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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834.

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II. Kapitel.
Kraniche.

§. 80.

Krahne oder Kraniche (Cranes) sind Maschinen, womit Lasten auf eine
bestimmte Höhe aufgezogen, und
wenn sie aufgezogen sind, auf einen
andern Ort versetzt oder gelegt werden
. Alle Maschinen dieser Art ha-
ben demnach eine doppelte Bewegung: 1tens, den eigentlichen Aufzug und 2tens
die Verschiebung der Last, welche wieder nach dem Zwecke der Arbeit kreisförmig
oder horizontal seyn kann. Da bei einem jeden Kraniche ein hervorstehender lan-
ger Theil oder Schnabel vorhanden ist, so erklärt sich hiedurch, warum man diese Ma-
schine mit dem Namen eines Kraniches belegt habe.

Kraniche werden vorzüglich in Häfen gebraucht, um die Ladungen aus den Schiffen
aufzuwinden und dann mittelst der Bewegung der Maschine am Ufer abzusetzen. Diess
erfordert jedoch, dass die Ufer nicht sehr flach seyen, weil sonst der Schnabel oder her-
vorstehende Theil zu lang und die Maschine zu schwer würde. Aus dieser Ursache sind
in den Seehäfen und bei den Ladungsplätzen an Flüssen, die Ufer (quays) gewöhnlich
durch Verkleidungen von Quadersteinen senkrecht aufgeführt und oben auf diesen Ufer-
mauern die Kraniche aufgestellt. So sieht man in allen Seehäfen Englands eine beinahe
zahllose Menge Kraniche, die häufig von verschiedener Konstrukzion sind, und gegen-
wärtig ganz von Eisen gemacht werden. Allein auch in allen Fabriken und andern Ge-
bänden, wo irgend ein Verkehr Statt findet, sind in England Kraniche aufgestellt. In
der City von London hat beinahe jedes Haus und jedes Kaufmannsgewölbe einen eigenen
Kranich, und man sieht täglich viele hundert solche Maschinen bei dem Entladen oder
Befrachten der Wägen verwendet. Bei grossen Bauten z. B. Brücken werden in Eng-
land immer mehrere Kraniche aufgestellt, hiemit die Quadersteine aus den Schiffen
aufgezogen und an dem Orte, wo sie zu liegen kommen, wieder herabgelassen. Diese
Operazion würde durch Menschenhände ohne den Gebrauch von Maschinerien bei-
nahe unmöglich seyn, da man bei solchen Bauten in jenem Lande häufig Quaderstücke
von 1/4 oder 1/3 Kub. Klafter (80 bis 100 Zentner) verwendet. In den englischen Eisen-
werken werden Kraniche zum Ausheben grosser Gussmassen aus den Formen verwen-
det, und sie dienen auch, um die Gusswaaren auf die Wägen der Eisenbahnen zu
setzen, welche gewöhnlich schon von den Hochöfen aus fortlaufen.

Es ist zu verwundern, dass der Gebrauch dieser nützlichen Maschine auf dem
Festlande von Europa noch so wenig verbreitet ist, und dass das Auf- und Abladen

Gerstner's Mechanik. Band III. 15
II. Kapitel.
Kraniche.

§. 80.

Krahne oder Kraniche (Cranes) sind Maschinen, womit Lasten auf eine
bestimmte Höhe aufgezogen, und
wenn sie aufgezogen sind, auf einen
andern Ort versetzt oder gelegt werden
. Alle Maschinen dieser Art ha-
ben demnach eine doppelte Bewegung: 1tens, den eigentlichen Aufzug und 2tens
die Verschiebung der Last, welche wieder nach dem Zwecke der Arbeit kreisförmig
oder horizontal seyn kann. Da bei einem jeden Kraniche ein hervorstehender lan-
ger Theil oder Schnabel vorhanden ist, so erklärt sich hiedurch, warum man diese Ma-
schine mit dem Namen eines Kraniches belegt habe.

Kraniche werden vorzüglich in Häfen gebraucht, um die Ladungen aus den Schiffen
aufzuwinden und dann mittelst der Bewegung der Maschine am Ufer abzusetzen. Diess
erfordert jedoch, dass die Ufer nicht sehr flach seyen, weil sonst der Schnabel oder her-
vorstehende Theil zu lang und die Maschine zu schwer würde. Aus dieser Ursache sind
in den Seehäfen und bei den Ladungsplätzen an Flüssen, die Ufer (quays) gewöhnlich
durch Verkleidungen von Quadersteinen senkrecht aufgeführt und oben auf diesen Ufer-
mauern die Kraniche aufgestellt. So sieht man in allen Seehäfen Englands eine beinahe
zahllose Menge Kraniche, die häufig von verschiedener Konstrukzion sind, und gegen-
wärtig ganz von Eisen gemacht werden. Allein auch in allen Fabriken und andern Ge-
bänden, wo irgend ein Verkehr Statt findet, sind in England Kraniche aufgestellt. In
der City von London hat beinahe jedes Haus und jedes Kaufmannsgewölbe einen eigenen
Kranich, und man sieht täglich viele hundert solche Maschinen bei dem Entladen oder
Befrachten der Wägen verwendet. Bei grossen Bauten z. B. Brücken werden in Eng-
land immer mehrere Kraniche aufgestellt, hiemit die Quadersteine aus den Schiffen
aufgezogen und an dem Orte, wo sie zu liegen kommen, wieder herabgelassen. Diese
Operazion würde durch Menschenhände ohne den Gebrauch von Maschinerien bei-
nahe unmöglich seyn, da man bei solchen Bauten in jenem Lande häufig Quaderstücke
von ¼ oder ⅓ Kub. Klafter (80 bis 100 Zentner) verwendet. In den englischen Eisen-
werken werden Kraniche zum Ausheben grosser Gussmassen aus den Formen verwen-
det, und sie dienen auch, um die Gusswaaren auf die Wägen der Eisenbahnen zu
setzen, welche gewöhnlich schon von den Hochöfen aus fortlaufen.

Es ist zu verwundern, dass der Gebrauch dieser nützlichen Maschine auf dem
Festlande von Europa noch so wenig verbreitet ist, und dass das Auf- und Abladen

Gerstner’s Mechanik. Band III. 15
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[113/0149] II. Kapitel. Kraniche. §. 80. Krahne oder Kraniche (Cranes) sind Maschinen, womit Lasten auf eine bestimmte Höhe aufgezogen, und wenn sie aufgezogen sind, auf einen andern Ort versetzt oder gelegt werden. Alle Maschinen dieser Art ha- ben demnach eine doppelte Bewegung: 1tens, den eigentlichen Aufzug und 2tens die Verschiebung der Last, welche wieder nach dem Zwecke der Arbeit kreisförmig oder horizontal seyn kann. Da bei einem jeden Kraniche ein hervorstehender lan- ger Theil oder Schnabel vorhanden ist, so erklärt sich hiedurch, warum man diese Ma- schine mit dem Namen eines Kraniches belegt habe. Kraniche werden vorzüglich in Häfen gebraucht, um die Ladungen aus den Schiffen aufzuwinden und dann mittelst der Bewegung der Maschine am Ufer abzusetzen. Diess erfordert jedoch, dass die Ufer nicht sehr flach seyen, weil sonst der Schnabel oder her- vorstehende Theil zu lang und die Maschine zu schwer würde. Aus dieser Ursache sind in den Seehäfen und bei den Ladungsplätzen an Flüssen, die Ufer (quays) gewöhnlich durch Verkleidungen von Quadersteinen senkrecht aufgeführt und oben auf diesen Ufer- mauern die Kraniche aufgestellt. So sieht man in allen Seehäfen Englands eine beinahe zahllose Menge Kraniche, die häufig von verschiedener Konstrukzion sind, und gegen- wärtig ganz von Eisen gemacht werden. Allein auch in allen Fabriken und andern Ge- bänden, wo irgend ein Verkehr Statt findet, sind in England Kraniche aufgestellt. In der City von London hat beinahe jedes Haus und jedes Kaufmannsgewölbe einen eigenen Kranich, und man sieht täglich viele hundert solche Maschinen bei dem Entladen oder Befrachten der Wägen verwendet. Bei grossen Bauten z. B. Brücken werden in Eng- land immer mehrere Kraniche aufgestellt, hiemit die Quadersteine aus den Schiffen aufgezogen und an dem Orte, wo sie zu liegen kommen, wieder herabgelassen. Diese Operazion würde durch Menschenhände ohne den Gebrauch von Maschinerien bei- nahe unmöglich seyn, da man bei solchen Bauten in jenem Lande häufig Quaderstücke von ¼ oder ⅓ Kub. Klafter (80 bis 100 Zentner) verwendet. In den englischen Eisen- werken werden Kraniche zum Ausheben grosser Gussmassen aus den Formen verwen- det, und sie dienen auch, um die Gusswaaren auf die Wägen der Eisenbahnen zu setzen, welche gewöhnlich schon von den Hochöfen aus fortlaufen. Es ist zu verwundern, dass der Gebrauch dieser nützlichen Maschine auf dem Festlande von Europa noch so wenig verbreitet ist, und dass das Auf- und Abladen Gerstner’s Mechanik. Band III. 15

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik03_1834/149>, abgerufen am 25.04.2024.