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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834.

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IV. Kapitel.
Ausschöpfen des Wassers aus kleinern Tiefen mittelst
Handeimern, Wurf- und Schwungschaufeln, dann
Schaufelwerken.

§. 119.

Nach Herstellung der Fangdämme oder andern Einfassungen eines Wasserbaues,
muss das innerhalb enthaltene oder zufliessende Wasser ausgeschöpft werden, um den Bau
im Trockenen führen zu können. Man bedient sich hierzu verschiedener Manipulazionen
und Maschinen, welche aber nur dann anzuwenden sind, wenn das Grundwasser von der
Baustelle nicht durch zweckmässig angelegte, an einem niedrigern Punkte ausmündende
Abzugsgräben oder durch solche hölzerne Rinnen, oder eine Röhrenlei-
tung
abgeführt werden kann. Dieser Fall ist immer der vortheilhafteste und gewöhn-
lich minder kostspielig, als der Gebrauch von Maschinen, die überdiess zu ihrer Auf-
stellung, und für die zu ihrer Bedienung erforderlichen Menschen, immer einen ziemlich
grossen Raum bedürfen, der nicht selten bei Wasserbauten mangelt.

Ein solches Verfahren wurde bei dem Baue der steinernen Brücke über den Fluss
Doria zunächst seiner Einmündung in den Po in Turin angewendet. Diese Brücke be-
steht aus einem steinernen Bogen von 45 metres (142,4 N. Oe. Fuss) Spannweite und 12,7
metres (40,2 N. Oe. Fuss) oberer Breite, die Höhe des Kreissegmentes (fleche) ist 5,5 me-
tres,
also das Verhältniss 5,5 : 45 = 1 : 8,2. Die Brücke wurde neben dem alten Flussbette
erbaut, der Fluss erst nach Beendigung des Baues abgeleitet, und dann unter derselben
fortgeführt. Da aber das Wasser bei dem Ausgraben der Fundamente überall aufstieg, so
wurden zwei Fangdämme um die Pfeiler gebaut, beide mit einem Kanale verbunden und
von dem linken Pfeiler ein Kanal bis weit in das alte Flussbett fortgeführt. Da der Fluss
einen Fall von 1 : 1000 an diesem Orte hatte, so erhielt man durch einen Kanal von mehr
als 2000 metres Länge einen wasserfreien Raum von 2 metres Tiefe, aus welchem das
aufsteigende Wasser von selbst ablief, ohne irgend eine Schöpfmaschine während der
mehrjährigen Dauer dieses Baues zu benöthigen. Innerhalb dieses auf solche Art trocken
gelegten Raumes wurden die Piloten von 10 metres Länge eingetrieben, der Rost gelegt,
und das Mauerwerk aufgeführt. Dieser Bau wurde von dem Cavaliere Mosca, Ispettore
generale del genio civile
zu Turin geleitet; im Jahre 1823 wurden die Fundazionen der
Brücke angefangen und bis zum Jahre 1825 die Widerlagen auf 2/3 Höhe erbaut; die zwei

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IV. Kapitel.
Ausschöpfen des Wassers aus kleinern Tiefen mittelst
Handeimern, Wurf- und Schwungschaufeln, dann
Schaufelwerken.

§. 119.

Nach Herstellung der Fangdämme oder andern Einfassungen eines Wasserbaues,
muss das innerhalb enthaltene oder zufliessende Wasser ausgeschöpft werden, um den Bau
im Trockenen führen zu können. Man bedient sich hierzu verschiedener Manipulazionen
und Maschinen, welche aber nur dann anzuwenden sind, wenn das Grundwasser von der
Baustelle nicht durch zweckmässig angelegte, an einem niedrigern Punkte ausmündende
Abzugsgräben oder durch solche hölzerne Rinnen, oder eine Röhrenlei-
tung
abgeführt werden kann. Dieser Fall ist immer der vortheilhafteste und gewöhn-
lich minder kostspielig, als der Gebrauch von Maschinen, die überdiess zu ihrer Auf-
stellung, und für die zu ihrer Bedienung erforderlichen Menschen, immer einen ziemlich
grossen Raum bedürfen, der nicht selten bei Wasserbauten mangelt.

Ein solches Verfahren wurde bei dem Baue der steinernen Brücke über den Fluss
Doria zunächst seiner Einmündung in den in Turin angewendet. Diese Brücke be-
steht aus einem steinernen Bogen von 45 mètres (142,4 N. Oe. Fuss) Spannweite und 12,7
mètres (40,2 N. Oe. Fuss) oberer Breite, die Höhe des Kreissegmentes (flèche) ist 5,5 mè-
tres,
also das Verhältniss 5,5 : 45 = 1 : 8,2. Die Brücke wurde neben dem alten Flussbette
erbaut, der Fluss erst nach Beendigung des Baues abgeleitet, und dann unter derselben
fortgeführt. Da aber das Wasser bei dem Ausgraben der Fundamente überall aufstieg, so
wurden zwei Fangdämme um die Pfeiler gebaut, beide mit einem Kanale verbunden und
von dem linken Pfeiler ein Kanal bis weit in das alte Flussbett fortgeführt. Da der Fluss
einen Fall von 1 : 1000 an diesem Orte hatte, so erhielt man durch einen Kanal von mehr
als 2000 mètres Länge einen wasserfreien Raum von 2 mètres Tiefe, aus welchem das
aufsteigende Wasser von selbst ablief, ohne irgend eine Schöpfmaschine während der
mehrjährigen Dauer dieses Baues zu benöthigen. Innerhalb dieses auf solche Art trocken
gelegten Raumes wurden die Piloten von 10 mètres Länge eingetrieben, der Rost gelegt,
und das Mauerwerk aufgeführt. Dieser Bau wurde von dem Cavaliere Mosca, Ispettore
generale del genio civile
zu Turin geleitet; im Jahre 1823 wurden die Fundazionen der
Brücke angefangen und bis zum Jahre 1825 die Widerlagen auf ⅔ Höhe erbaut; die zwei

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[171/0207] IV. Kapitel. Ausschöpfen des Wassers aus kleinern Tiefen mittelst Handeimern, Wurf- und Schwungschaufeln, dann Schaufelwerken. §. 119. Nach Herstellung der Fangdämme oder andern Einfassungen eines Wasserbaues, muss das innerhalb enthaltene oder zufliessende Wasser ausgeschöpft werden, um den Bau im Trockenen führen zu können. Man bedient sich hierzu verschiedener Manipulazionen und Maschinen, welche aber nur dann anzuwenden sind, wenn das Grundwasser von der Baustelle nicht durch zweckmässig angelegte, an einem niedrigern Punkte ausmündende Abzugsgräben oder durch solche hölzerne Rinnen, oder eine Röhrenlei- tung abgeführt werden kann. Dieser Fall ist immer der vortheilhafteste und gewöhn- lich minder kostspielig, als der Gebrauch von Maschinen, die überdiess zu ihrer Auf- stellung, und für die zu ihrer Bedienung erforderlichen Menschen, immer einen ziemlich grossen Raum bedürfen, der nicht selten bei Wasserbauten mangelt. Ein solches Verfahren wurde bei dem Baue der steinernen Brücke über den Fluss Doria zunächst seiner Einmündung in den Pò in Turin angewendet. Diese Brücke be- steht aus einem steinernen Bogen von 45 mètres (142,4 N. Oe. Fuss) Spannweite und 12,7 mètres (40,2 N. Oe. Fuss) oberer Breite, die Höhe des Kreissegmentes (flèche) ist 5,5 mè- tres, also das Verhältniss 5,5 : 45 = 1 : 8,2. Die Brücke wurde neben dem alten Flussbette erbaut, der Fluss erst nach Beendigung des Baues abgeleitet, und dann unter derselben fortgeführt. Da aber das Wasser bei dem Ausgraben der Fundamente überall aufstieg, so wurden zwei Fangdämme um die Pfeiler gebaut, beide mit einem Kanale verbunden und von dem linken Pfeiler ein Kanal bis weit in das alte Flussbett fortgeführt. Da der Fluss einen Fall von 1 : 1000 an diesem Orte hatte, so erhielt man durch einen Kanal von mehr als 2000 mètres Länge einen wasserfreien Raum von 2 mètres Tiefe, aus welchem das aufsteigende Wasser von selbst ablief, ohne irgend eine Schöpfmaschine während der mehrjährigen Dauer dieses Baues zu benöthigen. Innerhalb dieses auf solche Art trocken gelegten Raumes wurden die Piloten von 10 mètres Länge eingetrieben, der Rost gelegt, und das Mauerwerk aufgeführt. Dieser Bau wurde von dem Cavaliere Mosca, Ispettore generale del genio civile zu Turin geleitet; im Jahre 1823 wurden die Fundazionen der Brücke angefangen und bis zum Jahre 1825 die Widerlagen auf ⅔ Höhe erbaut; die zwei 22*

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik03_1834/207>, abgerufen am 29.03.2024.