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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834.

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Theorie des Stosses.
§. 110.

Bei den bisherigen Berechnungen haben wir angenommen, dass die Schlagwerke
oder Rammaschinen durch Menschen in Betrieb gesetzt werden. Wo es aber die
Lokalität zulässt, kann man die Kraft der Pferde, welche gewöhnlich minder kostspie-
lig ist, zu gleichem Zwecke gebrauchen. In England werden bei den grössern Brücken-
bauten eine oder mehrere Dampfmaschinen zum Einschlagen der Pfähle und
Pumpen des Wassers innerhalb der Fangdämme aufgestellt. In Frankreich hat man sich
zum Pilottiren der Brücke Pont Sainte Maxence der Wasserräder bedient und mit-
telst derselben Hoyer von 2000 Lb gehoben. Die Einrichtung, welche die beschriebenen
Schlagwerke zur Verwendung der einen oder andern disponibeln Kraft zu erhalten ha-
ben, ist nicht schwer anzugeben.

Mittelst der in den vorigen §. §. vorgetragenen Rechnungen wird man in den Stand
gesetzt, bei jedem Schlagwerke den Effekt oder die Anzahl Schläge, die in einem Tage ge-
macht werden können, zu berechnen. Wir kommen nunmehr zur Beantwortung der zweiten
Frage, wie tief die Pfähle geschlagen werden sollen, damit sie eine
bestimmte Last zu tragen vermögen
. Da das Eindringen der Pfähle durch den
Stoss des Rammklotzes bewirkt wird, so müssen wir unserer Rechnung einige Sätze
aus der Theorie des Stosses vorausschicken.

Wenn zwei Körper sich hinter einander bewegen, und die Geschwindigkeit des
nachfolgenden grösser, als jene des vorhergehenden ist, so wird im Augenblicke der Be-
rührung der erste Körper einen Druck auf den zweiten ausüben, welchen wir Stoss
und die damit verbundene Kraftäusserung die Kraft des Stosses oder die Stosskraft
nennen. Man nennt den Stoss central, wenn sich die Körper vor der Berührung in
der geraden Linie bewegen, welche man durch ihre Schwerpunkte ziehen kann. Sind
die Flächen der berührenden Körper auf der Richtung der Bewegung senkrecht, so
heisst der Stoss ein gerader. Die Rechnung für die Wirkung einer Ramme gründet
sich daher auf die Grundsätze des geraden und centralen Stosses.

Die Körper, welche auf einander stossen, sind entweder vollkommen elastisch
oder ganz unelastisch, oder sie besitzen nur einige Elastizität. Von der
letztern Art sind die hölzernen Pfähle und Rammklötze, auf welche sich daher weder
die Gesetze der vollkommen elastischen, noch der unelastischen Körper genau anwen-
den lassen. Weil aber der Grad der Elastizität bei jedem Holze verschieden ist, hiebei
aber immer eine Annäherung zur vollkommenen Elastizität Statt findet, so werden wir
die Rechnungen über den Stoss vollkommen elastischer Körper bei Bestimmung der
Wirkung der Rammen mit der gehörigen Vorsicht anwenden.

§. 111.

Nach den allgemeinen Grundsätzen der Physik ist die Wirkung immer der Ge-
genwirkung gleich; es muss daher auch die Stosskraft auf beide sich berührende Kör-
per in gleicher Grösse einwirken. Durch die Stosskraft werden Eindrücke bewirkt,
welche, je nachdem die Körper elastisch oder unelastisch sind, sich wieder herstellen,
oder den Körpern verbleiben.

Betrachten wir zuerst zwei unelastische Körper. Das Gewicht des stossen-Fig.
1.
Tab.
83.

den Körpers sey M und seine Geschwindigkeit vor dem Stosse = C, das Gewicht des

Gerstner's Mechanik. Band III. 20
Theorie des Stosses.
§. 110.

Bei den bisherigen Berechnungen haben wir angenommen, dass die Schlagwerke
oder Rammaschinen durch Menschen in Betrieb gesetzt werden. Wo es aber die
Lokalität zulässt, kann man die Kraft der Pferde, welche gewöhnlich minder kostspie-
lig ist, zu gleichem Zwecke gebrauchen. In England werden bei den grössern Brücken-
bauten eine oder mehrere Dampfmaschinen zum Einschlagen der Pfähle und
Pumpen des Wassers innerhalb der Fangdämme aufgestellt. In Frankreich hat man sich
zum Pilottiren der Brücke Pont Sainte Maxence der Wasserräder bedient und mit-
telst derselben Hoyer von 2000 ℔ gehoben. Die Einrichtung, welche die beschriebenen
Schlagwerke zur Verwendung der einen oder andern disponibeln Kraft zu erhalten ha-
ben, ist nicht schwer anzugeben.

Mittelst der in den vorigen §. §. vorgetragenen Rechnungen wird man in den Stand
gesetzt, bei jedem Schlagwerke den Effekt oder die Anzahl Schläge, die in einem Tage ge-
macht werden können, zu berechnen. Wir kommen nunmehr zur Beantwortung der zweiten
Frage, wie tief die Pfähle geschlagen werden sollen, damit sie eine
bestimmte Last zu tragen vermögen
. Da das Eindringen der Pfähle durch den
Stoss des Rammklotzes bewirkt wird, so müssen wir unserer Rechnung einige Sätze
aus der Theorie des Stosses vorausschicken.

Wenn zwei Körper sich hinter einander bewegen, und die Geschwindigkeit des
nachfolgenden grösser, als jene des vorhergehenden ist, so wird im Augenblicke der Be-
rührung der erste Körper einen Druck auf den zweiten ausüben, welchen wir Stoss
und die damit verbundene Kraftäusserung die Kraft des Stosses oder die Stosskraft
nennen. Man nennt den Stoss central, wenn sich die Körper vor der Berührung in
der geraden Linie bewegen, welche man durch ihre Schwerpunkte ziehen kann. Sind
die Flächen der berührenden Körper auf der Richtung der Bewegung senkrecht, so
heisst der Stoss ein gerader. Die Rechnung für die Wirkung einer Ramme gründet
sich daher auf die Grundsätze des geraden und centralen Stosses.

Die Körper, welche auf einander stossen, sind entweder vollkommen elastisch
oder ganz unelastisch, oder sie besitzen nur einige Elastizität. Von der
letztern Art sind die hölzernen Pfähle und Rammklötze, auf welche sich daher weder
die Gesetze der vollkommen elastischen, noch der unelastischen Körper genau anwen-
den lassen. Weil aber der Grad der Elastizität bei jedem Holze verschieden ist, hiebei
aber immer eine Annäherung zur vollkommenen Elastizität Statt findet, so werden wir
die Rechnungen über den Stoss vollkommen elastischer Körper bei Bestimmung der
Wirkung der Rammen mit der gehörigen Vorsicht anwenden.

§. 111.

Nach den allgemeinen Grundsätzen der Physik ist die Wirkung immer der Ge-
genwirkung gleich; es muss daher auch die Stosskraft auf beide sich berührende Kör-
per in gleicher Grösse einwirken. Durch die Stosskraft werden Eindrücke bewirkt,
welche, je nachdem die Körper elastisch oder unelastisch sind, sich wieder herstellen,
oder den Körpern verbleiben.

Betrachten wir zuerst zwei unelastische Körper. Das Gewicht des stossen-Fig.
1.
Tab.
83.

den Körpers sey M und seine Geschwindigkeit vor dem Stosse = C, das Gewicht des

Gerstner’s Mechanik. Band III. 20
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[153/0189] Theorie des Stosses. §. 110. Bei den bisherigen Berechnungen haben wir angenommen, dass die Schlagwerke oder Rammaschinen durch Menschen in Betrieb gesetzt werden. Wo es aber die Lokalität zulässt, kann man die Kraft der Pferde, welche gewöhnlich minder kostspie- lig ist, zu gleichem Zwecke gebrauchen. In England werden bei den grössern Brücken- bauten eine oder mehrere Dampfmaschinen zum Einschlagen der Pfähle und Pumpen des Wassers innerhalb der Fangdämme aufgestellt. In Frankreich hat man sich zum Pilottiren der Brücke Pont Sainte Maxence der Wasserräder bedient und mit- telst derselben Hoyer von 2000 ℔ gehoben. Die Einrichtung, welche die beschriebenen Schlagwerke zur Verwendung der einen oder andern disponibeln Kraft zu erhalten ha- ben, ist nicht schwer anzugeben. Mittelst der in den vorigen §. §. vorgetragenen Rechnungen wird man in den Stand gesetzt, bei jedem Schlagwerke den Effekt oder die Anzahl Schläge, die in einem Tage ge- macht werden können, zu berechnen. Wir kommen nunmehr zur Beantwortung der zweiten Frage, wie tief die Pfähle geschlagen werden sollen, damit sie eine bestimmte Last zu tragen vermögen. Da das Eindringen der Pfähle durch den Stoss des Rammklotzes bewirkt wird, so müssen wir unserer Rechnung einige Sätze aus der Theorie des Stosses vorausschicken. Wenn zwei Körper sich hinter einander bewegen, und die Geschwindigkeit des nachfolgenden grösser, als jene des vorhergehenden ist, so wird im Augenblicke der Be- rührung der erste Körper einen Druck auf den zweiten ausüben, welchen wir Stoss und die damit verbundene Kraftäusserung die Kraft des Stosses oder die Stosskraft nennen. Man nennt den Stoss central, wenn sich die Körper vor der Berührung in der geraden Linie bewegen, welche man durch ihre Schwerpunkte ziehen kann. Sind die Flächen der berührenden Körper auf der Richtung der Bewegung senkrecht, so heisst der Stoss ein gerader. Die Rechnung für die Wirkung einer Ramme gründet sich daher auf die Grundsätze des geraden und centralen Stosses. Die Körper, welche auf einander stossen, sind entweder vollkommen elastisch oder ganz unelastisch, oder sie besitzen nur einige Elastizität. Von der letztern Art sind die hölzernen Pfähle und Rammklötze, auf welche sich daher weder die Gesetze der vollkommen elastischen, noch der unelastischen Körper genau anwen- den lassen. Weil aber der Grad der Elastizität bei jedem Holze verschieden ist, hiebei aber immer eine Annäherung zur vollkommenen Elastizität Statt findet, so werden wir die Rechnungen über den Stoss vollkommen elastischer Körper bei Bestimmung der Wirkung der Rammen mit der gehörigen Vorsicht anwenden. §. 111. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Physik ist die Wirkung immer der Ge- genwirkung gleich; es muss daher auch die Stosskraft auf beide sich berührende Kör- per in gleicher Grösse einwirken. Durch die Stosskraft werden Eindrücke bewirkt, welche, je nachdem die Körper elastisch oder unelastisch sind, sich wieder herstellen, oder den Körpern verbleiben. Betrachten wir zuerst zwei unelastische Körper. Das Gewicht des stossen- den Körpers sey M und seine Geschwindigkeit vor dem Stosse = C, das Gewicht des Fig. 1. Tab. 83. Gerstner’s Mechanik. Band III. 20

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik03_1834/189>, abgerufen am 28.03.2024.