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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834.

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Theorie der einfach wirkenden Wassersäulenmaschinen

Im Jahre 1831 wurde nach Seite 91 der Beiträge im Andreas-Schachte zu Schem-
nitz
eine zweite einfach wirkende Wassersäulenmaschine erbaut, womit das Wasser auf
eine Höhe von 324 Fuss mittelst drei übereinander gestellter Sätze gehoben wird; die
Seigerhöhe des Einfallwassers beträgt 423,29 Fuss; die Bauart dieser Maschine kommt
mit jener im Leopoldi-Schachte nahe überein. Das Verhältniss des Kraftaufwandes zum
Effekte hat Herr Bergrath Schitko nicht angegeben.

Im Michaels-Schachte zu Hodritsch wurde, nach Seite 117 der Beiträge, im
Jahre 1819 eine Reakzionsmaschine ähnlich dem Segner'schen Wasserrade erbaut.
Die Einfallshöhe misst hiebei 401,17 Fuss, die Förderungshöhe beinahe 80 Fuss; der
Effekt dieser Maschine beträgt nach Seite 126 höchstens 0,1476 oder 100 : 14 2/3 ; es gehen
also sechs Siebentel der vorhandenen Kraft auf die Widerstände verloren, und nur der
siebente Theil der Kraft wird nutzbringend verwendet. Die Anlage solcher Maschinen
dürfte denn doch gegenwärtig ganz unzweckmässig seyn, da jede andere mittelmässig
ausgeführte Förderungsmaschine einen grössern Erfolg geleistet hätte.

§. 277.

Wir kommen nun zur Theorie der Wassersäulenmaschinen. Wenn bereits
die Theorie der Saug- und jene der Druckwerke wegen der vielen hiebei in Rechnung
kommenden Bewegungswiderstände zusammengesetzter und schwieriger, als die Theo-
rie der meisten andern hydraulischen Maschinen ist, so findet diess noch mehr bei den
Wassersäulenmaschinen Statt; in den Berechnungen hierüber erscheinen nämlich nicht
bloss die Bewegungswiderstände dieser Maschinen selbst, sondern auch jene Widerstände,
welche bei der Bewegung der hiemit verbundenen Saugsätze oder Druckwerke sich
äussern. Will man daher bei einer solchen Theorie auf die kleinsten hiebei eintretenden
Umstände Rücksicht nehmen, so ergeben sich Formeln, die wegen ihrer Schwierigkeit
häufig vor ihrer Anwendung abschrecken. Da jedoch alle bei dem Betriebe einer solchen
Maschine eintretenden Umstände, wohin vorzüglich die mehr oder mindern Gebrechen
in ihrer praktischen Ausführung gehören, in keine Rechnung eingezogen werden können,
folglich die Resultate einer noch so komplizirten Formel von den Ergebnissen der Erfah-
rung immer um etwas abweichen müssen, so werden wir in diesem Kapitel bemüht seyn,
eine möglichst einfache Behandlung des Gegenstandes, so weit es nämlich hiebei Statt fin-
den kann, einzuführen, um auf solche Art für die Ausübung Formeln aufzustellen; deren
Anwendung nicht zu schwierig ist.

Es gibt zwei Gattungen der Wassersäulenmaschinen, nämlich die einfach und die
doppelt wirkenden; die erstern sind gewöhnlich mit einem, die zweiten mit zwei
Treibzylindern versehen; doch gibt es auch Fälle, wo man mit einem Zylinder nach Art
der doppelt wirkenden Dampfmaschinen oder Gebläse eine doppelte Wirkung, nämlich im
Hinauf- und Hinabgehen bewerkstelligen kann. Da diese Maschinen in den meisten Fäl-
len zum Betriebe mehrerer untereinander stehender Saugsätze verwendet werden, so wol-
len wir zuerst den Fall behandeln, dass mit einer einfach wirkenden Wasser-
säulenmaschine n untereinander stehende Saugsätze von gleicher
Höhe betrieben werden
.

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Theorie der einfach wirkenden Wassersäulenmaschinen

Im Jahre 1831 wurde nach Seite 91 der Beiträge im Andreas-Schachte zu Schem-
nitz
eine zweite einfach wirkende Wassersäulenmaschine erbaut, womit das Wasser auf
eine Höhe von 324 Fuss mittelst drei übereinander gestellter Sätze gehoben wird; die
Seigerhöhe des Einfallwassers beträgt 423,29 Fuss; die Bauart dieser Maschine kommt
mit jener im Leopoldi-Schachte nahe überein. Das Verhältniss des Kraftaufwandes zum
Effekte hat Herr Bergrath Schitko nicht angegeben.

Im Michaels-Schachte zu Hodritsch wurde, nach Seite 117 der Beiträge, im
Jahre 1819 eine Reakzionsmaschine ähnlich dem Segner’schen Wasserrade erbaut.
Die Einfallshöhe misst hiebei 401,17 Fuss, die Förderungshöhe beinahe 80 Fuss; der
Effekt dieser Maschine beträgt nach Seite 126 höchstens 0,1476 oder 100 : 14⅔; es gehen
also sechs Siebentel der vorhandenen Kraft auf die Widerstände verloren, und nur der
siebente Theil der Kraft wird nutzbringend verwendet. Die Anlage solcher Maschinen
dürfte denn doch gegenwärtig ganz unzweckmässig seyn, da jede andere mittelmässig
ausgeführte Förderungsmaschine einen grössern Erfolg geleistet hätte.

§. 277.

Wir kommen nun zur Theorie der Wassersäulenmaschinen. Wenn bereits
die Theorie der Saug- und jene der Druckwerke wegen der vielen hiebei in Rechnung
kommenden Bewegungswiderstände zusammengesetzter und schwieriger, als die Theo-
rie der meisten andern hydraulischen Maschinen ist, so findet diess noch mehr bei den
Wassersäulenmaschinen Statt; in den Berechnungen hierüber erscheinen nämlich nicht
bloss die Bewegungswiderstände dieser Maschinen selbst, sondern auch jene Widerstände,
welche bei der Bewegung der hiemit verbundenen Saugsätze oder Druckwerke sich
äussern. Will man daher bei einer solchen Theorie auf die kleinsten hiebei eintretenden
Umstände Rücksicht nehmen, so ergeben sich Formeln, die wegen ihrer Schwierigkeit
häufig vor ihrer Anwendung abschrecken. Da jedoch alle bei dem Betriebe einer solchen
Maschine eintretenden Umstände, wohin vorzüglich die mehr oder mindern Gebrechen
in ihrer praktischen Ausführung gehören, in keine Rechnung eingezogen werden können,
folglich die Resultate einer noch so komplizirten Formel von den Ergebnissen der Erfah-
rung immer um etwas abweichen müssen, so werden wir in diesem Kapitel bemüht seyn,
eine möglichst einfache Behandlung des Gegenstandes, so weit es nämlich hiebei Statt fin-
den kann, einzuführen, um auf solche Art für die Ausübung Formeln aufzustellen; deren
Anwendung nicht zu schwierig ist.

Es gibt zwei Gattungen der Wassersäulenmaschinen, nämlich die einfach und die
doppelt wirkenden; die erstern sind gewöhnlich mit einem, die zweiten mit zwei
Treibzylindern versehen; doch gibt es auch Fälle, wo man mit einem Zylinder nach Art
der doppelt wirkenden Dampfmaschinen oder Gebläse eine doppelte Wirkung, nämlich im
Hinauf- und Hinabgehen bewerkstelligen kann. Da diese Maschinen in den meisten Fäl-
len zum Betriebe mehrerer untereinander stehender Saugsätze verwendet werden, so wol-
len wir zuerst den Fall behandeln, dass mit einer einfach wirkenden Wasser-
säulenmaschine n untereinander stehende Saugsätze von gleicher
Höhe betrieben werden
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[387/0423] Theorie der einfach wirkenden Wassersäulenmaschinen Im Jahre 1831 wurde nach Seite 91 der Beiträge im Andreas-Schachte zu Schem- nitz eine zweite einfach wirkende Wassersäulenmaschine erbaut, womit das Wasser auf eine Höhe von 324 Fuss mittelst drei übereinander gestellter Sätze gehoben wird; die Seigerhöhe des Einfallwassers beträgt 423,29 Fuss; die Bauart dieser Maschine kommt mit jener im Leopoldi-Schachte nahe überein. Das Verhältniss des Kraftaufwandes zum Effekte hat Herr Bergrath Schitko nicht angegeben. Im Michaels-Schachte zu Hodritsch wurde, nach Seite 117 der Beiträge, im Jahre 1819 eine Reakzionsmaschine ähnlich dem Segner’schen Wasserrade erbaut. Die Einfallshöhe misst hiebei 401,17 Fuss, die Förderungshöhe beinahe 80 Fuss; der Effekt dieser Maschine beträgt nach Seite 126 höchstens 0,1476 oder 100 : 14⅔; es gehen also sechs Siebentel der vorhandenen Kraft auf die Widerstände verloren, und nur der siebente Theil der Kraft wird nutzbringend verwendet. Die Anlage solcher Maschinen dürfte denn doch gegenwärtig ganz unzweckmässig seyn, da jede andere mittelmässig ausgeführte Förderungsmaschine einen grössern Erfolg geleistet hätte. §. 277. Wir kommen nun zur Theorie der Wassersäulenmaschinen. Wenn bereits die Theorie der Saug- und jene der Druckwerke wegen der vielen hiebei in Rechnung kommenden Bewegungswiderstände zusammengesetzter und schwieriger, als die Theo- rie der meisten andern hydraulischen Maschinen ist, so findet diess noch mehr bei den Wassersäulenmaschinen Statt; in den Berechnungen hierüber erscheinen nämlich nicht bloss die Bewegungswiderstände dieser Maschinen selbst, sondern auch jene Widerstände, welche bei der Bewegung der hiemit verbundenen Saugsätze oder Druckwerke sich äussern. Will man daher bei einer solchen Theorie auf die kleinsten hiebei eintretenden Umstände Rücksicht nehmen, so ergeben sich Formeln, die wegen ihrer Schwierigkeit häufig vor ihrer Anwendung abschrecken. Da jedoch alle bei dem Betriebe einer solchen Maschine eintretenden Umstände, wohin vorzüglich die mehr oder mindern Gebrechen in ihrer praktischen Ausführung gehören, in keine Rechnung eingezogen werden können, folglich die Resultate einer noch so komplizirten Formel von den Ergebnissen der Erfah- rung immer um etwas abweichen müssen, so werden wir in diesem Kapitel bemüht seyn, eine möglichst einfache Behandlung des Gegenstandes, so weit es nämlich hiebei Statt fin- den kann, einzuführen, um auf solche Art für die Ausübung Formeln aufzustellen; deren Anwendung nicht zu schwierig ist. Es gibt zwei Gattungen der Wassersäulenmaschinen, nämlich die einfach und die doppelt wirkenden; die erstern sind gewöhnlich mit einem, die zweiten mit zwei Treibzylindern versehen; doch gibt es auch Fälle, wo man mit einem Zylinder nach Art der doppelt wirkenden Dampfmaschinen oder Gebläse eine doppelte Wirkung, nämlich im Hinauf- und Hinabgehen bewerkstelligen kann. Da diese Maschinen in den meisten Fäl- len zum Betriebe mehrerer untereinander stehender Saugsätze verwendet werden, so wol- len wir zuerst den Fall behandeln, dass mit einer einfach wirkenden Wasser- säulenmaschine n untereinander stehende Saugsätze von gleicher Höhe betrieben werden. 49*

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik03_1834/423>, abgerufen am 28.03.2024.