein Theil des Quecksilbers
im Zuschmelzen verdampfe. Beim Erkälten zieht sich das Quecksilber wieder zusammen,
und man erfährt, ob es luftleer ist, indem man es umstürzt.

Die Skale bei dem nunmehr verfertigten Thermometer bestimmt man durch den
Gefrier- und Siedepunkt. Man nimmt nämlich ein Gefäss mit kaltem Wasser, und legt
ein Stück Eis oder Schnee hinein, steckt die Kugel des Thermometers in dasselbe, und
bemerkt den Punkt wo das Quecksilber stehen bleibt durch Umwindung eines feinen
Fadens. Hierauf wird das Instrument in siedendes Wasser gebracht, der Punkt auf glei-
che Art an der Röhre bemerkt, und auch die Barometerhöhe notirt, welche hierbei Statt
hat. Man hat zu sehen, dass diese Operazion bei einem gleichen Barometerstande vor-
genommen werde, wozu man in Frankreich 0,76 met., in England 29 Zoll engl. und in
Deutschland 28 pariser Zoll annimmt. Den Raum vom Gefrier- bis zum Siedepunkte theilt
man in die betreffende Anzahl Grade, und hat auf diese Art das Instrument verfertigt.

§. 68.

Alle festen Körper dehnen sich mehr oder weniger durch die Wärme aus, wie
wir aus sehr vielen Erfahrungen wissen. Wird eine cylindrische Metallstange, welche
genau in einen Ring passt, einige Zeit über Kohlenfeuer gehalten, so findet man, dass
sie in diesen Ring nicht mehr gebracht werden kann, und ein grösseres Volumen an-
genommen, demnach sich ausgedehnt habe. Schon die ältesten Physiker haben Ver-
suche über die Ausdehnung der Körper und vorzüglich der Metalle angestellt; die
hierzu gebrauchten Apparate waren jedoch nicht mit der Genauigkeit verfertigt, um
die Ausdehnung der Körper, welche in vielen Fällen nur sehr wenig beträgt, verlässig
zu bestimmen. Bouguer gab zuerst die Methode an, mit Hülfe eines Fernrohres, das

Gerstner's Mechanik. Band II. 11

Konstrukzion der Thermometer.
nicht eingeschüttet werden kann, so wird die Kugel auf einem Kohlenfeuer sehr stark
erwärmt, wodurch sich die darin befindliche Luft ausdehnt, und ein Theil hiervon aus
der Röhre entweicht. Man stürzt nun, so lange die Kugel noch heiss ist, das offene
Ende der Röhre in eine Schale mit Quecksilber und lässt sie darin auskühlen. Die aus-
gedehnte Luft zieht sich nach und nach wieder zusammen, und es drückt die äussere
atmosphärische Luft das Quecksilber in die Röhre hinein, so dass ein Theil des Queck-
silbers schon bis in die Kugel gelangt. Nun wird die Röhre mit der Kugel aufgestellt,
damit das Quecksilber sich am Boden der Kugel sammle, in dieser Stellung die Kugel
abermals erhitzt, und sodann wieder am andern Ende in das mit Quecksilber gefüllte
Gefäss gebracht. Es dringt nun abermals ein Theil Quecksilber hinein, und diese Ope-
razion wird so oft wiederholt, bis die Röhre voll ist.

Da auch der Barometerstand auf die Höhe des Quecksilbers in einer offenen Röhre
Einfluss hat, so pflegt man den obern Theil der Röhre luftleer zu machen. Zu die-
sem Behufe wird das obere Ende der Röhre über der Stichflamme bis zu einem Haarröhr-
chen ausgezogen, der obere Theil in der Gegend des Haarröhrchens abgebrochen, und
sodann die Kugel des Thermometers noch über die Temperatur der Siedhitze und zwar
so weit erwärmt, bis das Quecksilber anfängt in das Haarröhrchen einzudringen, in wel-
chem Augenblicke es zugeschmolzen wird. Da die Quecksilberdämpfe der Gesundheit
sehr nachtheilig sind, so muss man sich hüthen, dass nicht ein Theil des Quecksilbers
im Zuschmelzen verdampfe. Beim Erkälten zieht sich das Quecksilber wieder zusammen,
und man erfährt, ob es luftleer ist, indem man es umstürzt.

Die Skale bei dem nunmehr verfertigten Thermometer bestimmt man durch den
Gefrier- und Siedepunkt. Man nimmt nämlich ein Gefäss mit kaltem Wasser, und legt
ein Stück Eis oder Schnee hinein, steckt die Kugel des Thermometers in dasselbe, und
bemerkt den Punkt wo das Quecksilber stehen bleibt durch Umwindung eines feinen
Fadens. Hierauf wird das Instrument in siedendes Wasser gebracht, der Punkt auf glei-
che Art an der Röhre bemerkt, und auch die Barometerhöhe notirt, welche hierbei Statt
hat. Man hat zu sehen, dass diese Operazion bei einem gleichen Barometerstande vor-
genommen werde, wozu man in Frankreich 0,76 met., in England 29 Zoll engl. und in
Deutschland 28 pariser Zoll annimmt. Den Raum vom Gefrier- bis zum Siedepunkte theilt
man in die betreffende Anzahl Grade, und hat auf diese Art das Instrument verfertigt.

§. 68.

Alle festen Körper dehnen sich mehr oder weniger durch die Wärme aus, wie
wir aus sehr vielen Erfahrungen wissen. Wird eine cylindrische Metallstange, welche
genau in einen Ring passt, einige Zeit über Kohlenfeuer gehalten, so findet man, dass
sie in diesen Ring nicht mehr gebracht werden kann, und ein grösseres Volumen an-
genommen, demnach sich ausgedehnt habe. Schon die ältesten Physiker haben Ver-
suche über die Ausdehnung der Körper und vorzüglich der Metalle angestellt; die
hierzu gebrauchten Apparate waren jedoch nicht mit der Genauigkeit verfertigt, um
die Ausdehnung der Körper, welche in vielen Fällen nur sehr wenig beträgt, verlässig
zu bestimmen. Bouguer gab zuerst die Methode an, mit Hülfe eines Fernrohres, das

Gerstner’s Mechanik. Band II. 11
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[81/0099] Konstrukzion der Thermometer. nicht eingeschüttet werden kann, so wird die Kugel auf einem Kohlenfeuer sehr stark erwärmt, wodurch sich die darin befindliche Luft ausdehnt, und ein Theil hiervon aus der Röhre entweicht. Man stürzt nun, so lange die Kugel noch heiss ist, das offene Ende der Röhre in eine Schale mit Quecksilber und lässt sie darin auskühlen. Die aus- gedehnte Luft zieht sich nach und nach wieder zusammen, und es drückt die äussere atmosphärische Luft das Quecksilber in die Röhre hinein, so dass ein Theil des Queck- silbers schon bis in die Kugel gelangt. Nun wird die Röhre mit der Kugel aufgestellt, damit das Quecksilber sich am Boden der Kugel sammle, in dieser Stellung die Kugel abermals erhitzt, und sodann wieder am andern Ende in das mit Quecksilber gefüllte Gefäss gebracht. Es dringt nun abermals ein Theil Quecksilber hinein, und diese Ope- razion wird so oft wiederholt, bis die Röhre voll ist. Da auch der Barometerstand auf die Höhe des Quecksilbers in einer offenen Röhre Einfluss hat, so pflegt man den obern Theil der Röhre luftleer zu machen. Zu die- sem Behufe wird das obere Ende der Röhre über der Stichflamme bis zu einem Haarröhr- chen ausgezogen, der obere Theil in der Gegend des Haarröhrchens abgebrochen, und sodann die Kugel des Thermometers noch über die Temperatur der Siedhitze und zwar so weit erwärmt, bis das Quecksilber anfängt in das Haarröhrchen einzudringen, in wel- chem Augenblicke es zugeschmolzen wird. Da die Quecksilberdämpfe der Gesundheit sehr nachtheilig sind, so muss man sich hüthen, dass nicht ein Theil des Quecksilbers im Zuschmelzen verdampfe. Beim Erkälten zieht sich das Quecksilber wieder zusammen, und man erfährt, ob es luftleer ist, indem man es umstürzt. Die Skale bei dem nunmehr verfertigten Thermometer bestimmt man durch den Gefrier- und Siedepunkt. Man nimmt nämlich ein Gefäss mit kaltem Wasser, und legt ein Stück Eis oder Schnee hinein, steckt die Kugel des Thermometers in dasselbe, und bemerkt den Punkt wo das Quecksilber stehen bleibt durch Umwindung eines feinen Fadens. Hierauf wird das Instrument in siedendes Wasser gebracht, der Punkt auf glei- che Art an der Röhre bemerkt, und auch die Barometerhöhe notirt, welche hierbei Statt hat. Man hat zu sehen, dass diese Operazion bei einem gleichen Barometerstande vor- genommen werde, wozu man in Frankreich 0,76 met., in England 29 Zoll engl. und in Deutschland 28 pariser Zoll annimmt. Den Raum vom Gefrier- bis zum Siedepunkte theilt man in die betreffende Anzahl Grade, und hat auf diese Art das Instrument verfertigt. §. 68. Alle festen Körper dehnen sich mehr oder weniger durch die Wärme aus, wie wir aus sehr vielen Erfahrungen wissen. Wird eine cylindrische Metallstange, welche genau in einen Ring passt, einige Zeit über Kohlenfeuer gehalten, so findet man, dass sie in diesen Ring nicht mehr gebracht werden kann, und ein grösseres Volumen an- genommen, demnach sich ausgedehnt habe. Schon die ältesten Physiker haben Ver- suche über die Ausdehnung der Körper und vorzüglich der Metalle angestellt; die hierzu gebrauchten Apparate waren jedoch nicht mit der Genauigkeit verfertigt, um die Ausdehnung der Körper, welche in vielen Fällen nur sehr wenig beträgt, verlässig zu bestimmen. Bouguer gab zuerst die Methode an, mit Hülfe eines Fernrohres, das Gerstner’s Mechanik. Band II. 11

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/99>, abgerufen am 29.03.2024.