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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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Grundsätze für den Zellenbau.
so wird das Rad zwar leicht, aber dasselbe erhält nur wenige Zellen, und kann demnach
nicht mehr Wasser aufnehmen, als diese geringe Anzahl zu fassen vermag. Stellt man
im Gegentheile die Schaufeln nahe zusammen, so erhält man viele Zellen, aber ihr Inhalt
wird klein, das Rad wird mit Holz überladen und schwer, und für das Wasser bleibt
abermals zu wenig Raum übrig.

3tens. Die Richtung des einfallenden Wasserstrahles muss mit der Richtung der
Setzschaufeln genau übereinstimmen, weil das Wasser durch eine schiefere Richtung
über das Rad hinweggeführt, durch eine zu seigere Richtung aber auf die rückwärtige
Seite der Setzschaufeln fallen und einen der Bewegung des Rades entgegenstehenden
Stoss bewirken würde. Ist nun der Winkel, den die Setzschaufeln mit der Periphe-
rie des Rades machen, gross, so fällt das Wasser unterhalb zu früh aus den Zellen;
ist aber dieser Winkel klein, so muss das Aufschlagwasser entweder auf einer grös-
sern Tiefe vom Scheitel in die Zellen geleitet, oder nahe beim Scheitel mit einer
grössern horizontalen Geschwindigkeit fortgetrieben, folglich mit einem höhern Wasser-
stand im Gerinne versehen werden. Es erhellet von selbst, dass beide Fälle zu einem
grössern Verluste vom Gefälle führen.

4tens. Die Bestimmung der vortheilhaftesten Geschwindigkeit des Wassers unter-
liegt gleichen Schwierigkeiten. Denn zu einer grossen Geschwindigkeit ist ein grosses
Gefälle des Gerinnes oder ein hoher Wasserstand vor der Schütze nothwendig, welche
Höhe dem Durchmesser des Rades und dem wirksamen Gefälle nothwendig entgeht.
Ist aber die Geschwindigkeit des einfallenden Wassers klein, und dagegen für die
zweckmässigste Arbeit eine grössere Geschwindigkeit der Radschaufeln nothwendig, so
kann das Aufschlagewasser nur erst dann auf die Schaufel wirken, nachdem es durch
seinen Fall, oder durch Beschleunigung in den Zellen, folglich immer auf Kosten des
vorhandenen Gefälles die Schaufeln eingeholt hat.

5tens. Nebst der vortheilhaftesten Höhe des Wasserstandes im Gerinne fordert
noch der Ort und die Stellung der Schützen, wie auch der Ort, wo das Wasser in
die Zellen fallen soll (wozu gewöhnlich die zweite oder dritte Zelle von oben vorge-
schlagen wird) ihre eigene Bestimmung.

Alle diese Gegenstände sind genauer mathematischer Rechnungen fähig, woraus
die Bedingnisse von selbst hervorgehen, unter welchen die Wirkung des oberschläch-
tigen Rades zu einem Maximum wird. Weil aber alle diese Gegenstände miteinan-
der zusammenhängen und jeder nur dann seine vortheilhafteste Wirkung äussert, wenn
auch alle übrigen ihre vollkommenste Grösse erhalten haben, wodurch also sechs bis
sieben Maxima zu gleicher Zeit Statt finden müssen, welches nicht leicht bei einer andern
Aufgabe der Fall ist; so erhellet von selbst, warum es bei allem Aufwande von Mühe
und Kosten so schwer und aus blossen Versuchen beinahe unmöglich war,
richtige allgemeine Regeln für die Anordnung der oberschlächtigen Wasserräder aus-
findig zu machen. Uiberhaupt ist bekannt, dass Erfahrungen und Versuche zur um-
ständlichern Kenntniss der Gegenstände zwar nothwendig, aber auch für sich selbst
dunkel sind und nur zu einseitigen Resultaten führen, wenn sie nicht durch eine Theo-
rie erklärt, und durch ihren Zusammenhang unter sich und mit andern bekannten Ge-
genständen deutlich gemacht werden.

Grundsätze für den Zellenbau.
so wird das Rad zwar leicht, aber dasselbe erhält nur wenige Zellen, und kann demnach
nicht mehr Wasser aufnehmen, als diese geringe Anzahl zu fassen vermag. Stellt man
im Gegentheile die Schaufeln nahe zusammen, so erhält man viele Zellen, aber ihr Inhalt
wird klein, das Rad wird mit Holz überladen und schwer, und für das Wasser bleibt
abermals zu wenig Raum übrig.

3tens. Die Richtung des einfallenden Wasserstrahles muss mit der Richtung der
Setzschaufeln genau übereinstimmen, weil das Wasser durch eine schiefere Richtung
über das Rad hinweggeführt, durch eine zu seigere Richtung aber auf die rückwärtige
Seite der Setzschaufeln fallen und einen der Bewegung des Rades entgegenstehenden
Stoss bewirken würde. Ist nun der Winkel, den die Setzschaufeln mit der Periphe-
rie des Rades machen, gross, so fällt das Wasser unterhalb zu früh aus den Zellen;
ist aber dieser Winkel klein, so muss das Aufschlagwasser entweder auf einer grös-
sern Tiefe vom Scheitel in die Zellen geleitet, oder nahe beim Scheitel mit einer
grössern horizontalen Geschwindigkeit fortgetrieben, folglich mit einem höhern Wasser-
stand im Gerinne versehen werden. Es erhellet von selbst, dass beide Fälle zu einem
grössern Verluste vom Gefälle führen.

4tens. Die Bestimmung der vortheilhaftesten Geschwindigkeit des Wassers unter-
liegt gleichen Schwierigkeiten. Denn zu einer grossen Geschwindigkeit ist ein grosses
Gefälle des Gerinnes oder ein hoher Wasserstand vor der Schütze nothwendig, welche
Höhe dem Durchmesser des Rades und dem wirksamen Gefälle nothwendig entgeht.
Ist aber die Geschwindigkeit des einfallenden Wassers klein, und dagegen für die
zweckmässigste Arbeit eine grössere Geschwindigkeit der Radschaufeln nothwendig, so
kann das Aufschlagewasser nur erst dann auf die Schaufel wirken, nachdem es durch
seinen Fall, oder durch Beschleunigung in den Zellen, folglich immer auf Kosten des
vorhandenen Gefälles die Schaufeln eingeholt hat.

5tens. Nebst der vortheilhaftesten Höhe des Wasserstandes im Gerinne fordert
noch der Ort und die Stellung der Schützen, wie auch der Ort, wo das Wasser in
die Zellen fallen soll (wozu gewöhnlich die zweite oder dritte Zelle von oben vorge-
schlagen wird) ihre eigene Bestimmung.

Alle diese Gegenstände sind genauer mathematischer Rechnungen fähig, woraus
die Bedingnisse von selbst hervorgehen, unter welchen die Wirkung des oberschläch-
tigen Rades zu einem Maximum wird. Weil aber alle diese Gegenstände miteinan-
der zusammenhängen und jeder nur dann seine vortheilhafteste Wirkung äussert, wenn
auch alle übrigen ihre vollkommenste Grösse erhalten haben, wodurch also sechs bis
sieben Maxima zu gleicher Zeit Statt finden müssen, welches nicht leicht bei einer andern
Aufgabe der Fall ist; so erhellet von selbst, warum es bei allem Aufwande von Mühe
und Kosten so schwer und aus blossen Versuchen beinahe unmöglich war,
richtige allgemeine Regeln für die Anordnung der oberschlächtigen Wasserräder aus-
findig zu machen. Uiberhaupt ist bekannt, dass Erfahrungen und Versuche zur um-
ständlichern Kenntniss der Gegenstände zwar nothwendig, aber auch für sich selbst
dunkel sind und nur zu einseitigen Resultaten führen, wenn sie nicht durch eine Theo-
rie erklärt, und durch ihren Zusammenhang unter sich und mit andern bekannten Ge-
genständen deutlich gemacht werden.

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[408/0426] Grundsätze für den Zellenbau. so wird das Rad zwar leicht, aber dasselbe erhält nur wenige Zellen, und kann demnach nicht mehr Wasser aufnehmen, als diese geringe Anzahl zu fassen vermag. Stellt man im Gegentheile die Schaufeln nahe zusammen, so erhält man viele Zellen, aber ihr Inhalt wird klein, das Rad wird mit Holz überladen und schwer, und für das Wasser bleibt abermals zu wenig Raum übrig. 3tens. Die Richtung des einfallenden Wasserstrahles muss mit der Richtung der Setzschaufeln genau übereinstimmen, weil das Wasser durch eine schiefere Richtung über das Rad hinweggeführt, durch eine zu seigere Richtung aber auf die rückwärtige Seite der Setzschaufeln fallen und einen der Bewegung des Rades entgegenstehenden Stoss bewirken würde. Ist nun der Winkel, den die Setzschaufeln mit der Periphe- rie des Rades machen, gross, so fällt das Wasser unterhalb zu früh aus den Zellen; ist aber dieser Winkel klein, so muss das Aufschlagwasser entweder auf einer grös- sern Tiefe vom Scheitel in die Zellen geleitet, oder nahe beim Scheitel mit einer grössern horizontalen Geschwindigkeit fortgetrieben, folglich mit einem höhern Wasser- stand im Gerinne versehen werden. Es erhellet von selbst, dass beide Fälle zu einem grössern Verluste vom Gefälle führen. 4tens. Die Bestimmung der vortheilhaftesten Geschwindigkeit des Wassers unter- liegt gleichen Schwierigkeiten. Denn zu einer grossen Geschwindigkeit ist ein grosses Gefälle des Gerinnes oder ein hoher Wasserstand vor der Schütze nothwendig, welche Höhe dem Durchmesser des Rades und dem wirksamen Gefälle nothwendig entgeht. Ist aber die Geschwindigkeit des einfallenden Wassers klein, und dagegen für die zweckmässigste Arbeit eine grössere Geschwindigkeit der Radschaufeln nothwendig, so kann das Aufschlagewasser nur erst dann auf die Schaufel wirken, nachdem es durch seinen Fall, oder durch Beschleunigung in den Zellen, folglich immer auf Kosten des vorhandenen Gefälles die Schaufeln eingeholt hat. 5tens. Nebst der vortheilhaftesten Höhe des Wasserstandes im Gerinne fordert noch der Ort und die Stellung der Schützen, wie auch der Ort, wo das Wasser in die Zellen fallen soll (wozu gewöhnlich die zweite oder dritte Zelle von oben vorge- schlagen wird) ihre eigene Bestimmung. Alle diese Gegenstände sind genauer mathematischer Rechnungen fähig, woraus die Bedingnisse von selbst hervorgehen, unter welchen die Wirkung des oberschläch- tigen Rades zu einem Maximum wird. Weil aber alle diese Gegenstände miteinan- der zusammenhängen und jeder nur dann seine vortheilhafteste Wirkung äussert, wenn auch alle übrigen ihre vollkommenste Grösse erhalten haben, wodurch also sechs bis sieben Maxima zu gleicher Zeit Statt finden müssen, welches nicht leicht bei einer andern Aufgabe der Fall ist; so erhellet von selbst, warum es bei allem Aufwande von Mühe und Kosten so schwer und aus blossen Versuchen beinahe unmöglich war, richtige allgemeine Regeln für die Anordnung der oberschlächtigen Wasserräder aus- findig zu machen. Uiberhaupt ist bekannt, dass Erfahrungen und Versuche zur um- ständlichern Kenntniss der Gegenstände zwar nothwendig, aber auch für sich selbst dunkel sind und nur zu einseitigen Resultaten führen, wenn sie nicht durch eine Theo- rie erklärt, und durch ihren Zusammenhang unter sich und mit andern bekannten Ge- genständen deutlich gemacht werden.

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/426>, abgerufen am 20.04.2024.